Editor

JLLT edited by Thomas Tinnefeld
Journal of Linguistics and Language Teaching
Volume 3 (2012) Issue 1
pp. 93-118


Modell zur Entwicklung eines Evaluationssystems
für fremdsprachliche Konversationen –
am Beispiel der Erlernung des Deutschen und Chinesischen


Shing-Lung Chen陳欣蓉 (Kaohsiung, Taiwan)




Abstract (English)
Currently, there exists no evaluation system for foreign language conversations. This is due to the following reasons: Up to the present day, no standard criteria for evaluating foreign language conversations have been developed. Even though assessment criteria were available, the question would be to clarify how a system could be brought to evaluate a foreign language conversation. At present, evaluation systems mostly evaluate foreign language conversations on the linguistic level (e.g., pronunciation and grammar), but rarely on the content level. Only human beings can make use of current content-evaluation criteria, computer systems can, however, not use them. This paper develops a model for assisting conversation systems to evaluate the content of foreign language conversations: Communication is purpose oriented. Accordingly, foreign-language conversations are here assessed first under consideration of their purpose and then of the missing communication steps. The system also provides learners with the necessary sentences in order to achieve a purpose-oriented communication. Thus, the system enables learners to understand how, following a given pattern, their communication purpose can be reached.
Key words: evaluation of foreign language communication, conversation-analysis evaluation system, action pattern, discourse analysis



Abstract (Deutsch)
Derzeit existiert noch kein Evaluationssystem für fremdsprachliche Konversationen. Dafür gibt es die folgenden Gründe: (1) Noch existieren keine einheitlichen Bewertungskriterien, wie fremdsprachliche Konversationen bewertet werden sollen. (2) Selbst wenn Bewertungskriterien vorhanden wären, wäre die Frage zu klären, wie ein System dazu befähigt werden kann, eine fremdsprachliche Konversation zu bewerten? Zur Zeit bewerten Evaluationssysteme fremdsprachliche Konversationen zumeist auf der sprachlichen Ebene (z. B. Aussprache und Grammatik), selten jedoch auf der inhaltlichen Ebene. Den jetzigen inhaltlichen Bewertungskriterien können nur Menschen folgen, nicht jedoch ein System. Im vorliegenden Artikel wird ein Modell entwickelt, mit dessen Hilfe das Konversationssystem in die Lage versetzt, wird, fremdsprachliche Konversationen inhaltlich zu bewerten: Kommunikation erfolgt zweckgebunden. Dementsprechend bewerten wir die fremdsprachlichen Konversationen im Hinblick auf ihe Zweckgebundenheit und danach, welche Kommunikationsschritte fehlen. Außerdem liefert das System dem Lerner die von ihm benötigten Sätze, zur Erzielung zweckorientierter Kommunikation. Somit lässt das System die Lerner erkennen, wie man, dem Handlungsmuster folgend, den Kommunikationszweck erzielt.
Stichwörter: Evaluation fremdsprachlicher Kommunikation, Konversationsevaluationssystem,, Handlungsmuster, Diskursanalyse



1   Einleitung

Das Lernen ist in erheblicher Weise von der Informationstechnologie geprägt. Zeitalter der Informationstechnologie unterliegt der Lerner deren Einfluss. Traditionell ist es notwendig, sich zum Lernen ins Klassenzimmer zu begeben. Mit Hilfe der modernen Informationstechnologie hat man jedoch fast überall und zu jeder Zeit Zugang zum Internet und zu Lernsystemen, die das gewünschte Lernmaterial bereitstellen. Dazu auch Shu:

Mit der hochentwickelten Technik wird das Lernmodell vom festgelegten Ort und Zeit ins Modell mit einem beliebigen Ort sowie einer flexiblen Zeit geändert. (Shu 2010: 2)[1]

Mit Hilfe der Informationstechnologie kann ein festgelegtes Modell in die Praxis umgesetzt werden: Traditionell werden die Aufgaben der Lerner vom Lehrer korrigiert. Gegenwärtig ist es jedoch möglich, die Texte der Lerner vom Computer korrigieren und diesen die entsprechenden Noten ausrechnen zu lassen, wodurch die Arbeit des Lehrenden erheblich erleichtert wird. Während Lerner jedoch bisweilen lange auf die Korrektur oder ein Feedback des Lehrers warten müssen, können sie vom Lernsystem unmittelbar ein Feedback erhalten. Daraus ergibt sich eine gewisse Interaktion zwischen dem Lerner und dem Lernsystem. Aus diesem Grunde arbeiten die meisten Lerner lieber mit einem System als mit Büchern. Yang vertritt zudem die Ansicht, dass ein im Unterricht verwendetes Lehrwerk den vielfältigen Bedarf der Lerner nicht befriedigen kann (Yang 2000, 4). Ähnliche Ansichten äußern auch Lin & Lian:

Die durch den Computer unterstützte Lehrtätigkeit ist eine interaktive Tätigkeit... Diese kombiniert Zeichen, Ton, Film und macht die Lehrtätig umfangreicher und vielfältig... Durch diese umfangreiche Darstellung werden die Lernmotivation und das Interesse der Lerner gesteigert. (Lin & Lian 2010: 4)[2]

Aus diesem Grunde ist das Lernsystem für Lerner attraktiver als gedrucktes Material.

Yang vertritt zudem die Ansicht, dass der Aufbau eines Lernsystems der Denkweise der Menschen eher entspricht als derjenige der Printmedien:

Das Denkmodell der Menschheit ist nicht linear [wie die Printmedien]. Alle Lehrmaterialien sollen in der Art der Hypermedien [wie im Lernsystem] dargestellt werden, damit sie dem Bedarf der Lerner entsprechen. (Yang 2000, 19)[3]

Im vorliegenden Artikel wird ein Konversationsbewertungssystem entwickelt, das nicht nur das Wissen zu fremdsprachlichen Konversationen sammelt, sondern auch die fremdsprachlichen Konversationen der Lerner inhaltlich kommentiert (vgl.  Kap. 4 und 5).


2   Problemstellung

Ausgewiesenes Ziel des Fremdsprachenlernens ist die Kommunikation. Dabei gewinnt die Sprechfertigkeit immer mehr an Bedeutung. Die Idee zur Entwicklung eines Konversationslernsystems resultiert hauptsächlich aus dem Umstand, dass dem Lerner im Unterricht meist nur wenig Zeit zum Sprechen zur Verfügung steht. Im Gegensatz dazu kann mit einem Konversationslernsystem beinahe zu jeder Zeit und an jedem Ort die Sprechfertigkeit trainiert werden.

Zur Zeit beschränken sich Konversationssysteme darauf, Inhalte der geplanten Dialoge zum Lernen anzubieten, aber sie sind nicht in der Lage, mit dem Lerner zu kommunizieren. Der Lerner hört sich ein Gespräch an, spricht es nach, zeichnet seine Tätigkeit auf und vergleicht seine Tonaufnahme anschließend mit der Originalkonversation des Systems. Bei diesem Vergleich soll er selbst erkennen, welche Schwächen er beim Sprechen hat. Das heißt, dass jetzige Konversationssysteme nur Lerninhalte anbieten können, jedoch weder mit den Lernern kommunizieren noch die Konversationen des Lerners zu bewerten in der Lage sind. Ein Konversationssystem, das mit dem Lerner kommunizieren kann, beschreibt Chen (2009). Im vorliegenden Artikel gehen wir noch einen Schritt weiter und beschreiben ein Bewertungssystem, das in das Konversationssystem eingebaut ist und bei dem das Konversationssystem sowohl mit den Lernern kommuniziert als auch deren fremdsprachliche Konversationen bewertet.

Wenn ein Konversationssystem kommentiert, kann es nur die Aussprache oder die Grammatik der Satzstruktur beurteilen, weil diese beiden meist eine festgelegte Antwort bereithalten. Den Inhalt der Dialoge kann ein Konversationssystem gegenwärtig nicht bewerten. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus folgenden Gründen:
  • Die Bewertungskriterien für fremdsprachliche Konversationen sind noch nicht abschließend festgelegt: Es bleibt unbekannt, nach welchen Kriterien gute von schlechten fremdsprachlichen Konversationen inhaltlich unterschieden werden können. Daher werden selbst bei einem fremdsprachlichen face-to-face-Gespräch oft nur die Aussprache, die Wortwahl und / oder die Grammatikkenntnisse der Lerner bewertet. Der Inhalt der Konversation (wie z.B. die Frage, ob die Konversation den Kommunikationszweck erreicht) wird kaum bewertet.
  • Das Wesen bzw. die wesentliche Struktur einer fremdsprachlichen Konversation ist unbekannt: Da es nicht bekannt ist, welches Wesen oder welche wesentliche Struktur eine fremdsprachliche Konversation haben soll, kann von einem System nur die sprachliche Oberfläche (also die Aussprache, die Grammatik etc.), nicht jedoch der Inhalt der Konversation, bewertet werden (vgl. Kap. 4). Erst dann, wenn die Struktur bzw. das Erkennungsmodell einer Konversation ermittelt werden kann, kann ein System erkennen, was und wie diese bewertet werden soll. Bevor ein Konversationsevaluationssystem entwickelt werden kann, muss also zuerst die wesentliche Bewertungsstruktur einer Konversation ermittelt werden.
In diesem Artikel wird ein Evaluationssystem für fremdsprachlichen Konversationen entwickelt, das hauptsächlich den Inhalt der Konversationen der Lerner bewertet. Ausgehend von der Diskursanalyse, unterscheidet das System eine gute von einer schlechten fremdsprachlichen Konversation danach, inwiefern - und ob überhaupt - diese ihren Kommunikationszweck erreicht hat. Entsprechend der Diskursanalyse  (Ehlich & Rehbein 1979, Ehlich 1986) kann der Kommunikationszweck nur erzielt werden, wenn  dieses - dem Handlungsmuster folgend - vollendet umgesetzt wird (vgl. Kap. 4). Das Handlungsmuster bietet somit in der Kommunikation die Erkennungsstruktur an, anhand derer das Evaluationssystem festzustellen vermag, welche Inhalte einer Konversation noch fehlen, um den gewünschten Kommunikationszweck zu erfüllen. Das Handlungsmuster besteht aus einzelnen Kommunikationsschritten, die zum Kommunikationsziel führen. Zum Beispiel müssen für den Kauf einer Fahrkarte zur Erzielung des Kommunikationswecks folgende Kommunikationsschritte realisiert werden:
Kommunikationsschritte
Konversationsrelvante Sätze
Feststellung des Reiseziels
„Wohin möchten Sie fahren? “ —
„Nach Hamburg.“ etc.
Feststellung des Fahrplanes
„Wann fährt der Zug nach Hamburg? “—
„Um 15 Uhr.“ etc.
Feststellung des Fahrpreises
„Wie teuer ist eine Fahrkarte nach Hamburg? “—
„150 Euro “ etc.
Feststellung der Bezahlungsweise
„Kann ich mit Kreditkarte bezahlen? “—
„Ja, gerne. “etc.[4]
                                   Tab. 1: Kommunikationsschritte mit Kommunikationssätzen 
                                              zum Zwecke des Fahrkartenkaufs

Bei der Bewertung einer fremdsprachlichen Konversation soll - abgesehen von der Bewertung der Aussprache und der Grammatischen Korrektheit der Sätze - auch der Inhalt der Konversation kommentiert werden. Eine Konversation, die ihren Zweck erzielt, wird als effektiv und kommunikationstauglich bewertet. Dabei soll eine Konversation den gewünschten Kommunikationszweck erzielen, indem sie  - dem Handlungsmuster folgend - jeden Kommunikationsschritt in der Fremdsprache realisiert (vgl. Kap. 5.2). Das in dem vorliegenden Artikel beschriebene  Konversationsevaluationssystem kann dem Lerner aufzeigen, welche Kommunikationsschritte ihm gegebenenfalls fehlen. Außerdem bietet ihm das System die ihm fehlenden Sprachmittel an, so dass er erkennen kann, welche Kommunikationsschritte und welche Sätze er noch lernen muss, um eine vollständige und zweckorientierende Konversation zu führen (vgl. Kap. 4).


3       Konversationssysteme – Stand der Forschung

Gegenwärtig existieren noch keine Bewertungssysteme für fremdsprachliche Konversationen. Die existierenden Konversationssysteme können lediglich Aussprache, Grammatik und Korrektheit der Satzbildung, die in der Regel eine festgelegte Antwort aufweisen, bewerten. Da nur wenige deutsche und chinesische, aber etliche englische Konversationssysteme existieren, werden im Folgenden die Lernprogramme zu diesen drei Sprachen analysiert:


3.1 Konversationssysteme als Lernsysteme

Die meisten Konversationssysteme, die sich derzeit auf dem Markt befinden, bieten nur den Lerninhalt der Gespräche an; sie können jedoch weder mit den Lernern kommunizieren noch deren Dialoge kommentieren. Die Konversationssysteme lassen sich je nach Konzept und Funktionen in folgende Typen einteilen:
  • Nachsprechen von Dialogen: Viele Konversationssysteme verlangen von den Lernern, die Dialoge wiederholt zu hören und nachzusprechen. Beim Nachsprechen können eigene Dialoge aufgenommen und mit den Originaldialogen des Systems verglichen werden. Die Lerner bewerten selbst, wie sie ihre Aussprache und / oder ihre Äußerungen verbessern können. Solche Systeme sind beispielsweise Tripleplay plus German (1995). English free 2002), Einblicke (2000), Ruf doch mal an (1995), Sprich mit mir (1999), Deutsch 1 - Multimedia Sprachtrainer (1996).  Mit solchen Systemen erwirbt der Lerner den Inhalt der Dialoge passiv. Dabei kann das System weder mit den Lernern kommunizieren noch deren Dialoge bewerten.  
Einen Beleg dafür stellt die Funktionsbeschreibung des Lernprogramms Einblick (2000) im Modul „Sprechen“ dar:

Klicken Sie auf einen Satzteil, um ihn zu hören, und nehmen Sie ihn auf. Vergleichen Sie dann Ihre Aufnahme mit dem Original.

Hieran ersieht man, dass dieses Programm mit dem Lerner weder kommunizieren noch die Kommunikation des Lerners bewerten kann.
  • Fragen und Antworten: Nach dem Erlernen der Dialoge wird der Lerner zum gelernten Inhalt befragt. Da das System nach dem gelernten Inhalt fragt, kann der Lerner nur auf der Grundlage des gelernten Dialoges festgelegte Antworten angeben, aber nicht frei sprechen.  
In ähnlichen Fällen stellt der Computer die Fragen mit einem Hinweis dar, damit der Lerner eine vom Computer überprüfbare Antwort gibt. Das System Chinese Online Learning Advise (2009) gibt dem Lerner einen Hinweis und er muss – diesem Hinweis folgend - eine vorgeschriebene Antwort geben:

Der Computer fragt: „Where do you learn Chinese?“
(Hinweis: „I study Chinese at the National Chengchi University. “)

Der Lerner ist gefordert, anhand des Hinweises die gewünschte Antwort auf Chinesisch zu geben, damit das System diese bewerten kann[5].

Ähnliche Konversationssysteme sind zum Beispiel Just talk (1999) oder auch Ruf doch mal an (1995)[6].
  • Rollenspiel: Nach dem Erlernen eines Dialogs übernimmt der Lerner eine Rolle. Im folgenden Beispiel übernimmt er beim Dialog zwischen dem Kunden und der Kellnerin die Rolle des Kunden. Da beim Rollenspiel derselbe gelernte Dialog übernommen wird und die Gesprächspartnerin (die Kellnerin) dasselbe sagt wie im gelernten Dialog, ist der Lerner gezwungen, mit der Kellnerin in Übereinstimmung mit dem gelernten Dialog zu kommunizieren. Es bleibt ihm keine andere Möglichkeit, als den Inhalt des Dialogs auswendig zu lernen, damit die Kommunikation mit dem Computer erfolgreich läuft. Eine Möglichkeit zu freier Kommunikation besteht nicht.
Im Programm English Free (2002) beispielsweise spricht der Computer einen Satz, danach erscheint eine Stoppuhr, damit der Lerner weiß, wie viel Zeit er hat, sich zu äußern. Da im Rollenspiel das gelernte Gespräch übernommen wird, muss der Lerner exakt dasselbe sagen, was er es im Dialog gelernt hat. Somit kann er weder frei sprechen noch mit dem Computer kommunizieren. Was dem System fehlt, ist ein Evaluationssystem der fremdsprachlichen Konversation. Andere ähnliche Lernsysteme sind zum Beispiel Sprich mit mir (1999), Live ABC’s 3-D (2006), Just talk (1999).
  • Kundenservice-Programm: Da sich die Fragen der Kunden oft wiederholen, sammelt ein System Kundenfragen mit den dazu passenden Antworten in einem Datenkorpus. Stellt ein Kunde zu einem anderen Zeitpunkt die gleiche Frage, gibt der Computer die vorgeschriebene Antwort. Beispiel:
Kunde: Wie stelle ich die Uhrzeit im Apparat um? “
Computer: „Klicken Sie zunächst die Zeitumstellungstaste, sehen Sie die Zeitangabe. Dann....“

Dies erleichtert dem Kundenservice die Arbeit. Mit solchen Systemen werden mit einer bestimmten Frage eine Reihe von Informationen verknüpft und diese wiedergegeben; für eine interaktive fremdsprachliche Konversation sind diese Systeme deshalb nicht geeignet. Ein weiteres Beispiel ist das folgende: In vielen Robotern werden Fragen mit Antworten gespeichert. Falls die Frage des Kunden im Datenkorpus gefunden wird, spricht der Roboter die Antwort aus. Ein solcher Roboter kann z.B. im Krankenhaus einfache Fragen beantworten wie beispielsweise diejenigen, wo der Operationssaal, die Kasse, oder die Toilette ist[7].

3.2    Bewertungssysteme für Aussprache und Satzbildung

Es existieren noch keine gesamthaften Evaluationssysteme für fremdsprachliche Konversationen. Die Bewertung des Fremdsprachenlernens beschränkt sich meist nur auf die Aussprache und Satzbildung:

3.2.1  Bewertung der Aussprache

Die meisten Konversationssysteme bieten die Funktion Aussprachebewertung an. Das Aussprachebewertungssystem bietet zwar Hinweise auf den Fehler der Lerner, jedoch müssen die Lerner selbst erkennen, welche Fehler vorkommen und wie sie diese korrigieren können. Zur Aussprachebewertung stellt sich dem Lerner eine Graphik (Frequenzkurve) dar, anhand derer seine Aussprache graphisch mit der eines Muttersprachlers verglichen wird. Anhand dieser Graphik kann der Lerner meist nicht erkennen, welche Fehler er gemacht hat und wie er seine Aussprache berichtigen bzw. verbessern kann.

Manche Systeme bewerten die Aussprache mit einer Note. Aus dieser Note erschließen sich dem Lerner die Bewertungskriterien jedoch nicht. Auch weiß er anhand solcher Ergebnisse (Note und Frequenzkurve) meistens nicht zu erkennen, wie er seine Aussprache verbessern kann. Manche Systeme geben einen allgemeinen Kommentar, der dem Lerner jedoch nur wenig helfen kann: Das System „MyET“ gibt dem Lerner z. B. bezüglich seiner Aussprache Kommentare wie:

Diese Aussprache ist nicht gut            oder
Diese Aussprache ist nicht korrekt.

Dabei soll der Lerner selbst beurteilen, was fehlt und was zu verbessern ist[8].


3.2.2  Bewertung der Satzbildung

Viele Konversationssysteme bieten hinsichtlich der gelernten Konversation Übungen zur Satzbildung an. Zunächst soll der Lerner sich einen Dialog anhören. Dann werden die in dem Dialog vorkommenden Sätze eingeübt: Das System bietet dem Lerner diejenigen Satzglieder, aus denen er einen richtigen Satz bilden muss. Da die Antwort festgelegt ist, kann der Computer die Sätze korrigieren.

Im Programm erscheinen zunächst die Satzglieder: Me - my mother  - wanted  - clear - clean - the room. Mit dem Hinweis  My mother  soll der folgende Satz gebildet werden: My mother wanted me to clean the room. Dabei sind die Elemente clear und clean sehr ähnlich. Vom Lerner wird erwartet, die richtige Auswahl zu treffen. Da die Antwort festgelegt ist, kann das System die Satzbildung des Lerners bewerten.

Aus dieser Bestandsaufnahme lässt sich erschließen, dass noch keine Evaluationssysteme für fremdsprachliche Konversationen existieren. Die Bewertung fremdsprachlicher Konversationen beschränkt sich oft entweder auf die Aussprache oder die grammatische Korrektheit der Sprache. Ziel dieses Artikels ist es, ein Konversationsevaluationssystem zu entwickeln, das in der Lage ist, dem Lerner aufzuzeigen, welche notwendigen Kommunikationsschritte und Sprachmittel ihm zum Erreichen seiner jeweiligen Kommunikationsabsichten noch fehlen.


4   Forschungsmethode und Vorgehensweise

Ein Kommunikationsevaluationssystem soll nicht nur die Äußerungen des Lerners dekodieren, sondern auch gemäß eines Modells oder einer Erkennungsstruktur die Kommunikation bewerten können. Es soll feststellen können, welche sprachlichen Elemente dem Lerner noch fehlen, um den Kommunikationszweck zu erreichen. Aus diesem Grund suchen Linguisten schon seit langem eine Möglichkeit, das Wesen der Kommunikation zu ermitteln. Das Ziel besteht nicht nur darin, den Inhalt einer gegebenen Konversation zu dekodieren, sondern auch darin, den Sinn der jeweiligen Äußerung für die gesamte Konversation zu erkennen. Ebenso bedeutend ist die Ermittlung der Strukturierung einer Konversation. Nur so sind komputerbasierte Systeme letztendlich in der Lage, zu erkennen, welche Äußerungen dem gleichen Inhalt bzw. dem gleichen Kommunikationsschritt zugeordnet werden können. Erst dann kann ein System erkennen, welche Kommunikationsschritte dem Lerner noch fehlen.

Bei der Entwicklung eines Kommunikationsevaluationssystems wird offensichtlich, dass große Lücken zwischen linguistischen Theorien einerseits und der Praxis andererseits bestehen und dass die existierenden Theorien nicht ohne weiteres auf ein Lernsystem übertragen werden können: Nach Qin & Zhang (2005) ist eine Konversation durch Sprecherwechsel gekennzeichnet, d.h. in der Konversation übernehmen die Partner wechselnd das Rederecht. Gemäß der Theorie von Ding (2005) sollen Äußerungen desselben Inhalts als Konzept erkannt und mittels des BegriffsKonzept der Inhalt des Gesprächs in verschiedene Phasen eingeteilt werden. Nach Ansicht von Yang (2007) soll die Äußerung als Sprechhandlung identifiziert und gemäß der Sprechhandlung die Struktur eines Gesprächs erkannt werden können. Diese Theorien über den Sprecherwechsel, das Konzept sowie die Sprechhandlung  selbst können ein Evaluationssystem nicht unterstützen. Die Ursache ist in dem Umstand zu sehen, dass nur Menschen - aber keine computerbasierten Systeme - solche begrifflichen Einteilungen erkennen können. Wenn es notwendig ist, jede Äußerung in einer Konversation im Hinblick auf ihre Bedeutung zu markieren, damit das System sie erkennen kann, so kann dieser Prozess nicht automatisiert werden, und das System verliert rasch seinen Wert. Es wird vielmehr eine Theorie benötigt, die dem System hilft, das Modell bzw. die Struktur einer Konversation zu erkennen, und die zugleich unmittelbar vom System ausgeführt werden kann. Die gesuchte Theorie ist die Diskursanalyse.  

Die Diskursanalyse ist die Kommunikationstheorie, die uns hilft, die wesentliche Struktur – also das Handlungsmuster - der Gespräche zu ermitteln. Im Folgenden gehen wir kurz auf die Theorie der Diskursanalyse ein.

Nach der Theorie der Diskursanalyse von Ehlich & Rehbein (1979) sowie Ehlich (1986) und verläuft Kommunikation entsprechend eines Handlungsmusters, um den Kommunikationszweck zu erreichen:

Sprachliche Handlungsmuster, oder abkürzend gesagt, Muster, sind also die Formen von standardisierten Handlungsmöglichkeiten, die im konkreten Handeln aktualisiert und realisiert werden. Die Handelnden verwirklichen in ihrem Handeln ihre Zwecke. Die einzelnen Muster bilden Potentiale für die Realisierung von Zwecken, deren sich die Handelnden... bedienen. (Ehlich und Rehbein 1979250)

Nach der Diskursanalyse besteht das Wesen der Kommunikation darin, gesellschaftliche Aufgaben zu erfüllen. D.h. eine gegebene Konversation soll einen vorab definierten Zweck erzielen. Folglich bauen wir nach der Theorie der Diskursanalyse ein Konversationsevaluationssystem auf, mit dessen Hilfe fremdsprachliche Konversationen bewertet werden.

Das Konzept unseres Systems besteht in der Durchführung bestimmter Kommunikationsschritte, die notwendig sind, um den Kommunikationszweck einer Konversation zu erreichen. Die notwendigen Kommunikationsschritte konstituieren die wesentliche Struktur einer Konversation bzw. ein Handlungsmuster. Wenn der Lerner im Gespräch alle notwendigen Kommunikationsschritte durchgeführt hat, realisiert er den Kommunikationszweck und wird positiv bewertet. Im anderen Fall wird er negativ bewertet, und das System zeigt auf, welche Kommunikationsschritte zur Erzielung des angestrebten Zwecks fehlen. Gemäß dieser Konversationsstruktur bzw. des Handlungsmusters wird also bewertet, ob mittels einer Konversation ein Kommunikationsziel zu erreichen ist. Beispielsweise sollen beim Einkaufen folgende Kommunikationsschritte durchgeführt werden:

(A)  Feststellung des Angebotes
(B)  Vergleich verschiedener, ähnlicher Angebote
(C)  Feststellung des Preises
(D)  Vergleich des Preises mit dem Wert des Angebotes (eventuell Feilschen bzw. Aushandeln
       des Preises)
(E)  Durchführung der Bezahlung

Die Lerner behandeln beim Einkaufen meistens nur die folgenden Kommunikationsschritte:

(A)   Feststellung des Angebotes
(C)    Feststellung des Preises

Es fehlen jedoch:

(B) Vergleich verschiedener, ähnlicher Angebote
(D) Vergleich des Preises mit dem Wert des Angebotes (eventuell Feilschen bzw. Aushandeln
    des Preises)
(E)  Durchführung der Bezahlung

In diesem Fall kann unser Konversationsevaluationssystem dem Lerner angeben, welche Kommunikationsschritte und auch welche Sätze er lernen soll (vgl. Kapitel 5).

Es stellt sich nunmehr die Frage, wie die Kommunikationsstruktur, die verschiedenen Gesprächen derselben Kommunikationssituation als Handlungsmuster zugrunde liegt, ermittelt werden können.

Im Folgenden wählen wir die Kommunikationssituation Einkaufen als Beispiel: Wir sammeln dazu zunächst zahlreiche Gespräche, die den Zweck Einkaufen erfüllen. Danach analysieren wir die einzelnen Gespräche, um gemeinsame Kommunikationsschritte innerhalb dieser zu ermitteln (wie z. B. die Feststellung des Angebotes, den Vergleich verschiedener, ähnlicher Angebote und dieFeststellung des Preises). Diese gemeinsamen Kommunikationsschritte, die zu jedem erfolgreichen Einkaufsgespräch gehören, bilden die wesentliche Struktur der Einkaufskommunikation. Zur Realisierung des Kommunikationszwecks Einkaufen, überprüfen wir darüber hinaus, welcher einzelne Kommunikationsschritt potentiell zum Misslingen des Gespräches führen kann. Wenn beispielsweise das Geschäft dem Kunden die gewünschte Ware nicht anbieten kann, scheitert die Kommunikation. Deswegen gilt die Feststellung des Angebotesals notwendiger Kommunikationsschritt für den Zweck „Einkaufen“. Falls der Kunde verschiedene Produktangebote miteinander vergleichen möchte, der Geschäftsmann aber nur ein Produkt anbieten kann, kann es zum Misslingen der Kommunikation kommen. Somit ist der Vergleich verschiedener, ähnlicher Angebote ein notwendiger Kommunikationsschritt. Falls das Geschäft dem Kunden den Preis der gewünschten Ware nicht angibt oder der Kunde ihn nicht kennt, scheitert die Kaufkommunikation ebenfalls. Also gilt der Kommunikationsschritt Feststellung des Preises auch als notwendiger Kommunikationsschritt zur Erreichung des dargestellten Zwecks. Durch eine solche Überprüfung können die wesentlichen und die notwendigen Schritte zum Kommunikationszweck und somit das Handlungsmuster einer zweckorientierten Konversation ermittelt werden, das aus notwendigen Kommunikationsschritten zur Erreichung des Kommunikationszwecks besteht. Mittels dieses Handlungsmusters  - bzw. der wesentlichen Struktur - der jeweiligen Konversation kann festgestellt werden, welche Kommunikationsschritte dem Lerner fehlen, um sein Kommunikationsziel zu erreichen.

Die ermittelten Handlungsmuster der Kommunikationen sind demnach die folgenden:

(A)       Einkaufs- und Verkaufskommunikation
(a1)           Feststellung des Angebotes (Feststellung, ob das Geschäft die gewünschte Ware anbieten
                 kann)
(a2)           Vergleich verschiedener Angebote
(a3)           Feststellung des Preises
(a4)           Vergleich des Wertes und des Preises der Ware (eventuell Feilschen: Aushandeln des
                 Preises)
(a5)           Feststellung der Zahlung. (vgl. Chen 2008: 57)

Ein weiteres Beispiel ist:

(B)       Hotel-Kommunikation
(b1)           Feststellung, ob ein Zimmer frei ist.
(b2)           Feststellung, ob das Zimmer den Wünschen des Kunden entspricht.
(b3)           Feststellung des Preises
(b4)           Feststellung über die Lage des Zimmers
(b5)           Entscheidung hinsichtlich der Annahme oder der Ablehnung des Zimmers
(b6)           Realisierung der Bezahlung. (vgl. Chen 2009: 11)


5    Modell des Konversationsevaluationssystems

Im Folgenden wird zu erläutern sein, wie ein Konversationsevaluationssystem aufgebaut wird und wie dieses eine fremdsprachliche Konversation bewertet:

5.1 Aufbau des Konversationsevaluationssystems

Ein Konversationsevaluationssystem kann wie folgt aufgebaut werden (Abb. 1):

                                 Abb. 1: Ablaufstruktur

(1)   Aufbau einer Wissensdatenbank (knowledge database)
Zunächst wird die Auswahl der Kommunikationssituationen wie z.B. Einkaufen“, BankkommunikationHotelkommunikationRestaurantkommunikation getroffen. Dann werden zu jeder Kommunikationssituation möglichst viele Konversationen gesammelt. Entsprechend des Handlungsmusters wird jede Konversation in verschiedene Kommunikationsschritte unterteilt.


(2)   Aufbau von Verhältnisgruppen:
Hier wird jeweils die Kommunikationssituation mit dem entsprechenden Kommunikationsschritt und den ihn konstiturenden Äußerungen zu einer Verhältnisgruppe kombiniert. So erkennt das System an der Äußerung des Lerners, welchen Kommunikationsschritt dieser realisiert hat und welcher ihm noch fehlt.

(3)  Anbieten der benötigten Sätze zum Lernen
Da im Datenkorpus für jeden Kommunikationsschritt die entsprechenden Elemente, die den jeweiligen Kommunikationsschritt sprachlich realisieren, gespeichert sind, liefert das Evaluationssystem dem Lerner nach der Absolvierung der Konversation die benötigten Phrasen der fehlenden Kommunikationsschritte, sobald es erkennt, welche Kommunikationsschritte er nicht realisiert hat. Bei der Bewertung werden die fehlenden, für die Konversation relevanten Schritte und Sätze aufgelistet.

Auf dieser Methode wird ein Evaluationssystem der fremdsprachlichen Kommunikation aufgebaut. Die Besonderheit dieses System besteht darin, dass es an der Äußerung des Lerners feststellt, in welcher Kommunikationssituation und bei welchem Kommunikationsschritt er sich befindet. Somit kann festgestellt werden, welche Kommunikationsschritte der Lerner durchgeführt hat und welche nicht. Außerdem kann das System dem Lerner diejenigen Sätze der einzelnen Kommunikationsschritte anbieten, die er nicht realisiert hat. So hilft es dem Lerner, seine Lücken zu schließen.

Dieser Prozess lässt sich in dem folgenden Diagramm verdeutlichen:




Anhand des Handlungsmusters kann ein Gespräch in verschiedene Kommunikationsschritte unterteilt werden. Da im aufgebauten Datenkorpus des Evaluationssystems mit jedem Kommunikationsschritt die entsprechenden Fragen mit ihren möglichen Antworten verbunden werden (Kommunikationssituation + Kommunikationsschritt + Fragen mit ihren Antworten), vergleicht das System die jeweilige Äußerung des Lerners mit den im Datenkorpus gespeicherten Sätzen. Es kann somit an der Äußerung des Lerners erkennen, in welcher Kommunikationssituation (Kommunikationsthema) und dementsprechend in welchem Kommunikationsschritt sich der Lerner befindet. Wenn der Lerner beispielsweise äußert: „Haben Sie noch ein Zimmer frei?“, sucht das Evaluationssystem nach dieser Äußerung im Datenkorpus. Findet es diese in der Hotelkommunikation, kann es feststellen, dass der Lerner sich in der Kategorie Hotelkommunikation im Kommunikationsschritt Feststellung, ob ein Zimmer frei ist bewegt: Diese Äußerung ist im Datenkorpus unter der Kommunikationssituation Hotel unter dem Kommunikationsschritt Feststellung, ob ein Zimmer frei ist gespeichert. Das System erkennt, in welchem Kommunikationsschritt sich der Lerner befindet. Realisiert der Lerner bei der Kommunikation die Äußerung eines bestimmten Kommunikationsschrittes, wie z. B. die Frage „Haben Sie noch ein Zimmer frei?“, führt er somit diesen Schritt durch. Äußert er also: „Haben Sie noch ein Zimmer frei?“, „Gibt es noch freie Zimmer?“ oder „ Ich hätte gern ein Zimmer“, realisiert er somit den Kommunikationsschritt Feststellung, ob ein Zimmer frei ist. Das Evaluationssystem erkennt, welche Schritte der Lerner erfüllt, und welche er noch nicht beherrscht. Da bei jedem Kommunikationsschritt die entsprechenden Fragen mit ihrer Antwort verbunden werden, kann das System dem Lerner danach angeben, welche Kommunikationsschritte ihm noch fehlen, und somit die noch benötigten Sätze dieser fehlenden Schritte – die Fragen mit ihren Antworten - liefern[9].


5.2   Analyse der Bewertung einer fremdsprachlichen
        Konversation durch das Evaluationssystem

Im Folgenden führen wir ein Experiment durch. Analysiert werden die Dialoge aus fremdsprachlichen Lehrwerken zur Überprüfung der fehlenden Kommunikationsschritte. Da unser Konversationsevaluationssystem für alle Fremdsprachen gilt und wir in diesem Artikel das Deutschlernen und das Chinesischlernen als Beispiel wählen, nehmen wir deutsche und chinesische Lehrwerke als Belege.

5.2.1  Lehrwerk für Deutsch als Fremdsprache

   Beispiel 1:       
Rezeptionistin: Guten Abend, was kann ich für Sie tun? (1)
Kundin: Ich hätte gern ein Zimmer (2).
Rezeptionistin: Ein Einzelzimmer? (3)
Kundin: Wenn es geht, ein Doppelzimmer, weil morgen mein Mann dazukommt. (4)
Rezeptionistin: Kein Problem (5). Sie haben Zimmer 402, im vierten Stock. (6) Der Aufzug ist da drüben. (7)
      (Köker et al. 2004:18)

Übernimmt eine Lernende die Rolle der Kundin und führt das obige Gespräch, hat sie gemäß des Konversationsevaluationssystems mit der Äußerung „Ich hätte gern ein Zimmer“ (2) bereits den Kommunikationsschritt Feststellung, ob ein Zimmer frei ist realisiert. Mit der Äußerung „Wenn es geht, ein Doppelzimmer, weil morgen mein Mann dazukommt“ (4), realisiert sie den Kommunikationsschritt Feststellung, ob das Zimmer den Wünschen des Kunden entspricht. Da die Rezeptionistin selbst die Lage des Zimmers nennt und die Kundin damit einverstanden ist (6), wird der Kommunikationsschritt Feststellung über die Lage des Zimmers impliziert und somit erfüllt. Der Lerner hat somit die folgenden Schritte durchgeführt:

(a)     Feststellung, ob ein Zimmer frei ist.
(b)  Feststellung, ob das Zimmer den Wünschen des Kunden entspricht
(c)  Feststellung über die Lage des Zimmers

Die folgenden Kommunikationsschritte werden oft vernachlässigt:

(a)     Feststellung des Preises
(b)     Entscheidung hinsichtlich der Annahme oder der Ablehnung des Zimmers
(c)     Realisierung der Bezahlung

Nach Abschluss der Konversation bewertet das Evaluationssystem, welche Kommunikationsschritte dem Lerner fehlen, und gibt die benötigten Sätze an. Die entsprechenden Sätze der fehlenden Kommunikationsschritte werden wie folgt aufgelistet:

Kommunikationsschritt
Sätze
Fragen
Antworten
(3) Feststellung des Preises
Wie viel kostet das Zimmer?
85 Euro.
Was kostet ein Zimmer?
85  Euro.
Wie teuer ist das Zimmer? (etc.)
85  Euro.
(5) Entscheidung hinsichtlich der
     Annahme oder der Ablehnung
     des Zimmers
Ich nehme das Zimmer.
Ja, gerne.
Das Zimmer nehmen wir. (etc.)
Ja, gerne
(6) Realisierung der Bezahlung  
Kann ich mit Kreditkarte bezahlen?
Ja, gerne.
Wieviel muss ich insgesamt bezahlen? (etc.)
200 Euro.
Tab. 1:  Die fehlenden Kommunikationsschritte mit ihren entsprechenden Äußerungen


5.2.2       Lehrwerk für Chinesisch als Fremdsprache

   Beispiel 2:
甲:請問、有房間嗎?A: Excuse me, do you have a room? (1)
乙:有、您要雙人房、還是單人房?B: We do. (2) Would you like a single room or a double room? (3)
我要一間單人房。一天多少錢A: I’ll take a single room. (4) How much is it for a night? (5)
乙 定價一千五百塊。可以打八折。B: The regular rate is 1,500. (6)  But I can give you a 20% discount. (7)
好吧我要一間。A: All right. (8)  I’ll take a single. (9)
 請跟我來。B: Please follow me. (10)    
                                                             (Shi-jie-hua-yu-wen-jiao-xue-hui 2003: 89f)[10]

Mit der Äußerung in der 7. Lektion “Do you have a room?” (1) realisiert der Lerner den SchrittFeststellung, ob ein Zimmer frei ist. Mit der Äußerung „I’ll take a single room“ (4) realisiert er den Schritt Feststellung, ob das Zimmer den Wünschen des Kunden entspricht, mit der Äußerung „How much is it for a night?” (5) den Schritt  Feststellung des Preises. Mit der Äußerung „I’ll take a single“ (9) führt er den Schritt Entscheidung hinsichtlich der Annahme oder der Ablehnung des Zimmers durch. Somit realisiert er die folgenden Kommunikationsschritte:

 (a)       Feststellung, ob ein Zimmer frei ist.
(b)       Feststellung, ob das Zimmer den Wünschen des Kunden entspricht
(c)       Feststellung des Preises
(d)       Entscheidung hinsichtlich der Annahme oder der Ablehnung des Zimmers

Die folgenden Kommunikationsschritte werden nicht durchgeführt:

(e)  Feststellung über die Lage des Zimmers
(f)   Realisierung der Bezahlung

Nach der Konversation liefert das Evaluationssystem dem Lerner die Information, welche Kommunikationsschritte ihm noch fehlen sowie die benötigten Sätze der fehlenden Schritte:

Kommunikationsschritt
Kommunikationssätze
Fragen
Antworten
(4) Feststellung über die Lage
     des Zimmers
Wo ist das Zimmer?
Das Zimmer liegt im 4. Stock.
Auf welcher Etage ist das Zimmer?
Im 4. Stock.
(6) Realisierung der Bezahlung  
Kann ich mit der Kreditkarte bezahlen?
Ja, gerne.
Wieviel muss ich insgesamt bezahlen? (etc.)
200 Euro.
Tab. 2:  Die fehlenden Kommunikationsschritte mit ihren entsprechenden Äußerungen


6   Abschließende Bemerkungen

Bislang existiert noch kein Konversationsevaluationssystem. Zur Zeit können die Konversationssysteme eine fremdsprachliche Konversation lediglich nach der Korrektheit der Aussprache und der Grammatik bewerten, weil beide jeweils festgelegte Antworten implizieren. Solche Bewertungskriterien treffen jedoch nicht das Wesen der Kommunikation. Bestehende Konversationssysteme bewerten zur Zeit Konversationen somit nahezu ausschließlich nach deren sprachlicher Oberfläche, nicht jedoch nach deren Inhalt. In der Linguistik wird versucht, das Wesen der Kommunikation zu ermitteln, um Systeme zu entwickeln, die die Kommunikation bewerten können. Theorien, die eine Konversation als Interaktion zwischen Gesprächspartnern und die einzelnen Äußerungen als das Konzept sowie als Sprechhandlung betrachten, können es nicht leisten, den gesamthaften Charakter einer Konversation zu erkennen und diese entsprechend zu bewerten.

Der vorliegende Artikel entwickelt das erste Konversationsevaluationssystem der Welt, das eine Konversation entsprechend ihres Handlungsmusters bewertet dahingehend, ob diese ihren Kommunikationszweck erreicht. Das Handlungsmuster stellt den notwendigen Ablauf einer Konversation zur Erreichung eines vorab definierten Zwecks dar. Im Vergleich zu den oben genannten Theorien, die weder den Zusammenhang der Äußerung noch den gesamthaften Charakter einer Konversation zu erkennen imstande sind, kann erst das Handlungsmuster das Wesen einer gegebenen Konversation erkennen und ihren Inhalt bewerten. Das Handlungsmuster umfasst nicht nur den Ablauf einer Konversation, sondern auch deren wesentliche Struktur zur Erreichung eines bestimmten Zwecks. Während der Lerner mit dem Konversationssystem kommuniziert, wird das vorgestellte Konversationsevaluationssystem aktiviert. Das Evaluationssystem besteht aus einem Wissensdatenkorpus (knowledge database), in dem die Elemente Kommunikationssituation + Kommunikationsschritte + Kommunikationssätze als eine Verhältnisgruppe gespeichert sind. Kommuniziert der Lerner, wird das Evaluationssystem dessen Äußerung mit den im Datenkorpus gespeicherten Äußerungen vergleichen. Da im Datenkorpus die Elemente Kommunikationssituation + Kommunikationsschritte + Kommunikationssätze als eine Verhältnisgruppe verbunden sind, erkennt das System, welcher Kommunikationssituation und welchem Kommunikationsschritt die Äußerung des Lerners zuzuordnen ist. Ebenso kann das Evaluationssystem an der Äußerung des Lerners erkennen, welche Kommunikationsschritte dieser bereits erfüllt hat. Die Kommunikation des Lerners kann auf diese Weise bewertet werden, und das System gibt dem Lerner an, welche Kommunikationsschritte ihm noch fehlen. Es liefert dem Lerner außerdem die Elemente der fehlenden Kommunikationsschritte, damit er weiterlernen und seine Kommunikationfähigkeit verbessern und schließlich vervollkommnen kann.



Bibliographie


Chen, Shing-lung (2008). The foreign language learning assistance-system by means of searching the foreign language equivalents of the mother language – Using German-Chinese and Chinese-German as an example. In: Language, Literary Studies and International Studies: An International Journal (THCI), 89-112.

Chen, Shing-lung (2009). Developing a Model for Interactive Conversation Systems. In: Journal of Applied Foreign Languages, 95-122.

Chen, Shing-lung (2010). Analyse des Konversationsmodells des zweiten Sprachenerwerbs – Am Beispiel der ausländerorientierten Deutschlehrwerke und ausländerorientierter Chinesischlehrwerke. In: Chinesischunterricht Chun Germany, Nr. 25, 43-60. 

Chinese Online Learning Adviser (2009). Tapei: Industrial Technology Research Institute (http://www.cola.itri.org.tw/ ).

Deutsch 1 (1996). Multimedia Sprachentrainer. Digital Publishing : München.

Ding, Su-ping (2005). Analyse die Funktionen des Konzeptes in Dialogen und die Darstellung der Sprache 〈會話中的概念功能和語言体現形式研究〉 In: Foreign Language Teaching Journal《外語教學》, 10-16.

Ehlich, Konrad & Rehbein, Jochen (1979). Sprachliche Handlungsmuster. In: H.-G. Soeffner (Hg.). Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften. Stuttgart, 243-274.

Ehlich, Konrad (1986). Funktional-pragmatische Kommunikationsanalyse - Ziele und Verfahren. In: Wolfdietrich Hartung (Hg.). Untersuchungen zur Kommunikation - Ergebnisse und Perspektiven. (Internationale Arbeitstagung in Bad Stuer, Dezember 1985), Berlin, 15-40.

Einblicke (2000).Folge 1 bis Folge 9. München : Goethe-Institut.
Just talk (1999). Vom Sohomedia (www.sohomedia.com.tw; www.fullerton.com.tw) ,1999.

Köker, Anne, Lemcke, Christiane, Rohrmann, Lutz, Rusch, Paul, Scherling, Theo und Sonntag, Ralf (2004). Berliner Platz 3. Deutsch im Alltag für Erwachsene. Zertifikatsband. Langenscheidt: Berlin, München, Wien.

Lin, Jin-xi und Lian, Yu-ren (2010). Technology and Chinese Language Teaching. Theory and Practice [華語文數位教學理論與實務]. Taipei: Xin-xue-lin.

Live ABC’s 3-D (2006). Animated Dialogues Sightseeing and Travel, Mp3 1.

Qin, Jun-hong und Zhang, De-lu (2005). Der Sprechwechsel in der Kommunikation im Internet. [網上會話中的話輪轉換] In: Wai Yu Dian Hua Jiao Xue, 41-45.

Ruf doch mal an (1995). Auf Deutsch telefonieren lernen. München : Hueber, 1995.

TriplePlay Plus! German (1995). Syracuse : Syracuse Language Systems.

Shi-jie-hua-yu-wen-jiao-xue-hui (2003). Chinesischlehrwerk für Anfänger [華語初級課本]. TaipeiGuo-li-bian-yi-guan.

Shu, Shao-min (2010). Research on the TCSL. Applied with Digital Technologies [數位科技運用於華語文教學之研究]. Taipei: Xin-xue-lin.

Sprich mit mir (1999). Deutsch—Anfänger- Mittelstufe. Auralog: Montigny-le-Bretonnneux France.

Yang, Jia-xing (2000). Handbuch zur Erstellung eines Lehrwerk für Selbstlernen im Internet [自學式教材設計手冊]. Taipei : Xin li.

Yang, ping (2007). Die Analyse der Sprechhandlungsklassifikation in Gespräche der Natursprachen [面向自然語言處理的會話行為分類研究]. In: Applied Linguistics (Yu Yan Wen Zi Ying Yong). 128-135.

Wen, Shi-ren (2002). English Free. Die vollständige Version [英語直通車全集]. Taipei: Wei-lai-shu-cheng. (http://www.englishfree.com.tw/).



Autorin:

Prof. Dr. Shing-Lung Chen  陳欣蓉
National Kaohsiung First University of Science and Technology (NKFUST)
Seminar für deutsche Sprache und Literatur
2, Jhuoyue Rd.
Nanzih District
Kaohsiung City 811
Taiwan, R.O.C.

E-Mail: chensl@nkfust.edu.tw



[1] Übersetzung: S.-L. C.; das Originalzitat lautet: „科技發展將人們學習的方式從定點、定時、逐漸地改變為不定時、不定點“. (Shu 2010: 2)

[2] Übersetzung: S.-L.. C; das Originalzitat lautet: „電腦輔助教學是一種雙向的教學...它能同時整合文字、聲音、影像、使教師的教學設計更豐富多樣、透過多元的表現方式、有助於提升學習者的學習動機及興趣“. (Lin und Lian 2010: 4)
[3] Übersetzung: S.-L.C.; das Originalzitat lautet: „人類思考的模式不是線性的、所有教材的呈現必須是跳躍式的連結、才能符合學習者的需要“. (Yang 2000: 19)

[4] Um das Verhältnis zwischen dem Kommunikationsszweck Kauf einer Fahrkarte und den erforderlichen Kommunikationsschritten sowie deren Sprachmitteln klar darzustellen, wird hier symbolisch jeweils ein Frage-Antwort-Paar dargelegt. Im Datenkorpus finden sich zu jedem Kommunikationsschritt mehrere Frage-Antwort-Paare.

 (09.05.2012).

[6] Da die meisten Konversationssysteme mehrere Funktionen anbieten, kann man sie nicht immer eindeutig einem Typ von Konversationssystem zuordnen. Stattdessen kann ein Konversationssystem je nach seinen Funktionen mehreren Typen zugeordnet werden.

[7] Zu den Einzelheiten vgl. http://www.youtube.com/watch?v=WtqA42ebBgU); 09.05.2012.

[8] Die Produkte vom MyET finden sich im Internet:http://www.myet.com/MyETWeb/CategoryList.aspx.  Probeweise kann MyET geladen werden unter: http://www.myet.com/MyETWeb/SubPage.aspx?fn=Download.htm.

[9] Wir baten 42 Studierende, sich zu jedem Kommunikationsschritt zu äußern. Dabei entdeckten wir, dass zu jedem Kommunikationsschritt nur eine beschränkte Anzahl von Satzstrukturen existiert. Im Kommunikationsschritt Feststellung, ob ein Zimmer frei ist ergeben sich nur Satzstrukturen wie: „Haben Sie ein Zimmer frei?“, „Ist ein Zimmer frei?“, „Ich hätte gern ein Zimmer?“. Für einen gegebenen Kommunikationsschritt existieren maximal acht bis zehn Satzstrukturen. Da bei jedem Kommunikationsschritt nur eine beschränkte Anzahl an Satzstrukturen vorkommt, kann das Konversationsevaluationssystem relativ leicht erkennen, was der Lerner zu dem entsprechenden Kommunikationsschritt äußert. Manche Äußerungen weisen die  gleiche Satzstruktur auf, wie z. B. „Das Zimmer kostet 100 Euro." oder „Das Zimmer kostet 200 Euro“. Dabei ist die Zahl eine Variable, deren Inhalt hier vernachlässigt werden kann. Weitere, ähnlich gelagerte Beispiele sind „Ich wohne in London“ und „Ich wohne in Hamburg“. Dabei ist die Ortsangabe ebenfalls eine Variable . Solche Variablen akzeptiert der Computer, da sie alle zur gleichen Satzstruktur gehören.

[10] Im Lehrwerk werden die Dialoge parallel sowohl auf Chinesischen als auch auf Englisch dargestellt.