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Journal of Linguistics and Language Teaching
Volume 1 (2010) Issue 2
pp. 299 - 321


Das E-Tandem-Projekt 
am Sprachlehrinstitut der Universität Freiburg - 
ein Zwischenbericht

Adriano Murelli (Mannheim)  / Rosanna Pedretti (Freiburg im Breisgau)

Abstract  (English)
This paper represents a report on an e-tandem project conducted at Freiburg University (Germany) from the winter term 2009/2010 on. It started with a German-Italian pilot course organised in cooperation with Pavia University (Italy). In order to promote autonomous language learning, the authors used several web-based applications, relying on Skype to enable full (i.e. visual, auditive) interaction between learning partners and on e-mails to let participants practise writing and reading in the respective foreign language. Additionally, participants were asked to compile a weekly electronic portfolio (EPOS) to record their improvements as well as their difficulties. In the paper, the structure of the pilot course will be described and a first balance will be drawn.

Abstract  (Italiano)
Oggetto del presente contributo è il progetto di e-tandem condotto all’università di Freiburg a partire dal semestre invernale 2009/2010. Il primo passo è stato un corso pilota tedesco-italiano in cooperazione con l’università di Pavia. Per favorire l’autonomia dei discenti nell’apprendimento linguistico ci siamo serviti di diverse applicazioni web: Skype ha consentito di ottenere una piena interazione (visuale e auditiva) tra i partecipanti; scambi e-mail hanno permesso di esercitare anche le abilità di lettura e scrittura. Inoltre, i partecipanti hanno compilato di settimana un portfolio elettronico (EPOS), elencando tra le altre cose progressi e difficoltà incontrate. Nel contributo descriveremo brevemente la struttura del corso pilota e tracceremo poi un primo bilancio.


1  Einführung

Die rasante Entwicklung der Informationstechnologie in den letzten Jahrzehnten hat Auswirkungen auch auf den Sprachunterricht gehabt: Die Möglichkeit, den Computer als Lernmittel zu benutzen, hat neue Horizonte eröffnet. Im Laufe dieses Prozesses hoben sich zwei Stichworte besonders ab: Multimedialität und Lernerautonomie (vgl. u.a. Murelli & Pedretti 2008). Computerbasierte Anwendungen erlaubten dem Dozenten, verschiedene Medien über eine einzige Maschine laufen zu lassen. Was früher nur durch die Einsetzung eines Buches, eines Kassetten- und eines Videorekorders möglich war, konnte nun problemlos über einen PC erfolgen. Folglich wurden Sprachlabors umgerüstet, um sie auf die neue Technologie anzupassen. Dadurch wurde die Lernerautonomie entscheidend gefördert: Die Studierenden konnten Übungen und Aufgaben machen und umgehend korrigieren; sie konnten sich Hörverstehenstexte beliebig oft anhören, Filme anschauen – all das in vollkommener Selbstständigkeit und dort, wo ein Selbstlernbereich vorhanden war, bei freier Zeiteinteilung.

Mit der Verbreitung des Internets wurde in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren ein weiterer Schritt nach vorn erzielt: Medien standen nun weltweit zur Verfügung und konnten bei freiem Zugang rund um die Uhr benutzt werden. Doch war bei diesem so genannten Web 1.0 ein für den Sprachunterricht entscheidender Aspekt noch nicht völlig entwickelt: die Interaktion. Zwar stellten E-Mail-Austausch und Forumsdiskussionen Formen der Interaktion zwischen Internetnutzern dar, diese war jedoch nur schriftlich und oft nicht real time möglich; außerdem konnten Inhalte von Webseiten nicht von jedem Nutzer beliebig geändert bzw. gestaltet werden. Dies änderte sich nach und nach mit der Entstehung des Web 2.0 (Alby 2007): Bei dieser „neuen Version“ des World Wide Web rückten die sozial-interaktive und die kollaborative Komponente in den Mittelpunkt – daher wird auch der Begriff social media gern gebraucht. Dadurch konnte der Inhalt von Webseiten von verschiedenen Nutzern gestaltet werden (wie es z.B. bei Wikipedia der Fall ist);Real-Time-Interaktionen wurden immer öfter möglich. Dabei konnten sich die Nutzer nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich unterhalten und – ein ganz entscheidender Fortschritt – sie konnten sich sehen. Die Interaktion über den PC glich immer mehr der alltäglichen Face-to-Face-Kommunikation unter Gesprächspartnern.

Von dieser neuen Entwicklung wurde auch der Sprachunterricht betroffen. Die Anwendung Web-2.0-basierter Applikationen und deren Auswirkungen auf den Unterricht und auf die Lernerautonomie sind brisante Themen, mit denen sich Lehrkräfte und Forscher sowohl auf Tagungen und Konferenzen[1] als auch in der alltäglichen Unterrichtspraxis auseinandersetzen. Auch am Sprachlehrinstitut der Universität Freiburg haben wir wiederholt versucht, die technischen Fortschritte zu berücksichtigen und bewusst in den Unterricht zu integrieren. So benutzten wir zum Beispiel Rollenspiele zur Evaluation der mündlichen Kompetenz (Murelli & Pedretti 2009): In Gruppen unterteilt, nahmen die Studierenden ihre Rollenspiele auf den PC auf, so dass sie ihre Dialoge nochmals hören und sich selbst bzw. ihre Kommilitonen aus anderen Gruppen korrigieren und evaluieren konnten. In unseren Kursen führten wir auch das Online-Portfolio EPOS probeweise ein - mit dem Ziel, dass die Studierenden ihren Lernprozess bewusster gestalten würden (Murelli & Pedretti 2010).

Unser bisher letzter Schritt zielt im Einklang mit den Eigenschaften des Web 2.0 darauf ab, die Interaktion zwischen Sprachlernern zu erhöhen, selbst wenn sich diese nicht an demselben Ort befinden. So entstand die Idee eines E-Tandem-Projekts.

Im Folgenden werden wir unser Projekt kurz skizzieren. Danach konzentrieren wir uns auf den italienisch-deutschen Pilotkurs zwischen der Universität Freiburg und der Universität Pavia und gehen dabei insbesondere auf die Web-Applikationen ein, die wir in diesem Kurs benutzt haben. Schließlich ziehen wir eine erste kritische Bilanz unseres Projekts.

2  Allgemeines über das Projekt

Wie soeben erwähnt, besteht das Hauptziel unseres E-Tandem-Projekts darin, die Interaktion zwischen den Lernern einer Fremdsprache, die sich an verschiedenen Orten befinden, zu ermöglichen: Wir streben an, dass unsere Fremdsprachenstudierenden sich über das Internet mit Kommilitonen aus dem Ausland, die Deutsch lernen, unterhalten können – und zwar nicht nach Belieben, sondern im Rahmen einer strukturierten Veranstaltung, eines E-Tandem-Kurses. Das E in dem Begriff E-Tandem steht also dafür, dass die Kommunikation zwischen den jeweiligen Partnern ausschließlich über das Internet laufen soll.

Unser Projekt begann mit einem Pilotkurs im Wintersemester 2009/2010, der das Sprachenpaar Italienisch-Deutsch betraf. Am Kurs nahmen sechs deutsche und sechs italienische Studierende teil - zehn Studentinnen und zwei Studenten -, deren Sprachniveau in der jeweiligen Fremdsprache sich zwischen den Stufen A2 und B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens bewegte. Wir streben an, in Zukunft E-Tandem-Kurse zusätzlich für die an unserer Universität stark besuchten Fremdsprachen Englisch, Französisch und Spanisch anzubieten.

Von traditionellen Tandem-Programmen, die seit geraumer Zeit an vielen Universitäten angeboten werden, unterscheidet sich unser Projekt in vielerlei Hinsicht. So ist das traditionelle Tandem im Prinzip eine „studentische Privatangelegenheit“: Interessierte Studierende lernen sich über Anzeige, Tandem-Kartei oder Studentenbörse kennen. Beide Partner befinden sich an demselben Ort – der Nicht-Muttersprachler des Deutschen ist dabei oft ein Erasmusstudent, der Interesse hat, seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Die Partner treffen sich mehr oder weniger regelmäßig, nicht jedoch unbedingt jede Woche zu demselben Zeitpunkt; sie bestimmen das Gesprächsthema selbst, Abweichungen davon kommen spontan vor. Die Zeiteinteilung zwischen den Sprachen ist frei, und das Sprachniveau der beiden Tandem-Partner kann sehr unterschiedlich sein. Eine didaktische Struktur haben die Treffen in der Regel nicht; es kommt auch nicht unbedingt zum Einsatz von Lernmaterialien oder anderen Medien: Es geht in erster Linie darum, sich zu unterhalten.

In unserer Vorstellung sollen dagegen E-Tandem-Kurse vollwertige Veranstaltungen sein. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sich die Teilnehmer in verschiedenen Ländern befinden. Ansonsten entspricht der Aufbau weitgehend dem eines konventionellen Kurses: Die Tandem-Partner treffen sich jede Woche zu demselben Zeitpunkt; der Kurs hat eine klare didaktische Struktur; Gesprächsthema und Zeiteinteilung zwischen den Sprachen sind vorgegeben; Unterrichtsmaterialien (Bilder, Filmabschnitte, usw.) werden gern eingesetzt. Das Sprachniveau der Partner ist mehr oder weniger gleich, denn die Vermittlung der Partner erfolgt aufgrund der Ergebnisse des Dialang-Einstufungstests, den die Teilnehmer vor Kursbeginn gemacht haben. Hinzu kommt es regelmäßig zu einem Feedback - sowohl zwischen den Partnern untereinander als auch zwischen dem Dozenten bzw. Tutor und den Studierenden. Am Ende des Kurses – dann, wenn die Studierenden ihre Aufgaben erfüllt haben – bekommen sie einen Schein, auf dem die erreichte Niveaustufe und 4 ECTS-Punkte ausgewiesen sind.

Das E-Tandem-Projekt unterscheidet sich auch von ähnlichen Projekten, die im Laufe des letzten Jahrzehnts durchgeführt wurden. Diese waren meistens E-Mail- oder Chat-basiert (vgl. z.B. Brammerts/Kleppin 2001 und Kötter 2002) – eine Form bei der die Interaktion zwischen den Partnern sehr gering und nicht in Echtzeit möglich ist. Bei E-Mail- und Chat-basierten Tandems verläuft außerdem die Interaktion nur schriftlich, so dass nicht alle vier sprachlichen Fertigkeiten trainiert werden können.

In unserem E-Tandem-Projekt werden dagegen gleichzeitig mehrere Ziele verfolgt:
  1. Eine komplette Interaktion zwischen den Partnern soll ermöglicht werden: Selbst wenn die Teilnehmer sich nicht an demselben Ort befinden, soll Echtzeit-Interaktion möglich sein - genau wie bei traditionellen Tandemprogrammen -, denn die nonverbale Kommunikation (Gestik, Blickkontakt) ist eine grundlegende Komponente eines Gesprächs;
  2. Alle vier sprachlichen Fertigkeiten sollen geübt werden: Sowohl die mündlichen als auch die schriftlichen Fertigkeiten sollen eine Rolle spielen, wenn auch nicht gleichzeitig;
  3. Das Sprachbewusstsein der Teilnehmer soll gefördert werden: Dies entspricht den Richtlinien des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, in dem die Wahrnehmung des eigenen Lernprozess seitens der Lerner als ein zentraler Faktor für erfolgreiches Fremdsprachenlernen gilt;
  4. Die Treffen mit dem Tandempartner sollen eine gewisse Übersicht, Struktur und Kohärenz erhalten: Dadurch unterscheidet sich unser Projekt vom ungesteuerten Sprachtandem.
Verschiedene Internet-basierte Applikationen, darunter einige, die den Nutzern im Web 2.0 zur Verfügung gestellt werden, eignen sich sehr gut für unsere Ziele, wie wir in Abschnitt 4 sehen werden. Zunächst wollen wir aber am Beispiel unserer bisherigen Erfahrungen auf den Aufbau und die Durchführung eines E-Tandem-Kurses eingehen.


3  Aufbau und Durchführung des deutsch-italienischen E-Tandem-Kurses Freiburg-Pavia

In diesem Abschnitt werden wir in Ansätzen den Verlauf des Pilotkurses beschreiben, der im Wintersemester 2009/2010 stattfand. Da wir beide Muttersprachler des Italienischen sind und es daher nahe lag, eine Kooperation mit Italien aufzubauen, entschieden wir uns dafür, mit dem Sprachenpaar Italienisch-Deutsch zu beginnen.

3.1 Zeitfolge

Die Kooperation zwischen den Universitäten Freiburg und Pavia begann im Oktober 2008. Per Mail wurde mit Frau Dr. Mazza, ihres Zeichens Deutsch-Dozentin an der Universität Pavia, Kontakt aufgenommen. Ein Monat später fand das erste Treffen mit Frau Dr. Mazza und ihrer Assistentin Frau Biolcati in Pavia statt. Die Vorbereitungen nahmen etwa neun Monate in Anspruch: Es galt, gemeinsame Ziele zu formulieren und Konversationsthemen für die einzelnen Sitzungen der Tandempartner festzulegen. Bei einem zweiten Treffen im Sommer 2009 wurden die technischen Voraussetzungen des Sprachlabors in Pavia geprüft (insbesondere die Programme Skype und Skype-Recorder für die Aufnahme der Tandem-Gespräche): Die einwandfreie Kommunikation zwischen den Sprachlaboren sollte sichergestellt werden.

Mitte September 2009 konnte das Anmeldeverfahren eröffnet werden. In Pavia waren mehr Studierende als erwartet an einer Teilnahme interessiert: Es gab zwölf registrierte Anmeldungen und eine Warteliste mit weiteren Interessenten. In Freiburg hatten wir hingegen trotz intensiver Werbung nur sechs Interessenten, da ein Tandem hier, wie bereits erwähnt, als studentische Privatangelegenheitbetrachtet wird.

3.2 Kursaufbau

Schon in der Planungsphase hatten wir zwölf Tandem-Sitzungen plus einer einführenden Sitzung und einer Feedback-Sitzung vorgesehen – insgesamt also vierzehn Sitzungen, vom 8. Oktober 2009 bis zum 4. Februar 2010. Unserer Planung entsprach es, dass die Partner 45 Minuten auf Italienisch und 45 Minuten auf Deutsch sprechen und jedes Mal mit einer der beiden Sprachen abwechselnd anfangen sollten.

Während der Einführungssitzung am 8. Oktober stellten sich die Studierenden zunächst vor; danach erläuterte die Dozentin (Rosanna Pedretti) den Kursaufbau sowie die „Spielregeln“ und ging auf den Gebrauch von Skype ein. Der Tutor (Adriano Murelli), der an der Sitzung über Skype teilnahm, erklärte anschließend den Gebrauch der Lernplattform Campusonline und des elektronischen Portfolios EPOS.

Ab dem 15. Oktober fanden die Tandem-Sitzungen statt. Die Tandempartner trafen sich über Skype und behandelten jedes Mal ein festgelegtes Thema. Dabei meldeten sie sich nicht mit ihrem persönlichen Benutzernamen, sondern mit einem von uns vorgegebenen Postationsnamen an. Jeder Teilnehmer hatte von Anfang an einen festen Tandempartner: Die Einteilung wurde von uns Lehrkräften auf der Basis der Dialang-Tests vorgenommen; die Partner sollten nach Möglichkeit ungefähr das gleiche Niveau in der jeweiligen Fremdsprache haben. Nach wenigen Veranstaltungen zeigte sich, dass die Partner gut miteinander auskamen und nur ungern mit einem anderen (Ersatz-)Partner zusammenarbeiteten, wie es manchmal, z.B. krankheitsbedingt, vorkam.

Durch Skype entstand eine komplette Interaktion zwischen den Partnern: Sie konnten sich in Echtzeit sehen und hören, genauso wie in einem traditionellen Tandem. Der nonverbale Aspekt der Kommunikation (Gestik, Blickkontakt) erwies sich - wie oben erwähnt - in dieser Interaktion als extrem wichtig.

Nach jeder Sitzung wurden die Teilnehmer gebeten, in der jeweiligen Fremdsprache eine schriftliche Zusammenfassung dessen, was mit dem Partner besprochen worden war, zu Hause zu verfertigen. Danach sollten sie ihrem Text ihrem jeweiligen Tandempartner zur Korrektur schicken. Nach Erhalt der korrigierten Fassung sollten sie den Text auf EPOS hochladen. Das Ganze sollte jeweils bis zu der folgenden Sitzung geschehen. Dazu war vorgesehen, dass die Teilnehmer jede Woche ein Sitzungsprotokoll nach einem von den Lehrkräften vorgegebenen Muster erstellen (vgl. 4).

Nach dem letzten Skype-Treffen fand am 4. Februar 2010 eine Feedback-Runde statt, in der wir die Teilnehmer baten, uns ihre Meinung über den Kurs mitzuteilen. Dies erfolgte sowohl mündlich – die einzelnen Stellungnahmen wurden dabei mit Unterstützung des New Media Center der Universität Freiburg mit der Videokamera aufgezeichnet – als auch schriftlich, indem die Teilnehmer Fragebögen ausfüllten.

3.3 Auswahl und Reihenfolge der Themen

Die Zusammenstellung der Themenliste für die zwölf Tandem-Sitzungen erwies sich zunächst als recht schwierig: Wir hatten noch keinerlei Erfahrung und konnten nicht sicher sein, dass die Themen, die uns interessieren, auch bei den Studierenden Interesse finden würden. Wir einigten uns daher mit den Kolleginnen aus Pavia auf eine Liste, die grundsätzlich auf den folgenden Kriterien beruhte:
  1. Schwierigkeitsgrad: Zu Beginn sollten die Teilnehmer über alltägliche, einfache Themen reden. In späteren Veranstaltungen sollten sie sich mit komplexeren Sachverhalten, wie z.B. soziopolitischen Themen, auseinandersetzen und dazu Stellung nehmen. Die Progression entsprach mehr oder weniger der Progression vom Niveau A1 bis zu B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens.
  2. Nah- und Fernbereich: Von Angaben zur eigenen Person und Erlebnissen, die unmittelbar mit der eigenen Erfahrung zusammenhängen, sollte es nach und nach über Berichte über gesehene Filme oder gelesene Bücher bis hin zu Rollenspielen gehen, wobei von den Lernenden verlangt wurde, in die Rolle fiktiver Gestalten zu schlüpfen.
  3. Deutschland und Italien: Im Allgemeinen sollte der Fokus auf interkulturellen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden zwischen beiden Ländern liegen.
Somit ergab sich die nachstehende Reihenfolge:
  1. sich kennenlernen, über den letzten Urlaub berichten;
  2. über (Studien-)Erfahrungen im Ausland berichten;
  3. map task: Kinderspiele in Deutschland und Italien vergleichen;
  4. die italienische und die deutsche Küche vergleichen;
  5. über Lesegewohnheiten diskutieren; über ein neulich gelesenes Buch berichten;
  6. über einen außerhalb der Lehrveranstaltung gemeinsam gesehenen Film berichten (deutsche Teilnehmer: Si può fare; italienische Teilnehmer:Sonnenallee);
  7. die Schul- und Universitäts-Systeme in Deutschland und Italien vergleichen;
  8. über aktuelle soziopolitische Themen diskutieren (Müll-Recycling in Deutschland und Italien; Debatte über Atomkraftwerke; Klima-Gipfel in Kopenhagen);
  9. ein Touristen-Rollenspiel durchführen;
  10. über Feiertage und damit verbundene Gebräuche in Italien und Deutschland diskutieren.
  11. das Fernsehen in Italien und Deutschland vergleichen; über Fernsehgewohnheiten diskutieren
  12. Spiele realisieren (Bildgeschichte rekonstruieren, „Tabu“…)
Wie unmittelbar ersichtlich, ging die Progression für die ersten neun Sitzungen vom Einfachen zum Schwierigeren und vom persönlich Nahen zum Fernen. Der 10. und 11. Termin lagen unmittelbar vor und nach der Weihnachtsferien, und wir wollten die Teilnehmer in dieser Zeit nicht mit einer zu aufwendigen Vorbereitung belasten. Ähnliches gilt für die letzte Sitzung, wobei die von uns vorgeschlagenen Spiele sich als durchaus unterhaltsam, nicht jedoch unbedingt als einfach erwiesen.

Wie oben angedeutet, waren wir uns nicht sicher, dass alle Themen bei allen Teilnehmern gut ankommen würden. Tatsächlich stellte sich bald heraus, dass manche Themen allgemein auf größeren Zuspruch trafen als andere. In anderen Fällen hing dies eher mit den Vorlieben der einzelnen Teilnehmer zusammen. Zum Beispiel waren Teilnehmer, die keinen Fernseher besaßen, nicht an der Diskussion über Fernsehgewohnheiten interessiert. Teilnehmer, die kaum lasen, hatten Schwierigkeiten, ein Buch zu finden, über das sie berichten konnten. Allgemeine Tendenzen thematischer Präferenz ermittelten wir auf unserer Liste durch ein „Ampelsystem“: Rot markierte Themen waren sehr unbeliebt, grün markierte sehr beliebt, gelb markierte nicht bei allen Teilnehmern beliebt. So stießen die Vorschläge, über Kinderspiele oder Fernsehen zu diskutieren, auf vergleichsweise geringe Resonanz. Die Diskussion über Auslandserfahrungen und Lesegewohnheiten gefiel den Teilnehmern dagegen relativ gut. Das Rollenspiel und die Diskussion über soziopolitische Themen fanden – trotz der hohen sprachlichen Ansprüche, die mit ihnen verbunden waren - allgemeinen Zuspruch.

3.4 Bezugspersonen

Während des Kurses wurden die Teilnehmer von zwei Bezugspersonen unterstützt.
  1. Die Dozentin (Rosanna Pedretti) war für den mündlichen Teil zuständig: Sie nahm an jeder Sitzung teil und kümmerte sich hauptsächlich um den reibungslosen Ablauf der einzelnen Skype-Treffen. Bei jeder Sitzung sorgte sie auch dafür, dass die Tandempartner durch Skype-Recorder ihre Gespräche aufnahmen, und speicherte die Aufnahmen.[2]
  2. Der Online-Tutor (Adriano Murelli) war für den schriftlichen Teil verantwortlich: Er braucht nicht bei jeder Kursstunde anwesend zu sein, da er sich primär um den Online-Bereich kümmerte. Er gestaltete die Kursseite auf Campusonline, betreute die EPOS-Profile und korrigierte die Hausaufgaben der Teilnehmer.
Die Einteilung der Aufgaben erwies sich als gewinnbringend: Die Teilnehmer wussten genau, an wen sie sich wenden sollten, wenn sie Fragen hatten oder ihnen etwas nicht klar war.


4  Zum Gebrauch web-basierter Applikationen im E-Tandem-Kurs

Wie oben erwähnt, wurden in unserem Kurs gleichzeitig mehrere Anwendungen genutzt, die das Web - und insbesondere das Web 2.0 - anbietet:[3] Es handelte sich um Campusonline, Skype, E-Mails und das elektronische Portfolio EPOS. Im Folgenden soll auf jede Applikation kurz eingegangen werden.

Campusonline[4] ist die Lehr-Lern-Plattform der Universität Freiburg. Jeder Kursleiter bzw. Tutor hat die Möglichkeit, eine eigene Kursseite auf der Plattform zu gestalten. Auf unserer Kursseite stellten wir den Teilnehmern in erster Linie Informationen und Materialien zur Verfügung, im Einzelnen:
  1. Die Grundlagen des Kurses: Die Teilnehmer konnten einzelne Dateien herunterladen, die allgemeine Anleitungen zu Kursaufbau und -organisation (Hausaufgaben, EPOS) und die so genannten „Spielregeln“, d.h. die Verhaltensregeln, an denen sie sich im Umgang mit ihren Tandempartnern zu halten hatten, enthielten.
  2. Die Themen der jeweiligen Sitzungen: Jede Woche gaben wir bekannt, welches Thema in der darauf folgenden Woche zu besprechen war und worin die Hausaufgabe bestand.
  3. Vorbereitungsmaterialien zu den einzelnen Sitzungen: Manchmal stellten wir Bilder, Textdateien oder Links auf die Kursseite, die als Unterlagen oder Anregung für die Diskussion mit dem Tandempartner dienen sollten.
  4. Zusatzmaterialien: Auf Wunsch der Teilnehmer stellten wir auch Übungen, Erklärungen und Links zu einzelnen grammatischen Bereichen ins Netz.
  5. Evaluationsbögen: Am Ende des Kurses stellten wir die Fragebögen für das Feedback auf die Kursseite und baten die Teilnehmer, sie herunterzuladen und auszufüllen.
Campusonline wurde somit in erster Linie als Pinnwand benutzt, auf der die Teilnehmer Informationen über den Kursablauf finden konnten.

Obwohl der Anwendungsbereich der Online-Plattform viel größer hätte sein können, entschieden wir uns zunächst für eine eingeschränkte Nutzung dieser, weil die Plattform der Mehrheit der Teilnehmer bis dato unbekannt war. Da die Studierenden im Rahmen des Kurses zusätzlich noch mit Skype und dem Portfolios EPOS konfrontiert werden würden, wollten wir sie nicht mit einer derart hohen Zahl von Programmen – von denen jedes ein separates Einloggen mit Benutzernamen und Kennwort verlangte – belasten. Hinzu kommt, dass zumindest die Benutzung von Campusonline und EPOS eine zeitintensive Einweisung erfordert – Zeit, die uns leider nicht zur Verfügung stand. Darum wiesen wir in der Einführungssitzung die Teilnehmer in den grundlegenden Gebrauch von Campusonline und EPOS ein. Da uns EPOS wichtiger war als Campusonline, gingen wir darauf ausführlicher ein und reduzierten die Angaben zum Gebrauch von Campusonline auf ein Minimum. Wir wollten jedoch nicht völlig auf Campusonline verzichten: Durch unsere gestaltete Kursseite konnten wir den Teilnehmer einen Bezugspunkt zur Verfügung stellen, der ihnen eine klare Übersicht über den Kurs und seine Struktur sowie aktuelle Informationen zur Kursdurchführung bot.

Skype[5] stellte zweifelsohne die wichtigste Applikation für unseren Kurs dar. Über Skype trafen sich wöchentlich die deutschen Teilnehmer und ihre italienischen Tandempartner, d.h. dank Skype wurde das E-Tandem in der Form, in der wir es konzipiert hatten, überhaupt möglich: Es erlaubte eine komplette Interaktion zwischen den Partnern, was das Hauptziel des E-Tandem-Projekts war. Außerdem ermöglichte der Skype-Recorder die Aufnahme der einzelnen Gespräche.

Wie oben erklärt, mussten die Teilnehmer nach jeder Sitzung ihre schriftlichen Hausaufgaben machen, die sie ihren Partnern per E-Mail zur Korrektur schickten, und korrigierten ihrerseits die Hausaufgaben der italienischen Partner. Anders als Skype zählen E-Mails nicht zu den Applikationen des Web 2.0. Darüber hinaus basierten, wie oben angedeutet, bereits diverse, zuvor durchgeführte E-Tandem-Patnerschaften auf dem E-Mail-Austausch zwischen den jeweiligen Tandempartnern. In unserem Projekt spielten E-Mails jedoch – im Hinblick auf unser zweites Ziel - nur eine komplementäre Rolle: Durch die wöchentlichen Skype-Treffen wurden Hör- und Sprechfertigkeit geübt, in den Hausaufgaben und dem damit verbundenen E-Mail-Austausch ging es dagegen um die Schreib- und Lesefertigkeit. Somit übten die Teilnehmer - wenn auch nicht gleichzeitig - alle vier sprachlichen Fertigkeiten.

Um schließlich unser drittes Ziel, die Förderung des Sprachbewusstseins bei den Teilnehmern, zu erreichen, setzten wir das elektronische Portfolio EPOS[6] ein. Die Teilnehmer sollten ihren Lernprozess aktiv wahrnehmen und mitgestalten, um aus dem Kurs einen konkreten Gewinn zu ziehen. EPOS bietet Lernenden – als elektronisches Portfolio - die Möglichkeit, ihre Fortschritte zu reflektieren und zu dokumentieren. Studierende können ihr eigenes Portfolio verwalten und Dozenten und Tutoren zu Rate ziehen, wenn sie dies für nötig halten. Auf der anderen Seite können sich Dozenten und Tutoren schnell und unkompliziert ein Bild des Lernprozesses der Studierenden machen, indem sie sich ihre Portfolios anschauen.[7]

Im Folgenden sei kurz auf die von uns verwendeten Funktionen von EPOS eingegangen:
  1. Festlegung von Sprachniveaus: Nach der Einführungssitzung baten wir die Teilnehmer, durch diese Funktion ihr Eingangsniveau festzulegen. Dies erwies sich auch für uns als wichtig, da wir die Teilnehmer so besser kennenlernen und etwas mehr über ihre Vorkenntnisse erfahren konnten.[8]Nach der Feedback-Runde baten wir die Teilnehmer erneut, über ihr Sprachniveau zu reflektieren, um festzustellen, ob sie Fortschritte gemacht hatten. Dabei verfolgten wir das Ziel, dass die Teilnehmer sich ihrer eigenen Fortschritte bewusst würden.
  2. Ausfüllen des Lernprotokolls: Durch diese Funktion erstellten die Teilnehmer jede Woche ein Sitzungsprotokoll nach einem von uns vorgegebenen Muster (vgl. Abb. 1). Für jede Sitzung mussten sie ein oder mehrere sprachliche Ziele formulieren und die Strategien nennen, durch die sie diese Ziele erreichen wollten. Nach jeder Sitzung sollten sie selbst beurteilen, ob und wie sie diese Ziele erreicht hatten. Außerdem sollten sie grammatische Strukturen bzw. Wörter oder Wortschatzbereiche, die sie geübt oder neu gelernt hatten, sowie eventuelle Schwierigkeiten erwähnen. Darüber hinaus konnten sie sich bei Klärungsbedarf an den Tutor wenden oder ihn um zusätzliche Übungen zu grammatischen Bereichen bitten. Durch das Protokoll sollten die Teilnehmer sich selbst und ihrem Tutor ein Feedback über die einzelnen Sitzungen geben.

         Abbildung 1: Das von uns vorgegebene Muster für die Erstellung eines
                            Sitzungsprotokolls.

3. Hochladen eigener Arbeiten: Mit dieser Funktion von EPOS konnten die Teilnehmer Texte, Bilder und Tondateien hochladen. Für diesen Kurs baten wir sie, jede Woche die vom muttersprachlichen Tandempartner korrigierte Fassung der Hausaufgaben allgemein zugänglich zu machen. Der Tutor konnte somit kontrollieren, ob die Hausaufgaben tatsächlich gemacht worden waren, und gegebenenfalls ein Feedback oder weitere Ratschläge geben. Auf diese Weise hatten die Teilnehmer am Ende des Kurses ein kleines Korpus aufgebaut, das ihre eigenen Texte enthielt und ihre Fortschritte im Laufe des Kurses dokumentierte.

Zusammenfassend können wir festhalten, dass uns das Web eine Reihe von Applikationen bot, durch die wir die Ziele, die wir uns in der Planungsphase des Projekts gesetzt hatten, zumindest theoretisch erfolgreich erreichen konnten. Ob dies tatsächlich der Fall war, werden wir im folgenden Abschnitt besprechen.


 Erste Bilanz

Im Folgenden versuchen wir, eine erste kritische Bilanz zu ziehen, die sich für die weitere Gestaltung des Projekts als nützlich erweisen mag - besonders im Hinblick auf die geplante Erweiterung der E-Tandem-Kurse auf andere Sprachen. Wir stellen die Bilanz zuerst aus unserer Perspektive, derjenigen der Tutoren,  vor, dann - auf den Ergebnissen der Feedbackrunde und der Evaluationsbögen basierend - aus der Perspektive der Teilnehmer. 

5.1 Tutorenperspektive

Nach Abschluss des ersten E-Tandem-Kurses können wir feststellen, dass wir eines unserer Hauptziele erreicht haben: Die Autonomie der Lerner im Umgang mit der Fremdsprache wurde nachdrücklich gefördert. Wir konnten Woche für Woche beobachten, wie sich der Lernprozess tatsächlich aus der Kooperation zwischen den deutschen und den italienischen Tandempartnern entwickelte. Während der Skype-Sitzungen wurde dasselbe Thema abwechselnd auf Deutsch und Italienisch behandelt; dabei hatte der jeweilige Muttersprachler zusätzlich die Aufgabe, seinen Partner zu korrigieren, wenn er dies für nötig hielt. So wurden wir zu Zeugen dessen, dass sich die Teilnehmer mit wachsender Sicherheit miteinander unterhielten und auch komplexe Sachverhalte darzustellen versuchten; die jeweiligen Muttersprachler gaben sich Mühe, ihre Tandempartner zu verstehen und zu unterstützen, ohne sie dabei ständig zu unterbrechen. Auch in der Korrektur der Hausaufgaben gaben die Muttersprachler selbst Empfehlungen zur Wiederholung bestimmter grammatischer Strukturen oder erklärten kontextbedingte Anwendungen dieser sowie besondere Fälle von Kollokationen oder Registerunterschieden. Eine Peer-Korrektur wird normalerweise besser angenommen als die Korrektur „von oben“, was wir während des Kurses bestätigt sahen. Dazu bemerkten wir auch, dass sich durch die Peer-Korrektur gewisse Wörter und Strukturen besser einprägten, möglicherweise auch durch die ständige, Woche für Woche stattfindende Wiederholung.

Zudem stellte die klare Kurs-Struktur und die Progression der Gesprächsthemen einen eindeutigen Vorteil im Vergleich zu traditionellen Tandemprogrammen dar. Die Teilnehmer wurden langsam und bewusst mit immer schwierigeren Themen konfrontiert; sie wussten aber im Voraus, worüber sie in der darauf folgenden Woche diskutieren würden, und konnten sich entsprechend vorbereiten – was manche von ihnen ziemlich konsequent auch taten, indem sie z.B. nützliche Wörter und Begriffe durch Spinnendiagramme miteinander verknüpften und diese Schemata als Grundlage für die Konversation benutzten. Im Allgemeinen hielten sich die Teilnehmer meistens an die vorgegebenen Themen - Abweichungen von diesen kamen selten vor, vor allem dann, wenn das Thema bei einem Tandempaar nicht auf allzu großes Interesse stieß.

Darüber hinaus erwies sich die Zusammenarbeit von Dozentin, Tutor und Studierenden als positiv. Dozentin und Tutor waren je für einen bestimmten Bereich zuständig: Diese klare Rollenverteilung wurde von den Teilnehmern begrüßt: Sie wussten immer, an wen sie sich mit welcher Frage wenden konnten. Die Studierenden waren ihrerseits relativ selbstständig: Dozentin und Tutor griffen nur ein, wenn es erforderlich war, d.h. bei technischen Problemen oder sprachlichen und organisatorischen Fragen.

Schließlich konnten wir feststellen, dass sich die Anwendung von Web-basierten Applikationen in unserem E-Tandem-Kurs als motivierend erwies, besonders für diejenigen Teilnehmer, die das volle Spektrum der angebotenen Anwendungen auszunutzen wussten. Denn – und dies muss eingeräumt werden – nicht alle Teilnehmer kamen mit der Technik zurecht. Die Teilnehmer hatten mit drei verschiedenen und zum Teil für sie neuen Applikationen – Campusonline, Skype und EPOS – zu tun. Die meisten Teilnehmer gingen problemlos mit der Technik um, jedoch fühlten sich einige von den zahlreichen Web-Applikationen überfordert. Dies drückte sich beispielsweise darin aus, dass zwei Teilnehmer ab einem gewissen Zeitpunkt das elektronische Portfolio, mit dem sie anfangs Schwierigkeiten gehabt hatten, nicht mehr benutzten – obwohl der Tutor sie mehrmals dazu aufgefordert hatte.

Im Allgemeinen hatten wir den Eindruck, dass diejenigen Teilnehmer, die verstanden hatten, wofür jede der einzelnen Web-Applikationen gedacht war, am besten mit diesen arbeiten konnten: Wer verstand, dass Campusonline im Wesentlichen als Info-Pinnwand diente, kontrollierte sie regelmäßig, um zu sehen, ob es Neuigkeiten bzw. Zusatzmaterialien gab; wer verstand, dass die Hausaufgaben nicht eine zusätzliche Bürde, sondern als Ergänzung der Skype-Sitzungen zum Üben der Lese- und Schreibfertigkeit gedacht waren, erledigte sie pünktlich und gewissenhaft; wer verstand, dass EPOS in erster Linie ein persönliches Instrument ist, durch das jeder Teilnehmer die Etappen seines Lernprozesses (dabei auch seine Schwierigkeiten!) festhalten kann, füllte die einzigen Sektionen regelmäßig aus und griff, wenn erforderlich, auf die eigenen Notizen und Arbeiten zurück.

Im Laufe des Kurses mussten wir darüber hinaus eine gewisse Fluktuation verzeichnen, die teilweise mit dem Zeitmangel mancher Teilnehmer zusammenhingen. Manche hatten schon im Voraus angekündigt, dass sie aus Zeitgründen nur die wöchentlichen Skype-Treffen nutzen wollten, und machten konsequent keine Hausaufgaben. Die Begeisterung anderer war am Anfang groß, ließ aber zum Kursende hin nach. Wir betrachten diese Schwankungen als normal, weil wir sie auch in anderen, traditionellen Kursen immer wieder erleben. Ein Grund dafür mag sein, dass manche Teilnehmer mit derart einem großen Arbeitspensum nicht gerechnet hatten. Als Folge dessen kamen sie mit der Zeit nicht mehr mit. Darum werden wir in der Zukunft gleich in der Kursbeschreibung und in der Einführungssitzung erklären, was die Teilnehmer erwartet, damit sie sich ein klares Bild dessen machen können, was von ihnen verlangt wird.

5.2 Lernerperspektive

Durch die Evaluationsbögen und die Feedback-Runde erhielten wir von den Lernern wertvolle Informationen, die die Konzeption unseres Kurses in der Zukunft positiv beeinflussen werden.
So schätzten die Teilnehmer vor allem die klare und übersichtliche Kurskonzeption: Ihnen gefiel insbesondere die Balance von Freiheit und Strukturiertheit, die den Kurs charakterisierte. Die jeweiligen Themen waren vorgegeben, doch innerhalb dieses Rahmens hatten die Teilnehmer eine relativ große Handlungsfreiheit. Zudem betrachteten sie den Kurs als einzigartige Chance, sich frei in der Fremdsprache ausdrücken zu können und einen direkten Kontakt zu Muttersprachlern zu haben: Sie konnten bald an sich selbst feststellen, dass ihr Redefluss besser geworden war und dass sie neue Wörter und Wendungen gelernt hatten. Hinzu bemerkten sie, dass sie durch den gezielten Vergleich zwischen Deutschland und Italien nicht nur ihre Sprachkenntnisse verbessert, sondern auch viel über die damit verbundene Kultur gelernt hatten.

Auf der anderen Seite hatten manche Teilnehmer den Eindruck, dass der Kurs nicht immer ihren Vorstellungen entsprach. Bisweilen fanden sie manche Themen langweilig oder zu schwierig: In manchen Fällen hatten sie den Eindruck, dass ein Thema zu wenig Gesprächsstoff bot, in anderen, dass sie nicht genug Zeit hatten, um das vorgesehene Thema ausführlich zu behandeln[9]. Darüber hinaus äußerten fast alle Teilnehmer den Wunsch, an der Themenwahl beteiligt zu werden.

Von manchen Teilnehmern kam die Bemerkung, im Kurs sei zu wenig Grammatik behandelt worden. Dieser Kritikpunkt überraschte uns: Für uns war schon am Anfang klar, dass im Kurs gar keine Grammatik behandelt würde. In den Fällen, in denen es darauf ankam, kleine grammatische Erklärungen zu geben, sollte in unserer Konzeption der muttersprachliche Partner dafür zuständig sein. Wir besannen uns jedoch darauf, dass wir dies nie ausdrücklich formuliert, sondern nur darauf hingewiesen hatten, dass der Tutor auf Wunsch Übungen zu grammatischen Themen hätte zur Verfügung stellen können. Das mag möglicherweise zu einer gewissen Desorientierung der Teilnehmer geführt haben.

Ein paar Teilnehmer beklagten, dass die Vor- und Nachbereitung für jede Sitzung - und besonders die Verwaltung von EPOS - mit der Zeit zu zeitaufwendig würde. Wir machten sie aber darauf aufmerksam, dass der Kurs 4 ECTS-Punkte wert war: Dies entsprach 100 Arbeitsstunden, von denen weniger als 30 reine Unterrichtsstunden waren. Außerdem machten wir deutlich, dass EPOS in erster Linie nicht als Pflichtaufgabe gedacht war, sondern eher als Hilfe, um den Lernprozess und die eigenen Fortschritte wahrzunehmen und festzuhalten. Möglicherweise haben wir dies am Kursanfang nicht mit genug Nachdruck hervorgehoben.

Schließlich wurden die technischen Probleme im Sprachlabor einstimmig als belastend beurteilt. Obwohl wir vor Kursbeginn die technischen Voraussetzungen für eine reibungslose Kommunikation zwischen den Sprachlabors geprüft hatten, kam es im Laufe des Kurses in der Tat immer wieder zu kleinen Pannen. Diese konnten meistens relativ schnell behoben werden, z.B. durch einen Postationswechsel. Dennoch entstanden dadurch Zeitverzögerungen, die den Ablauf der Skype-Sitzungen beeinträchtigten.


6  Fazit und Ausblick

Als Fazit können wir Folgendes festhalten: Im Vergleich zu traditionellen Tandemprogrammen bot unser Projekt den Teilnehmern die Möglichkeit, sich mit in Italien bzw. Deutschland lebenden Partnern zu unterhalten, ohne sich in das jeweils andere Land begeben zu müssen. Die Anwendung mehrerer Web-basierter Applikationen erlaubte es den Tandempartnern, alle vier sprachlichen Grundfertigkeiten zu trainieren, und förderte ihr Lernbewusstsein. Dazu hatten sie Gelegenheit, Feedback zu geben und zu erhalten - und zwar sowohl horizontal von ihren Partnern als auch vertikal von Tutor und Dozentin.

In Zukunft möchten wir den italienisch-deutschen E-Tandem-Kurs auf jeden Fall weiterführen – obwohl dies aus terminlichen Gründen nur im Wintersemester möglich ist: Das italienische Sommersemester beginnt schon im März und überlappt sich nicht mit dem deutschen. Dabei werden wir – von den Reaktionen ausgehend, die die einzelnen Gesprächsthemen ausgelöst haben (Begeisterung, Interesse, Langeweile, Desinteresse) – ausgewählte Themen durch andere ersetzen und dabei gern Vorschläge seitens der Studierenden akzeptieren. Schließlich möchten wir, wie bereits angedeutet, das E-Tandem-Projekt auch auf andere Sprachen erweitern. Wir sind uns aber dessen bewusst, dass dies sehr zeit- und energieaufwendig sein wird. Daher haben wir uns für eine schrittweise Erweiterung entschieden: Zur Zeit läuft die Kontaktaufnahme mit spanischen Universitäten zur Organisation eines deutsch-spanischen E-Tandem-Kurses. Wir hoffen, dass unser Projekt im Laufe der nächsten zwei bis drei Jahre in vollem Gang sein wird und wir in der Lage sein werden, für jede der am häufigsten nachgefragten Fremdsprachen einen E-Tandem-Kurs anbieten zu können.


Bibliographie

Alby, Tom (2007). Web 2.0. Konzepte, Anwendungen, Technologien. München: Hanser.

Brammerts, Helmut & Kleppin, Karin (Hrsg.) (2001). Selbstgesteuertes Sprachenlernen im Tandem. Ein Handbuch. Tübingen: Stauffenburg.

Ehlers, Ulf-Daniel (2010). Qualität für digitale Lernwelten: Von der Kontrolle zur Partizipation und Reflexion. In Hugger, Kai-Uwe & Walber, Markus (Hrsg.). Digitale Lernwelten. Konzepte, Beispiele, Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag, pp. 59-73.

Kötter, Markus (2002). Tandem learning on the Internet. Learner interactions in virtual online environments (MOOs). Bern et al.: Lang.

Kühn, Bärbel (2008). Vom ELP zu EPOS. Das Portfolio der Sprachen in Europa und am Fremdsprachenzentrum der Hochschulen in Bremen. In: Krings, Hans P. & Mayer, Felix (Hrsg.). Sprachenvielfalt im Kontext von Fachkommunikation, Übersetzung und Fremdsprachenunterricht. Berlin: Frank & Timme, S. 481-494.

Murelli, Adriano & Pedretti, Rosanna (2008). 10 Jahre im Wandel: Wie hat sich die Rolle der Lernenden und der Lehrkräfte im Italienischunterricht verändert? MitSprache, Bd. 20, S. 28-29.

Murelli, Adriano & Pedretti, Rosanna (2009). Il role play nella valutazione della competenza orale. In Capuzzo, C. & Duso, E.M. & Marigo, L. (Hgg.). Insegnamento dell’italiano L2/LS all’università: nuove sfide e opportunità: Atti del convegno CercleS, Padova, 5-7 novembre 2007. Padova: Il Poligrafo, S. 431-448.

Murelli, Adriano & Pedretti, Rosanna (2010). L’applicazione del portfolio elettronico EPOS in corsi d’italiano per studenti non specialisti: primi risultati. Lend. Lingua e Nuova Didattica, vol. 39 (2), S. 22-30.


Autoren:

Dr. Adriano Murelli
Institut für Deutsche Sprache (IDS)
Abteilung Grammatik,  R 5, 6-13 
D-68161 Mannheim
Tel.: +49 621 / 1581 - 237
Fax: +49 621 / 1581 - 200

Rosanna Pedretti
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.
Sprachlehrinstitut der Philologischen Fakultät
Universitätsstr. 5
79098 Freiburg



[1] Als Beispiele erwähnen wir unter vielen anderen das Symposium „Autonomie und Motivation im Fremdsprachenunterricht“ (Universität Bremen, 06.-07.3.2009, URL: http://www.fremdsprachenzentrum-bremen.de/1725.0.html?&L=0; letzter Zugriff: 15.7.10) und die Konferenz „Fremdsprachenerwerb mit virtueller Lernplattform“ (Universität Greifswald, 25.-28.05.2010, URL: http://www.phil.uni-greifswald.de/fmz/konferenz-dokumentation.html; letzter Zugriff: 15.7.10).
[2] Das Aufnehmen der Gespräche sollte der Dokumentation dienen. Die Aufnahmen standen den Teilnehmern zur Verfügung, falls sie das Bedürfnis hatten, sich ihre eigenen Gespräche anzuhören, um die jeweilige schriftliche Hausaufgabe zu verfassen. Am Ende des Kurses entstand aus den Aufnahmen ein kleines Korpus, das z.B. (sprach)wissenschaftlichen Zwecken dienen könnte.
[3] Dies galt für die Teilnehmer in Freiburg; die Teilnehmer aus Pavia benutzten ausschließlich Skype und E-Mail, nicht aber Campusonline und das elektronische Portfolio EPOS. Ersteres kann nur von Studierenden und Lehrkräften der Universität Freiburg benutzt werden. Letzteres ist ein Lizenzprodukt, das das Sprachlehrinstitut der Universität Freiburg für den internen Gebrauch erworben hat.
[4] Internetadresse: https://campusonline.uni-freiburg.de (letzter Aufruf: 15.7.2010).
[5] Internetadresse: www.skype.com (letzter Aufruf: 15.7.2010).
[6] Internetadresse: http://www.epos-sli.uni-freiburg.de/portfolio (letzter Aufruf: 15.7.2010).
[7] Zu den Nützen von E-Portfolios vgl. Ehlers (2010: 68-71). Insbesondere zu EPOS vgl. Kühn (2008), Murelli & Pedretti (2010) sowie die Webseite http://www.eposweb.eu/ (letzter Aufruf: 15.7.2010).
[8] Zwar hatten die Teilnehmer bereits den Dialang-Test gemacht, doch dieser liefert nur ein Ergebnis bezüglich des Niveaus; die Funktion „Sprachniveau festlegen“ ist im EPOS viel analytischer und orientiert sich an den Deskriptoren des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens.
[9] Dies betraf z.B. den Bericht über den Film, da sie zu wenig Zeit für die Zusammenfassung des Plots und den eigenen Kommentar hatten.