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JLLT edited by Thomas Tinnefeld
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Journal of Linguistics and Language Teaching
Volume 4 (2013) Issue 2
pp. 122-127


Martin, Luginbühl & Stefan Hauser (Hrsg.): MedienTextKultur. Linguistische Beiträge zur kontrastiven Medienanalyse. Landau: Verlag Empirische Pädagogik 2010, 210 Seiten (= Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, Sonderheft 16) (ISBN 978-3-941320-17-8).

Methodische Fragen und Probleme des Sprach- bzw. Kulturvergleichs von Texten und Textsorten sind in der kontrastiv ausgerichteten linguistischen Forschung ein immer wieder aktuelles Thema (vgl. z.B. Lüger & Lenk 2008). Dass diesbezüglich weiterhin Diskussionsbedarf besteht, zeigt der von Martin Luginbühl und Stefan Hauser herausgegebene Sammelband in aller Deutlichkeit.

Der Titel des Bandes MedienTextKultur verweist auf einen wichtigen Themenkomplex der kulturorientierten sprachwissenschaftlichen Forschung und macht gleichzeitig durch seine Schreibweise ohne Wortzwischenräume deutlich, dass Medien, Texte und Kulturen in einem Beziehungsgeflecht zueinander stehen. Die Einordnung in den disziplinären linguistischen Kontext erfolgt im Untertitel: Es handelt sich um Beiträge zur Kontrastiven Medienanalyse.

Der Band enthält ein einleitendes Kapitel und sieben Aufsätze. Jedem Beitrag sind ein Abstract in deutscher Sprache und eine durchnummerierte inhaltliche Gliederung vorangestellt.

In der Einleitung geben die Herausgeber zunächst einen Überblick über Schwerpunktsetzungen in der kontrastiven Textologie im Laufe ihrer Entwicklung als linguistische Teildisziplin bis hin zu der Einsicht, dass Kulturalität als konstitutives Textsortenmerkmal anzusehen ist (vgl. z.B. Fix 2008). Anschließend werden vier unterschiedliche Analyseperspektiven bzw. Herangehensweisen der kontrastiven Medienanalyse, die an die Forschungstradition der kontrastiven Textologie anknüpft, benannt und erläutert. Die Verfasser unterscheiden zwischen kulturkontrastiven, diachron ausgerichteten, intermedialen und interlingualen Vergleichen, weisen aber darauf hin, dass sich diese Analyseperspektiven auch kombinieren lassen. Des Weiteren thematisieren die Herausgeber grundlegende methodologische Probleme kontrastiver Untersuchungen: Ausgehend vom jeweils zugrunde gelegten Kulturverständnis und der Art und Weise, wie kulturell bedingte Normen und Werte Texte und Textsorten prägen, stellen sie die Frage in den Vordergrund, „mit welchen Konzepten das Makrophänomen ‚Kultur‘ mit der Mikroanalyse von Texten verbunden werden kann“ (10). Sie konstatieren, dass in vielen kontrastiven Studien nationale Spezifik als Kulturspezifik „etikettiert“ wird, und diskutieren die Berechtigung dieser Vorgehensweise. Zudem verweisen sie auf weitere Fragestellungen in der kontrastiven Medienlinguistik: Von welchem tertium comparationis ist auszugehen, welche Konsequenzen ergeben sich aus der Methode des Vergleichens, wie wirken sich Globalisierung und Internationalisierung einerseits sowie Tendenzen kultureller Fragmentierung andererseits auf medienlinguistische Untersuchungen aus?

Die einzelnen Beiträge sollen nun, so das Anliegen der Herausgeber, die Diskussion der genannten Fragen und Probleme weiterführen (12). Insgesamt zeichne sich die aktuelle Diskussion durch eine „erweiterte Perspektivierung des Gegenstandsbereichs sowie durch Neukonzeptualisierungen einzelner Theoreme und Begrifflichkeiten“ (7) aus. Impulse einer solchen „Neuperspektivierung“ liefern auf die eine oder andere Weise alle Beiträge: Dies zeigt sich besonders deutlich bei der Infragestellung eines ausschließlich nationalen bzw. sprachbasierten Kulturverständnisses (Adamzik, Hauser). In die gleiche Richtung gehen der Vorschlag, bei Kultur-/Sprachvergleichen als tertium comparationis nicht lediglich Textsorten, sondern größere textsortenübergreifende textuelle Komplexe zu verwenden (Adamzik), das Plädoyer für eine (stärkere) Einbeziehung der diachronen Dimension bei kontrastiven Medienanalysen (Eckkrammer) und nicht zuletzt die empirischen Nachweise der Relevanz subkultureller Prägungen (Ruiz / Lenk).

Zu den Beiträgen im Einzelnen:

Die Diskussion wird mit dem wegweisenden Beitrag von Kirsten Adamzik eröffnet, der den Titel Texte im Kulturvergleich (17-41) trägt. Die Autorin zeigt die Grenzen korpusbasierter textsortenvergleichender Untersuchungen auf, die zum Ziel haben, interkulturelle Differenzen aufzudecken: So vermögen es derartige Studien ihrer Ansicht nach u.a. nicht, die Effekte interkultureller Kontakte und ihre Konsequenzen für die Textebene zu erfassen, und blenden „die grundlegende Relativität der Kulturgebundenheit von Texten“ (19) aus. Darüber hinaus weist Adamzik darauf hin, dass ein überschaubares Textkorpus einen „allenfalls sehr begrenzten Aufschluss über die [Hervorhebung i.O.; M.P.-K.] verglichenen Kulturen“ gibt (30). Des Weiteren kritisiert sie die starke Orientierung textsortenvergleichender Untersuchungen am Textprodukt und verweist auf die Notwendigkeit von Nutzer- bzw. Rezipientenverhaltensanalysen und der Berücksichtigung des Alltagswissens bei der Textanalyse. Die Argumentation wird unterstützt durch den Vorschlag eines Textproduktionsmodells und durch die Thematisierung der Rahmenbedingungen für das Funktionieren von Texten. In diesem Zusammenhang macht Adamzik darauf aufmerksam, dass der kommunikative Erfolg von Texten unterschiedlich zustande kommt und sich keinesfalls immer aufgrund kompetitiven Handelns einstellt; unterschieden wird deswegen zwischen Selbstläufern und Konkurrenten. In dem Beitrag wird plädiert für eine stärkere Einbeziehung medienwissenschaftlicher Fragestellungen und vorgeschlagen, dass „nicht Textsorten, sondern ‚Gefäße‘, in denen die verschiedensten Textsorten kombiniert vorkommen“ (31) verglichen werden. Diese Textsortenkombinationen finden sich nach Auffassung der Autorin in „textuellen Biotopen“ (40), die eine „echte soziale Relevanz“ aufweisen wie Programmen, Formaten und Serien. Nach einer Diskussion des Kulturbegriffs, bei der der Schwerpunkt auf die Träger einer gegebenen Kultur gesetzt wird, werden die zwei zentralen Thesen des Aufsatzes formuliert (und anschließend erörtert): „Kulturen sind nicht an Einzelsprachen und/oder Nationen gebunden, und die Artefakte, die in ihnen hervorgebracht werden, sind keine ausreichende Grundlage für die Charakterisierung und das Verständnis einer Kultur“ (39).

Eva Martha Eckkrammer unterbreitet in ihrem Beitrag Kontrastive Medientextologie und die historische Dimension (43-65) den Vorschlag für eine Subdisziplin, die angesichts der „kulturbestimmende[n] Rolle“ der Medien (51) und ihrer „textsortenkonstitutive[n] Wirkung“ (56) als Kontrastive Medientextologie zu bezeichnen wäre. Die Verfasserin plädiert zudem für eine Erweiterung der Ebene des Sprach-, Kultur- und Medienvergleichs um die Komponente der Historizität. Des Weiteren geht sie auf den Mehrwert ein, der sich aus diachron angelegten Untersuchungen für die Medientextanalysen ergibt, benennt aber auch mögliche Problemfelder (wie beispielsweise die Alterität kommunikativer Haushalte früherer Epochen).

Der Beitrag von Birte Bös People’s voices (67-93 ist den Zitierpratiken in der britischen Presse im Zeitraum 1700–2000 gewidmet. Gegenstand dieser korpusbasierten, diachron angelegten und qualitativ ausgerichteten Untersuchung ist die Verwendung echter und simulierter persönlicher Zitate in britischen Nachrichtentexten. Die mit vielen Beispielen illustrierte Analyse ergibt, dass die veränderten Zitierpraktiken - keine Wiedergabe mündlicher Rede im Rahmen einer individualisierten Personendarstellung zu Beginn des 18. Jahrhundertes, häufiger Gebrauch persönlicher Zitate im 19. Jahrhundert bis hin zu deren explosionsartiger Zunahme im 20. Jahrhundert - in einem engen Zusammenhang mit gesellschaftlichen Veränderungen stehen wie der Umsetzung technischer Innovationen und den Veränderungen des beruflichen Selbstverständnisses im Bereich Journalismus. Außerdem stellt die Autorin fest, dass derartige Zitate zunächst in Boulevardzeitungen und „nur allmählich und in gemäßigteren Umfang“ (90) in Qualitätszeitungen verwendet werden. Ein wenig problematisch wirken allerdings die Untersuchungsergebnisse, wenn man bedenkt, dass sie lediglich auf der Analyse von Nachrichtentexten basieren, denn es ist nicht auszuschließen, dass Untersuchungen an anderen Pressetextsorten zu divergierenden Ergebnissen gelangen. Auf Letzteres verweist aber die Autorin selbst im letzten Abschnitt ihres Beitrags.

Der Aufsatz von Heiko Girnth und Sascha Michel (95-117) handelt von einer dem breiten Publikum wenig bekannten, im deutschsprachigen Raum keinesfalls etablierten Textsorte, die aus den USA „importiert“ und bis jetzt vor allem von der CDU als Wahlkampfinstrument eingesetzt wurde – von der Rapid Response. Hierbei wird ein virtueller Dialog inszeniert, „der die Aufwertung der Eigengruppe und die Abwertung der Fremdgruppe zum Ziel hat“ (96). Die Autoren beschreiben die Textsorte, indem sie auf die für sie charakteristischen Bausteine, Sprechhandlungen und auf die Themenentfaltung eingehen. Anschließend wird das persuasive Potential erfasst. Interessant ist der darauffolgende intermediale Vergleich, bei dem die Verfasser auf Textsortenvarianten in anderen Kommunikationsbereichen, d.h. außerhalb des politischen Wahlkampfes, aufmerksam machen. Kritisch angemerkt sei allerdings, dass die Autoren bei dem Phänomen Rapid Response von einem Texttyp ausgehen. Meines Erachtens wäre hier die Kategorisierung als Textsorte angebrachter, und zwar in der unspezifischen Lesart des Begriffs (vgl. Adamzik 1995: 14).

Einen interessanten Einblick in die Gothic-Subkultur bietet die Untersuchung von Luisa Gutiérrez Ruis und Hartmut E.H. Lenk (119-148), die der Textsorte Kontaktanzeige in einem Gothic-Musikmagazin gewidmet ist. Aufgrund der Analyse der Makrostruktur, der verwendeten Lexik und der stilistischen Gestaltung der untersuchten Textsortenexemplare ermitteln die Verfasser textsortentypische Merkmale, die die Kontaktanzeigen im Gothic-Musikmagazin mit konventionellen Kontaktanzeigen teilen, sowie spezifische Merkmale, die sie voneinander unterscheiden. Auf diese Weise wird die subkulturelle Prägung der untersuchten Texte aufgezeigt.

Stefan Hauser macht in seinem Beitrag Zum Problem des Vergleichens von Medientexten aus kulturkontrastiver Perspektive (149-178) darauf aufmerksam, dass bilaterale Vergleiche, d.h. Vergleiche, bei denen zwei Textkorpora gegenübergestellt werden, eine begrenzte Aussagekraft haben, da dadurch „die Reichweite einer bestimmten Merkmalsausprägung“ (153) nicht zu erfassen sei. Als Vergleichsbasis sollte seiner Ansicht nach eine größere Anzahl verschiedener Teilkorpora dienen. Der Autor betont zudem, wie wichtig es ist, zwischen Kultur, Nation, Sprache und Kommunikationsgemeinschaft zu differenzieren. Zu diesem Zweck schlägt er eine Modifizierung des – in der kontrastiven Textologie und der Medienlinguistik standardmäßig angewandten (vgl. Lüger / Lenk 2008: 19f.) – Verfahrens der Paralleltextanalyse vor: Verglichen werden vier Teilkorpora, die Pressetexte überregionaler Zeitungen aus vier Nationen (Deutschland, Schweiz, England, Australien) umfassen. Kontrastiert werden aber lediglich zwei Sprachen: das Deutsche und das Englische. Anhand einer vergleichenden Analyse der Textsorte Presseinterview und der Redeeinleitung bei direkten Redezitaten, wird u.a. demonstriert, wie problematisch es ist, „Kulturalität primär an die nationale Herkunft des Vergleichsmaterials zu knüpfen“ (174).

In dem – den Band abschließenden – Beitrag von Martin Luginbühl mit dem Titel Sind Textsorten national geprägt? (179-201) wird das in kontrastiv ausgerichteten linguistischen Studien weit verbreitete Konzept „einer primär national geprägten Kulturalität von Textsorten“ (179) hinterfragt. Mehr noch: Die „Annahme einer homogenen, national oder einzelsprachlich definierten Kulturspezifik“ hat für Luginbühl einen „problematischen Status“ (193). Auf der Basis eines diachron angelegten Vergleichs zweier Fernsehnachrichtensendungen (der Schweizer Tagesschau und der amerikanischen CBS Evening News), stellt der Autor fest, dass die beiden von ihm analysierten Sendungen keine nationale Prägung erkennen lassen, sondern dass ihre Gestaltung eher auf eine „übernationale Entwicklung“ (192) verweist. Ausgehend von diesem empirischen Befund diskutiert der Verfasser das Konzept der nationalen Prägung von Textsorten, den Kulturbegriff und das Konzept der „journalistischen Kulturen“ (190-197). Daraus leitet er methodische Konsequenzen für die kontrastive Textologie ab: Dazu gehören beispielsweise der Hinweis auf die Notwendigkeit, Textsorten nicht isoliert, sondern im Hinblick auf ihren Stellenwert innerhalb eines Textsortennetzes zu analysieren, sowie der Vorschlag, die diachrone Dimension in die Analyse einzubeziehen.

Alles in allem liegt hier ein lesenswerter Sammelband vor, der Einblick in den aktuellen Stand der methodischen Diskussion in der kontrastiven Medienlinguistik bietet. Dass der Band einen gewichtigen Beitrag zu dieser Diskussion bereits geleistet hat, zeigen jüngste, theoretisch-methodisch orientierte Beiträge wie beispielsweise Adamzik (2012), Lenk (2012) und Lüger (2013).


Bibliographie

Adamzik, Kirsten (1995). Aspekte und Perspektiven der Textsortenlinguistik. In: Adamzik, Kirsten (1995): Textsorten – Texttypologie. Eine kommentierte Bibliographie. Münster: Nodus, 11–40.

Adamzik, Kirsten (2012). Kontrastive Textologie am Beispiel des Schulbuchs. In: tekst i dyskurs – text und diskurs 5, 53–91.

Fix, Ulla (2008). Was heißt Texte kulturell verstehen? Ein- und Zuordnungsprobleme beim Verstehen von Texten als kulturellen Entitäten. In: Fix, Ulla (Hrsg.) (2008): Texte und Textsorten – sprachliche, kommunikative und kulturelle Phänomene. Berlin: Frank & Timme, 103–130.

Lenk, Hartmut E.H. (2012). Methodologische Probleme des Textsortenvergleichs am Beispiel des Kommentars. In: tekst i dyskurs – text und diskurs 5, 155–171.

Lüger, Heinz-Helmut (2013). Probleme des Text(sorten)vergleichs. In: Berdychowska, Zofia / Bilut-Homplewicz, Zofia / Mikołajczyk, Beata (Hrsg.) (2013): Textlinguistik als Querschnittsdisziplin. Frankfurt a. M. u.a.: Lang, 55–66.

Lüger, Heinz-Helmut / Lenk, Hartmut E.H. (2008): Kontrastive Medienlinguistik. Ansätze, Ziele, Analysen. In: Lüger, Heinz-Helmut / Lenk, Hartmut E.H. (Hrsg.) (2008): Kontrastive Medienlinguistik. Landau: Verlag Empirische Pädagogik, 11–28.


Rezensentin:

Dr. Mikaela Petkova-Kessanlis, M.A.
St.-Kliment-Ochridski-Universität Sofia
Lehrstuhl Germanistik und Skandinavistik
Tzar-Osvoboditel-Boulevard 15
1504 Sofia
Bulgarien

E-Mail: mikaela.petkova@gmail.com