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Journal of Linguistics and Language Teaching
Volume 4 (2013) Issue 2



Andrea Rössler (Hrsg.) (2013): Standards interkultureller Kompetenz für Fremdsprachenlehrer. Landau: Verlag Empirische Pädagogik, 200 Seiten. (= Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, Sonderheft 18) (ISBN 978-3-941320-92-5.)

Der Fremdsprachenunterricht ist nicht nur die Vermittlung der Sprache, ihres Wortschatzes, der Grammatikregeln oder der richtigen Aussprache. Die Sprache ist immer mit der Kultur verbunden, die durch die für sie charakteristischen Verhaltensweisen gekennzeichnet ist. Die Sprache ist auch ein Mittel der Kommunikation zwischen Kulturen. Die Förderung interkultureller Kompetenz ist also im Fremdsprachenunterricht unentbehrlich, besonders heutzutage, im Zeitalter der Globalisierung und wachsender Mobilität. Dieses Thema greift der von Andrea Rössler in den Beiträgen zur Fremdsprachenvermittlung herausgegebene Sammelband auf. Die Publikation richtet sich vor allem an angehende Fremdsprachenlehrer sowie Lehrkräfte in der Fremdsprachenlehrerausbildung. Er besteht aus zehn Beiträgen, deren Inhalt im Folgenden kurz präsentiert wird.

Der Band wird mit dem von Andrea Rössler verfassten Artikel eingeleitet (7-21), der als Einführung fungiert und den gleichen Titel trägt wie der gesamte Band. Die Autorin skizziert die aktuellen Forschungsfelder bezüglich der interkulturellen Kompetenz. Es handelt sich hier um folgende Forschungsfelder: theoretische Modelle zur interkulturellen Kompetenz, einschließlich ihrer Evaluierbarkeit, Entwicklung und Erprobung von Lehr- und Lernmaterialien. Bemerkenswert erscheint die Tatsache, dass es äußerst schwierig ist zu überprüfen, inwieweit die festgelegten Standards interkultureller Kompetenz im Einzelfall erreicht worden sind. Einen besonderen Stellenwert hat die Selbstevaluation, die im Gegensatz zur Fremdevaluation genauere Ergebnisse ergeben kann. Die Autorin führt die Leser in die Thematik des Bandes ein, indem sie einerseits versucht, der Frage nachzugehen, wie man die Entwicklung der interkulturellen Kompetenz bei angehenden Fremdsprachenlehrern fördern kann, und andererseits den Inhalt der einzelnen Beiträge kurz zusammenfasst.

Lies Sercu konstatiert in ihrem Beitrag Lehrerausbildungsprogramme für den interkulturellen Fremdsprachenunterricht (23-49), dass es an einem Curriculum fehlt, das die Leitlinien für die Ausbildung interkulturell kompetenter Fremdsprachenlehrer enthalten würde. Es folgt ein interessanter Vorschlag, wie ein solches Curriculum aussehen könnte. Die Autorin erörtert interkulturelle Kompetenz als übergreifendes Lernziel der Ausbildung und stellt einzelne Komponenten in einer Tabelle zusammen, aus denen sich die interkulturelle kommunikative Kompetenz zusammensetzt. Sie äußert sich zu der Frage, worüber ein interkulturell kompetenter Lehrer verfügen sollte, wobei sie auf die Richtlinien der Kultusministerkonferenz zurückgreift. Sie äußert sich zum Professionswissen und zu den professionellen Handlungskompetenzen interkulturell kompetenter Fremdsprachenlehrer, wobei auch eigene Vorschläge für die Lehrerausbildung gemacht werden. Die Autorin plädiert vor allem dafür, die Relation Sprache – Kultur im Philologiestudium häufiger und intensiver zu bearbeiten. Man sollte künftige Fremdsprachenlehrer stärker für das Vorhandensein kulturbedingter verbaler und non-verbaler Bräuche sensibilisieren. Sercu weist ebenfalls auf die Notwendigkeit hin, Studenten ein ausreichendes Wissen über Spracherwerbsprozesse zu vermitteln. Zum Schluss kommt sie auf sozialkonstruktivistische Modelle zu sprechen, indem sie das sogenannte Zwiebelmodell präsentiert und Prinzipien für die Lehrerausbildung erörtert. Als Richtlinie gilt die Notwendigkeit, eigene Bemerkungen und die in multikultureller Umgebung gesammelten Erfahrungen in Ausbildungsprogrammen zu reflektieren und zu thematisieren.

Im Beitrag Interkulturelles Lernen im Literaturunterricht (51-70) berichtet Carola Surkamp über die Rolle literarischer Texte bei der Förderung interkultureller Kompetenzen. In literarischen Texten werden bestimmte Protagonisten und ihre Schicksale exemplarisch dargestellt, was dazu beitrage, dass sich der Leser besser in die gegebenen Ereignisse einfühlen könne. Die Möglichkeit eines Perspektivenwechsels sei bei literarischen Texten ein Schlüssel zur Förderung von Empathie, was auch zum Erwerb interkultureller Kompetenz beitrage. Die Autorin erörtert das Konzept des Perspektivenwechsels und seine Rolle im Literaturunterricht; sie schildert die Lehrkompetenzen, über die ein Lehrer im interkulturellen Literaturunterricht verfügen sollte, nämlich textanalytische Fähigkeiten, Textsortenkenntnis und -bewusstsein, Lesekompetenz, Hörkompetenz, Hör-Seh-Kompetenz, literarische Kompetenz, interkulturelle Kompetenz, Reflexionskompetenz, Metawissen über Kompetenzen, Methodenkompetenz, Beurteilungs- und Bewertungskompetenz. Daneben sei auch für einen interkulturell kompe­tenten Lehrer der Erwerb von Wissen über Angehörige verschiedener Kulturen unentbehrlich. Die Autorin sieht die Chance für die Förderung interkultureller Kompetenz bei Fremdsprachenlehrern in handlungs- und produktionsorientierten Arbeiten, was sie an einem Projekt verdeutlichkeit, das im Wintersemester 2010/2011 an der Universität Göttingen durchgeführt wurde und dessen Schwerpunkt die Transformation der Kurzgeschichte A pair of Jeans war.

Adelheid Schumann führt in ihrem Beitrag ,Critical Incidents‘ in der Fachsprachenlehrerausbildung (71-86) aus, was unter dem Begriff der interkulturelle Kompetenz verstanden werde. Sie weist darauf hin, dass die Förderung interkultureller Kompetenz als Grobziel der Fremdsprachendidaktik angesehen wird. In Wirklichkeit gebe es aber keine festgelegten, vereinheitlichten Richtlinien, denen man folgen könne. Die Autorin nimmt Bezug auf Ergebnisse der DESI-Studie, die gezeigt hat, dass der Erwerb interkultureller Kompetenz mit dem interkulturellen Wissen der Lehrenden zusammenhänge. Die Autorin erörtert dabei die interkulturelle Vermittlungskompetenz angehender Fremdsprachenlehrer und skizziert Verfahren, die zur Förderung einer solchen Kompetenz beitragen: 1) Übungen zur Sensibilisierung und Wahrnehmungsschulung, 2) Übungen zu Bewusstseinsbildung und zum Kulturvergleich, 3) Interaktionstraining und Rollenspiele. Im Hinblick auf das letztgenannte Verfahren bemängelt sie in der Fremdsprachenlehrerausbildung sogenannte interkulturelle Trainingsverfahren. Die Verfasserin präsentiert ein interessantes, zusammen mit ihren Mitarbeitern an der Universität Siegen entwickeltes Trainingsprogramm Critical Incidents, entstanden im Rahmen des Forschungsprojekts MUMIS (Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium). Als Critical Incidents wurden interkulturelle Missverständnisse gesammelt und beschrieben, zu denen es im Alltag der Studierenden und Lehrenden an den Hochschulen gekommen ist. Die Arbeit an diesem Projekt bietet unter anderem eine Chance, sich Gedanken zu machen, wo die Gründe für interkulturelle Missverständnisse liegen und welche Strategien zur Vermeidung eingesetzt werden könnten. Von Vorteil ist, dass die Ergebnisse des Projekts im Internet abrufbar und allgemein zugänglich sind.

Im Beitrag Interkulturelles Lernen mit kritischen Fallgeschichten (87-101) konstatiert Vasco da Silva, dass das Reflektieren selbst gewonnener interkultureller Erfahrungen für angehende Fremdsprachenlehrer äußerst hilfreich ist. Dem Definitionsversuch des Begriffs interkulturelle Kompetenz folgt das Konzept des Lernens mit kritischen Fallgeschichten. Der Autor erklärt, dass damit „ein meist aus der ersten Person Singular erzähltes Erlebnis, welchem ein für den Erzähler kritisches Moment innewohnt“ (90), gemeint ist. Er macht Ausführungen zur theoretischen Seite des Konzepts, indem er unter anderem den Unterschied zwischen kritischen Fallgeschichten und Critical Incidents erörtert sowie den interessanten und überraschenden Ursprung der kritischen Fallgeschichten schildert. Der Autor hebt hervor, dass das Konzept im Wesentlichen darin besteht, eigene Erfahrungen retrospektiv zu reflektieren, um das daraus gewonnene Wissen prospektiv einzusetzen, selbst interkulturell kompetent zu handeln und den Schülern das erworbene Wissen zu vermitteln. Der Autor bemerkt unter anderem, dass trotz einer breiten Themenpalette die Studierenden meist auf drei Themen hinweisen, nämlich auf Diskurskonventionen, das Zeitverständnis und die Organisation von Arbeitsgruppen.

Nadine Rentel leitet ihren Beitrag Der Erwerb sprachlicher und interkultureller Kompetenz im universitären Französischunterricht (103-119) mit der Bemerkung ein, dass interkulturelle Kompetenz heutzutage als Schlüsselkompetenz gilt, deren Erwerb unter den Studierenden gefördert werden sollte. Sie betont die Rolle interkultureller Kompetenz in der Wirtschaft am Beispiel der deutsch-französischen Beziehungen. Den Schwerpunkt des Beitrags bildet die Analyse deutscher und französischer Werbeanzeigen aus dem Bereich der Automobilwerbung. Die Autorin schildert, inwieweit die kulturkontrastive Arbeit mit Werbeanzeigen zur Förderung interkultureller Kompetenz beiträgt. Sie erörtert drei Marketingkonzepte, die bei der Verfassung der Werbung in Anspruch genommen werden können, nämlich: Standardisierung, Lokalisierung und Glokalisierung. Darüber hinaus gibt sie Hinweise, wie man mit dem vorgeschlagenen Vergleichsmodell von Werbeanzeigen arbeiten könnte; vorgestellt werden Ergebnisse einer Anzeigenanalyse zweier Fahrzeuge, und zwar jeweils aus dem deutschen und französischen Sprachraum. Die Analyse konzentriert sich auf drei Aspekte, die Headlines, die Fließtexte, und die visuellen Anzeigentexte. Präsentiert werden interessante Schlussfolgerungen, unter anderem die Beobachtung, dass trotz Globalisierung nach wie vor Unterschiede in den Werbekonzepten zwischen den Sprachräumen nachgewiesen werden können. Der Vergleich zeigt unter anderem, dass deutsche Werbeanzeigen eher das Fahrvergnügen und die technische Perfektion des Wagens hervorheben, die französischen dagegen großen Wert auf die Ästhetik und auf das Wecken von Emotionen legen.

Den Schwerpunkt des Beitrags Mehr als ein deutsch-französischer Perspektivwechsel (121-143) von Rainer Bendick bildet ein Plädoyer für den Einsatz eines deutsch-französischen Geschichtsbuchs im Fremdsprachenunterricht als Maßnahme zur Förderung interkultureller Kompetenz. Der Beitrag wird mit der Bemerkung eingeleitet, dass heutzutage Kompetenzen eine entscheidende Rolle in der Didaktik beigemessen wird. Dabei ist die interkulturelle Kompetenz von besonderer Bedeutung. Der Autor skizziert die Geschichte der unterrichtlichen Förderung interkultureller Kompetenz in Deutschland, wobei er bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückgeht. Erörtert werden diverse Vor- und Nachteile des deutsch-französischen Geschichtsbuchs, ebenso die Bedeutung der Ereignisse in der deutschen und französischen Geschichte. Das Geschichtsbuch wurde in zwei Fassungen - einer deutschen und einer französischen - herausgegeben. Im Unterricht arbeitet man jeweils mit der fremdsprachigen Fassung. Das Lehrwerk wird sowohl angehenden Französischlehrern als auch Deutschlehrern empfohlen.

Es folgt der Beitrag von Gabriele Berkenbusch und Doris Fetscher mit dem viel sagenden Titel Portico 1.0. – Ein E-Portfolio zum interkulturellen Lernen während eines Auslandsaufenthalts (145-163). Präsentiert wird ein an der Westsächsischen Hochschule Zwickau entwickeltes Projekt, das den Studierenden die Möglichkeit zur Selbstevaluation des interkulturellen Lernens geben soll. Die Autorinnen skizzieren den Rahmen des Projekts und weisen auf Probleme hin, mit denen Studierende im Auslandsstudium kämpfen. Mithilfe der Portfolio-Software Mahara lässt sich ein eigenes E-Portfolio gestalten, in dem verschiedene Medien eingesetzt werden wie Texte, Musik, Videos und Fotos. Den Schwerpunkt des Portfolios bildet der Auslandsaufenthalt. Studierende sollen u.a. Fragen beantworten, die ihnen hinsichtlich des interkulturellen Lernens hilfreich sein können. Im Beitrag werden Evaluationskriterien präsentiert, die empirisch anhand studentischer Texte entwickelt wurden. Die Evaluationskriterien beziehen sich auf die Selbstevaluation und umfassen: coping ctrategy, widersprüchliche Selbsteinschätzung, Wissenstransfer, Bewusstmachung von Wertungen und Relativierungen, Bewusstmachung der Relation von Selbst- und Fremddarstellung. Sie werden der Reihe nach besprochen und exemplifiziert. Darüber hinaus beschreiben die Autorinnen, nach welchen Kriterien sie als Lehrkräfte die Portfolios ihrer Studierenden bewertet haben. Damit wird deutlich, dass das E-Portfolio nicht nur der Selbstevaluation, sondern auch der Fremdevaluation dient.

Im dem Beitrag Grenzüberschreitendes ,Blended-Learning‘ (165-181) konstatieren Dagmar Abendroth-Timmer, Mark Bechtel, Thierry Chanier und Maud Ciekanski, dass für den Erwerb interkultureller Kompetenz nicht nur das theoretische Wissen, sondern auch selbst gemachte interkulturelle Erfahrungen unentbehrlich sind. Im Rahmen des Studiums sind die Möglichkeiten, eine Zielsprache im Kontakt mit Muttersprachlern zu verwenden, relativ begrenzt. Angesichts dieses Problems schlagen die Autoren vor, grenzüberschreitende Seminare zu organisieren, in denen Studierende aus verschiedenen Universitäten mit Hilfe des Internets miteinander kommunizieren und arbeiten könnten. Aufgezeigt werden Nutzen und Grenzen eines solchen Seminars, und nach dem Modell von Byram beschreiben die Autoren fünf Teilkompetenzen: savoir être, savoir, savoir comprendre, savoir apprendre / faire, savoir s'engager. Es handelt sich hier um affektive, kognitive, handlungsorientierte, strategische und metareflexive Teilkompetenzen. Als Vorschlag für eine grenzüberschreitende Veranstaltung wird ein Seminar der Französischlehrerausbildung vorgestellt, das im Wintersemester 2008 / 2009 an den Universitäten Bremen und in der Franche-Comté im Rahmen des INFRAL-Projekts (Interculturel France Allemagne Online) durchgeführt wurde. Das Projekt wurde so konzipiert, dass die Lernszenarien der Förderung einzelner Teilkompetenzen im Rahmen einer umfassenden interkulturellen Kompetenz Rechnung trugen.

Der Sammelband schließt mit dem Beitrag Anbahnung interkultureller Kompetenzen in der Lehramtsausbildung? (183-198) von Christiane Fäcke ab. Die Autorin nimmt Bezug auf die Situation der Minderheitenangehörigen in der Schule und konstatiert, dass „die Umgangsweisen der Lehrenden mit Minderheitenangehörigen [...] von Diskriminierung und Benachteiligung bis hin zu Integration und Förderung [reichen]” (186). Die Umgangsweise sei von drei Faktoren abhängig: von den Einstellungen der Lehrenden, dem System Schule sowie den realen Unterrichtserfahrungen. Die Autorin ist daran interessiert zu erfahren, wie die Förderung interkultureller Kompetenz in den Bildungsstandards aufgefasst wird. Sie betrachtet zu diesem Zweck die Bildungsstandards in Bayern, wo die Förderung interkultureller Kompetenz ein wichtiger Bestandteil der Lehrerausbildung ist. Sie erörtert ,interkulturelle Kompetenz‘, indem sie viele interessante Fragen stellt, die zum Nachdenken anregen. Unter anderem wird gefragt nach der Hierarchisierung, der Stufung interkultureller Kompetenzen sowie nach der Korrelation zwischen Erwerb und Alter. Schwerpunkt des Beitrags ist schließlich die Präsentation des Europäischen Sprachportfolios für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA), das als Möglichkeit der Anbahnung interkultureller Kompetenzen in der Lehrerausbildung angesehen wird.

Der Sammelband liefert wertvolle Informationen und Erkenntnisse bezüglich der Förderung interkultureller Kompetenz; er präsentiert aufschlussreiche Projekte und Ideen und regt zum Nachdenken an. Als besonders nützlich kann sich der Band für Lehrkräfte im universitären Bereich erweisen, und dort besonders mit Blick auf die Planung und Gestaltung von Lehrveranstaltungen.



Rezensentin:

Magdalena Ziemba, MA.
ul. Jasielska 57
PL – 38-120 Czudec
Polen