Journal of Linguistics and Language
Teaching
Volume 11 (2020) Issue 1, pp. 13-35
Motivation beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen:
Wirksame Strategien für den Unterricht
Inez De Florio-Hansen (Kassel, Deutschland)
Abstract (English)
The present article analyzes those domains of foreign language learning in which teachers may influence the motivation of individual learners. General motivation theories and models as well as perspectives that focus on the foreign language classroom are examined critically and constructively. Finally, strategies are described that can promote motivational processes and improve students’ learning outcomes.
Keywords: Motivation, language learning, foreign language teaching, strategies, teacher, motivation theories, motivation models, learning outcomes
Abstract (Deutsch)
Der vorliegende Beitrag knüpft an die Publikation Wirksame Motivierungsstrategien für den Französischunterricht (De Florio-Hansen 2019) an und untersucht, in welchen Bereichen des Unterrichts - sowohl der ersten als auch weiterer Fremdsprachen - die Lehrperson Einfluss auf die Motivation der individuellen Lernenden nehmen kann. Allgemeine Motivationstheorien und Modelle werden ebenso einer kritisch-konstruktiven Prüfung unterzogen wie Perspektiven, die sich speziell auf den Fremdsprachenunterricht beziehen. Daraus ergeben sich Motivierungsstrategien, die – unter Anleitung durch die Lehrperson – das motivationale Geschehen positiv beeinflussen und zu besseren Lernergebnissen führen können.
Stichwörter: Motivation, Fremdsprachenlernen Fremdsprachenunterricht, Strategien, Lehrkraft, Motivationstheorien, Motivationsmodelle, Lernergebnisse
1 Vorbemerkung
Obwohl seit längerer Zeit bekannt ist, dass Motivation kein unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal ist, sind viele Lehrpersonen, also auch Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer, immer noch der Ansicht, dass sie die Motivation ihrer Lernenden kaum beeinflussen können (Brohm 2012: 7). Beruht das motivationale Geschehen nicht auf einer Fülle einzelner Faktoren? Kommen diese nicht bei jeder einzelnen Schülerin und bei jedem einzelnen Schüler in höchst individueller Ausprägung zum Tragen? Existiert überhaupt eine umfassende Motivationstheorie, an der man sich auch für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen orientieren könnte? Gibt es im Fremdsprachenunterricht bestimmte Bereiche des motivationalen Geschehens, die von der Lehrkraft eher beeinflusst werden können als andere?
Um diese und weiterführende Fragen einer Beantwortung näher zu bringen, bedarf es einer differenzierten Sicht auf verschiedene Motivationstheorien und deren mögliche Umsetzung im Fremdsprachenunterricht. Aus der Fülle der in den letzten Jahrzehnten erarbeiteten und propagierten Ansätze richtet man den Blick am besten zunächst auf allgemeine Motivationstheorien, die in allen Lebensbereichen in unterschiedlicher Form wirksam sind, aber mit entsprechenden Adaptionen auf den Fremdsprachenunterricht angewendet werden können. Davon ausgehend, bedürfen solche Ansätze einer kritischen Diskussion, die sich speziell auf das Fremdsprachenlernen im Unterricht beziehen.
2 Grundlegende Motivationstheorien
In aller Regel verläuft unser Handeln nicht planlos; vielmehr haben wir bestimmte Gründe, also Motive, warum wir uns in einer bestimmten Situation auf diese oder jene Weise verhalten. Die Gesamtheit unserer Beweggründe wird dabei als Motivation bezeichnet.
2.1 Motivation und Neurowissenschaften
Beim motivationalen Geschehen spielen neben kognitiven Gesichtspunkten vor allem Emotionen und neuronale Vorgänge im Gehirn eine Rolle. Seit Beginn der Jahrtausendwende mehren sich die Forschungen der Neurowissenschaften, vor allem der Neurobiologie, die die Hirntätigkeit beim emotionalen Geschehen untersuchen (z.B. Roth 22019). Sie belegen, dass es zu einer vermehrten Ausschüttung von Neurotransmittern kommt, wenn ein Mensch sich mit besonderem Interesse oder gar mit Hingabe einer bestimmten Sache widmet. Für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen zeigen diese Erkenntnisse, dass Motivation die Hirntätigkeit, also das neuronale Geschehen, beeinflusst. Dies ist ein Beweis dafür, dass es zu Veränderungen im Gehirn kommt, wenn ein Individuum - in unserem Fall eine Schülerin oder ein Schüler - sich intensiv mit einer Sache beschäftigt, um bestimmte Ziele zu erreichen. Mit Hilfe der bisher bekannten Untersuchungsmethoden können Forscher die Ausschüttung von Neurotransmittern nur während des motivationalen Geschehens selbst oder im Nachhinein feststellen. Die Befunde geben jedoch keine Hinweise auf zukünftiges Verhalten. Wie Stern (Stern et al. 2005) herausgestellt hat, liefern die bisherigen Erkenntnisse der Neurobiologie folglich keine Anhaltspunkte für die Planung und Gestaltung des Unterrichts.
2.2 Die zwei Phasen des Motivationsprozesses
Erschwerend kommt hinzu, dass Motivation nicht direkt beobachtbar ist, sondern nur aus den Aktionen und Aussagen eines Individuums erschlossen werden kann. Hilfreich in diesem Zusammenhang ist die Unterscheidung in zwei Phasen des motivationalen Geschehens. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die Bereitschaft zum Handeln nicht mit der Ausführung der Handlung gleichgesetzt werden kann (Kuhl & Heckhausen 1996, Kehr 2004). Die allgemeine Bereitschaft, eine Fremdsprache zu erlernen, ist von der Umsetzung dieser Absicht in die Tat zu unterscheiden. Die Ausführung der Handlung erfordert nicht nur Ausdauer, sondern auch bestimmte Kompetenzen. Nicht selten kann im Unterricht beobachtet werden, dass Schülerinnen und Schüler sich bei bestimmten Aktivitäten und Aufgaben passiv verhalten, obwohl sie die betreffende Fremdsprache im Grunde recht gern lernen. Die Ursachen für dieses Verhalten sind höchst unterschiedlich. Häufig sind die Lernenden unkonzentriert, oder aber die Aufgabenstellung spricht sie nicht an.
Die erste Phase des Motivationsprozesses besteht also lediglich in der Handlungsbereitschaft. Sie bedeutet im Regelfall noch keine Umsetzung der Absichten in konkretes Handeln. Damit es tatsächlich zur Ausführung von Lernhandlungen kommt, bedarf es der Umsetzungskompetenz: Zu der prinzipiellen Bereitschaft muss die nötige Willenskraft hinzukommen. Diese zweite Phase des Motivationsprozesses wird als Volition bezeichnet.
Motivation
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Erste Phase des Motivationsprozesses
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Zweite Phase des Motivationsprozesses
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Motivation (Beweggründe)
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Volition (Willenskraft)
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Ausgangspunkt: Emotionen in Verbindung mit Zielrichtung
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Ausgangspunkt: Konkretisierung, Planung und Vorbereitung
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Latente Disposition
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Handlungsbereitschaft
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Ausführung des Vorhabens
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Tab. 1: Motivation (De Florio-Hansen 2019a: 11)
2.3 Auswirkungen allgemeiner Motivationstheorien
Da Motivation in allen Lebensbereichen wirksam ist, kommen allgemeine Motivationstheorien – wie wir an der Unterscheidung in Handlungsbereitschaft und Umsetzung sehen – mit gewissen Adaptionen auch in der Pädagogischen Psychologie sowie der Didaktik und Methodik zum Tragen. Dies bedeutet, dass adäquate Motivierungsstrategien zur Verbesserung des Klassenklimas und des Unterrichtserfolgs beitragen können. Wie im Alltagsleben spielen Rückmeldungen dabei eine herausragende Rolle. Feedback und Motivation sind auf das engste miteinander verknüpft.
Auch die sozialen Beziehungen werden durch entsprechende Motivationstheorien beeinflusst. Damit ist gemeint, dass auch die Lernenden im Fremdsprachenunterricht davon profitieren, wenn sie die Beweggründe für das Verhalten ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler verstehen und dadurch gemeinsame Vorhaben zu größerem Erfolg führen können. Eine unerlässliche Voraussetzung für gelingende Kommunikation unter den Lernenden ist dabei das wechselseitige Verständnis, welches auch im Alltag und im späteren Berufsleben eine herausragende Rolle spielt.
In den bisherigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass das, was Menschen motiviert, von Individuum zu Individuum im Allgemeinen höchst unterschiedlich ist. Determiniert wird die Motivation zum einen durch Faktoren, die im Individuum selbst angelegt und ausgebildet sind, zum anderen durch Umwelteinflüsse, die sich nur schwer analysieren lassen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich im Laufe der Jahrzehnte eine große Fülle von Motivationstheorien herausgebildet hat. Die meisten dieser Erklärungsversuche können eine gewisse Gültigkeit für sich beanspruchen. Eine umfassende Darstellung von Motivation gibt es aber bisher nicht. Es stellt sich daher die Frage, ob es sie überhaupt geben kann. Dies gilt auch für die Theorien, die sich speziell mit der Motivation im Fremdsprachenunterricht beschäftigen. Alle bisherigen Ansätze, so plausibel sie auch sein mögen, sparen (zwangsläufig) Faktoren aus, die man mitberücksichtigen muss, wenn man sich ein umfassendes Bild machen will.
2.4 Drei einflussreiche Motivationsmodelle
Eine wichtige Unterscheidung besteht darin, ob Wissenschaftler ihre Untersuchungen motivationaler Vorgänge auf Inhalte ausrichten oder ob sie vornehmlich die bei der Motivierung ablaufenden Prozesse analysieren. Daher werden Inhaltsmodelle von Prozessmodellen abgegerenzt. Ein weit verbreitetes Inhaltsmodell ist die Bedürfnispyramide von Maslow (1954), die von elementaren Nöten kontinuierlich zu höherrangigen Bedürfnissen fortschreitet. Nach dieser Modellierung strebt das Individuum zunächst danach, seine grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen. Erst dann sind Motivation und Volition auf höherrangige Ziele ausgerichtet:
Abb. 1: Bedürfnispyramide nach Maslow
Im Fremdsprachenunterricht, vor allem dem Unterricht in der zweiten und dritten Fremdsprache, kommen hauptsächlich die höher und die am höchsten eingestuften Zielvorstellungen zum Tragen: das Sozialbedürfnis, der Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung sowie das Streben nach Selbstverwirklichung, in dem Maslow die eigentliche Quelle des Wachstums sieht.
Neben den Inhaltsmodellen spielen in unserem Zusammenhang auch die sogenannten Anreizmodelle eine wichtige Rolle. Sie gehen davon aus, dass Individuen auf selbst gewählte und / oder von außen gesetzte Anreize mit Handlungsbereitschaft und Willenskraft reagieren. Als Anreiz im Sinne der zahlreichen Modellierungen dieser Forschungsrichtung gelten situative Reize, die motivationale Vorgänge anregen oder auslösen können. Von besonderer Bedeutung sind dabei affektive Reaktionen; in ihnen ist auch die grundlegende Bewertung der Anreizsituation enthalten. Anreizmodelle wurden für den Fremdsprachenunterricht lange Zeit kategorisch abgelehnt (Sambanis 2013: 49ff). Inzwischen werden aber die unterschiedlichsten Formen von Belohnungen als Auslöser und Verstärker von Motivation zunehmend in Schule und Unterricht einbezogen. Dies schließt auch angemessene Formen des Wettbewerbs ein.
Eng verknüpft mit Anreizmodellen ist – wie soeben angedeutet – die Erwartungshaltung des Individuums. Auf den Fremdsprachenunterricht übertragen heißt dies: Wie schätzt der individuelle Lernende seine Möglichkeiten ein, einen bestimmten Zielzustand - also das Lernziel - zu erreichen? Wie groß ist seiner Einschätzung nach die Erfolgswahrscheinlichkeit? Die Lehrperson hat die Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler mit dem oder den angestrebten Zielen vertraut zu machen und sie von deren Nutzen zu überzeugen. Es genügt aber nicht, dass die Lernenden das vorgegebene Ziel für erstrebenswert halten. Ebenso bedeutsam - wenn nicht noch wichtiger - ist die Einschätzung jedes einzelnen Lernenden, dass er das Ziel mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich erreichen kann. Daraus ergibt sich folgende Gleichung:
Motivation = Wert des angestrebten Ziels x Erwartung seiner Erreichbarkeit
Hält ein Individuum das Ziel nicht für sinnvoll, spielt die Erreichbarkeit keine Rolle. Im umgekehrten Fall erachtet es das Ziel für erstrebenswert, fürchtet aber, dieses nicht erreichen zu können. In beiden Fällen ist die Motivation gleich Null. Die obige Gleichung besteht nämlich nicht in einer Addition, sondern es handelt sich um eine Multiplikation (1 x 0 = 0 oder 0 x 1= 0) (De Florio-Hansen 2019a: 12ff).
3 Motivation im Fremdsprachenunterricht
Nachdem wir ausgewählte Hypothesen und Erkenntnisse allgemeiner Motivationstheorien und -modelle mit Blick auf das Lehren und Lernen fremder Sprachen diskutiert haben, betrachten wir im Folgenden, welcher Nutzen aus Modellierungen gezogen werden kann, die speziell mit Blick auf die Erlernung von Fremdsprachen (außerhalb und) im Unterricht erarbeitet und überprüft wurden. Im Wesentlichen geht es um drei Sichtweisen, die aufeinander aufbauen bzw. ineinandergreifen:
● die sozial-psychologische Perspektive
● die kognitive Perspektive (die wiederum in drei Sichtweisen unterteilt ist) und
● die prozessorientierte Perspektive.
3.1 Die sozial-psychologische Perspektive
Die sozial-psychologische Perspektive bestimmte das Fremdsprachenlernen von den 1950er Jahren bis etwa 1990. Sie ist eng mit dem Namen Robert C. Gardner (z.B. 1985) verbunden, der seine Modellierung mehrfach überarbeitet hat. Wie es der Terminus besagt, herrschte eine soziale bzw. soziologische Sicht bei der Erlernung fremder Sprachen vor. Dies bedeutet, die Perspektive von Gardner und zahlreichen anderen Wissenschaftlern fokussiert hauptsächlich auf den sozialen Kontext, in dem die betreffende Sprache gelernt wird (Okuniewski 2013: 229ff). Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Verwendung der jeweiligen Sprache in der sozialen Interaktion. Dies bedeutet, es geht in erster Linie um den Zweitsprachenerwerb und lediglich in geringerem Umfang um den Unterricht im Zielsprachenland.
Dennoch bietet die sozial-psychologische Perspektive Hinweise für das Fremdsprachenlernen außerhalb des Zielsprachenlandes, die auch auf den Fremdsprachenunterricht bezogen werden können. Ein Fokus dieser Perspektive fasst Gegebenheiten ins Auge, die sowohl beim Zweitsprachenerwerb als auch beim Fremdsprachenlernen von großer Bedeutung sind, nämlich das Selbstvertrauen und die Ausdauer des Zweitsprachenerwerbers bzw. des Fremdsprachenlernenden. Der Bezug zu den oben dargestellten allgemeinen Motivationstheorien und -modellen ist evident:
Lernende müssen nach und nach zu der Überzeugung gelangen, dass sie – entsprechendes Engagement und Durchhaltevermögen vorausgesetzt – die Anforderungen zielsprachiger Kommunikation meistern können. (De Florio-Hansen 2019a: 15).
3.2 Die kognitive Perspektive
Es versteht sich von selbst, dass die sogenannte kognitive Wende bzw. die kognitive Revolution, deren größte Wirkung zwischen 1980 und 1990 angesetzt wird, das Lehren und Lernen von Fremdsprachen stark beeinflusst hat (Piepho 1974). Da Kognition im Grunde alle Prozesse umfasst, die mit Wahrnehmen und Erkennen zu tun haben, bestimmen die Kognition und mit ihr zusammenhängenden Phänomene auch das motivationale Geschehen im Fremdsprachenunterricht. Wie bereits mehrmals erwähnt, wird auch die auf das Lehren und Lernen fremder Sprachen bezogene Motivation von der Eigenwahrnehmung des Lernenden bestimmt. Wie schätzt eine Schülerin oder ein Schüler die eigenen Möglichkeiten ein? Welche tatsächlich vorhandenen oder fiktiven Grenzen nimmt sie oder er beim Lernen und folglich im Fremdsprachenunterricht wahr? Die Antworten auf diese Fragen bleiben nicht ohne Einfluss auf motivationale Aspekte. Es besteht also ein enger Zusammenhang zwischen den Erkenntnissen der in Abschnitt 3.1 in aller Kürze skizzierten sozial-psychologischen Perspektive und der kognitiven Sichtweise. Gemeinsam ist beiden die Forderung nach treffender Selbsteinschätzung und dem daraus resultierenden Selbstvertrauen.
Da Kognition sich auf die Gesamtheit der geistigen Prozesse und Strukturen bezieht - also Gedanken, Meinungen, Einstellungen, Urteile, Wünsche und Absichten einschließt - , ist es nicht verwunderlich, dass die kognitive Sichtweise beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen mehrere Ausprägungen erfahren hat. Im Folgenden soll kurz auf die drei wichtigsten Teiltheorien eingegangen:
● die Selbstbestimmungstheorie
● die Artributionstheorie und
● die sozial-konstruktivistische Theorie.
3.2.1 Selbstbestimmungstheorie
Die Selbstbestimmungstheorie sucht Antworten auf die Frage, inwieweit autonomes Lernen die Motivation steigert bzw. steigern und somit zu größeren Lernerfolgen führen kann. Deci & Ryan (1993; 2008) gehen - wie viele andere Forscher (Vallerand 1997: 271-360, Roth et al. 2007: 761-774) - von einem Kontinuum der Selbstbestimmung aus. Als oberstes Ziel gilt für sie die hinreichend bekannte intrinsische Motivation, die aus der Attraktivität des Lerngegenstandes um seiner selbst willen beruht. Da sie bei den meisten Schülerinnen und Schülern nicht vorausgesetzt werden kann, müssen die Lehr- und Lernstrategien so gestaltet sein, dass es zu einem kontiuierlichen Fortschreiten von extrinsischer zu intrinsischer Motivation kommt.
Mit ihrer Selbstbestimmungstheorie knüpfen Deci & Ryan an die soeben genannte psychologische These an, die seit geraumer Zeit auch im Fremdsprachenunterricht berücksichtigt wird, nach der Lernende intrinsisch motiviert sind, wenn sie die jeweilige Fremdsprache um ihrer selbst willen lernen. Sie fühlen sich von deren Klang oder deren Struktur, bisweilen auch von in dieser veröffentlichen literarischen Werken angezogen, die sie dann in der Originalversion lesen möchten. Von außen gesetzte Belohnungen, wie sie beispielsweise die Anreiztheorie propagiert, spielen für diese Lernenden keine Rolle. Auf Anerkennung und Belohnung ausgerichtet sind hingegen extrinsisch motivierte Schülerinnen und Schüler.
Diese Unterscheidung bringt Fremdsprachenlehrkräfte bei der Planung und Gestaltung ihres Unterrichts kaum weiter. Es ist schwierig, die motivationalen Vorgänge bei einer bestimmten Aktivität oder Aufgabe in Bezug auf einzelne Schülerinnen oder Schüler zu analysieren. Selbst im Einzelunterricht gelingt dies den Nachhilfelehrern nur eingeschränkt. Aber nicht nur die Größe der Lerngruppe erschwert es Lehrpersonen, festzustellen, ob ein individueller Lernender intrinsisch oder extrinsisch motiviert ist. Studien haben gezeigt, dass derselbe Schüler sowohl von der Sprache her, als auch durch äußere Faktoren motiviert sein kann (Dörnyei 1998; 2001). Zudem unterliegt die Motivation jedes Einzelnen zeitlichen Veränderungen. Fremdsprachenlehrer und -lehrerinnen sind gut beraten, wenn sie ihren Unterricht so gestalten, dass die Lernenden nach und nach zu einem Lernen aus eigenem Antrieb fortschreiten.
Beim motivationalen Geschehen erfolgt aber nicht nur eine Unterscheidung in intrinsisch und extrinsisch. Eine weitere Theorie unterscheidet zwischen integrativer und instrumenteller Motivation (Gardner & Lambert 1972). Integrativ motiviert ist ein Lernender dann, wenn er nach einer teilweisen Identifikation mit der Zielsprache und den damit verbundenen Kulturen strebt. Instrumentell motiviert ist der Lerner hingegen dann, wenn er die Fremdsprache lernt, weil er sich äußere Vorteile davon verspricht. So lernen manche Schüler Chinesisch, weil sie glauben, dessen Kenntnis eröffne ihnen in gewissen Bereichen der globalisierten Wirtschaft besondere Aufstiegsmöglichkeiten. Wozu dient nun diese weitere Unterscheidung? Hätte es nicht genügt, sich auf die ohnehin problematische Gegenüberstellung von instrinsisch und zu beschränken? Wer eine differenzierte Sicht auf das Phänomen Motivation anstrebt, profitiert von dieser zusätzlichen Unterscheidung: Die Gegenüberstellung intrinsisch vs. extrinsisch fokussiert in erster Linie auf das Lernen. Die Unterscheidung integrativ vs. instrumentell nimmt vor allem die Sprache und die damit verbundenen kulturellen Aspekte in den Blick.
Im Zusammenhang mit Anreizmodellen (2.4) wurde kurz angesprochen, dass einige Wissenschaftler - vor allem aber Lehrpersonen - der intrinsischen Motivation einen höheren Wert beimessen. Inzwischen weiß man, dass auch extrinsische oder instrumentelle Motivation zu guten Lernergebnissen führen kann. Es muss stets berücksichtigt werden, worin der Anreiz besteht und welchen Stellenwert er für das lernende Individuum hat. Es wäre zudem unrealistisch, würden Lehrpersonen erwarten, dass die Schülerinnen und Schüler für alle Schulfächer gleichermaßen intrinsisch motiviert sind.
Besondere Möglichkeiten, der intrinsischen Motivation näherzukommen, sehen Deci & Ryan (2008: 87f) darin, den Lernenden möglichst viel Spielraum bei der Gestaltung der Lernprozesse einzuräumen. Ihrer Erkenntnis nach können dadurch Motivationsschübe ausgelöst werden. Es sei die Aufgabe der Lehrperson, durch einen entsprechenden Unterrichtsstil jeden einzelnen Lernenden zur Selbstbestimmung zu ermutigen. Ebenso wichtig sei es, die Schülerinnen und Schüler bei sinnvollen Eigeninitiativen in ihrem Verhalten zu bestärken.
3.2.2 Attributionstheorie
Die Attributionstheorie (Attribution Theory, u.a. Alderman 2008) knüpft an die Selbstbestimmungstheorie an. Sie fokussiert auf vergangene Lernerfahrungen. Die meisten Schülerinnen und Schüler suchen für ihre Erfolge oder Misserfolge beim Lernen nach Begründungen. Sie nehmen sogenannte Attributionen vor, die nicht immer den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen müssen, aber gleichwohl einen beträchtlichen Einfluss auf ihre Motivation haben.
Die Gründe für ihre Erfolge oder Mißerfolge bei der Erlernung einer Fremdsprache machen sie zum Teil an ihrer eigenen Person fest („Ich bin halt einfach nicht sprachbegabt.“) In anderen Fällen führen sie Mißerfolge auf die persönliche Umstände zurück („Der Unterricht bei Herrn X oder Frau Y ist langweilig, immer das gleiche Schema.“) oder aber auf situationale Umstände („Dass der Unterricht am Nachmittag stattfindet, ist echt nervig. Ich kann mich da nicht mehr richtig konzentrieren.“). Die auf die eigene Person bezogenen Attributionen werden in der Wissenschaft als internal bezeichnet; diejenigen, welche Fremdsprachenlernende an äußeren Umständen festmachen, gelten als external.
Glücklicherweise ist die Erlernung einer Fremdsprache für die meisten Schülerinnen und Schüler nicht nur mit negativen internalen oder externalen Attributionen verbunden. Bald überwiegt die eine, bald die andere Perspektive. Entscheidend aber ist, wie die Lernenden mit ihren Zuschreibungen umgehen. Auch hier sind die oben angesprochene Erwartungshaltung sowie das Selbstvertrauen von herausragender Bedeutung. Letztlich geht es darum, ob die Lernenden internale und / oder negative externale Attributionen für veränderbar halten: Ihr Selbstbild ist nicht ohne Einfluss auf ihre Motivation (Dweck 2017).
3.2.3 Sozial-konstruktivistische Theorie
Jedes Lernen beruht auf Konmstruktion; jedes Lehren kann und soll dieses Konstruieren von (Ausschnitten der) Wirklichkeit beim einzelnen Lernenden möglichst optimal fördern (De Florio-Hansen 2014: 45).
Eine Begründung für diese Aussage liefert die sozial-konstruktivistische Theorie, die vor allem auf Vygotsky (1978) zurückgeht. Sie besagt, dass jeder Mensch den Sinn der Welt selbst konstruiert.
Ursprünglich fokussiert der Konstruktivismus auf die frühkindliche Entwicklung, ist aber gleichwohl auch für die Erlernung von Fremdsprachen richtungsweisend. Die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler variieren von Individuum zu Individuum erheblich: Jeder Lernende konstruiert fremdsprachliches Wissen und Können in einer einzigartigen Form. Zudem werden Eindrücke und Erfahrungen kontinuierlich konstruiert und dekonstruiert. Durch diese Annahmen und Befunde rückt die sozial-konstruktivistische Theorie den individuellen Lernenden noch stärker in den Mittelpunkt, als dies im Rahmen anderer Ansätze und Theorien geschieht. Die weitreichenden Entwicklungen bei der Konstruktion individueller mentaler Modelle bleiben dabei nicht ohne Einfluss auf die Motivation.
3.3 Die prozessorientierte Perspektive
Ausgehend von der kognitiven Perspektive verlagerte sich Ende der 1990er Jahre das Interesse der (Fremdsprachen)Forschung und im Gefolge der Didaktik und Methodik zunehmend mehr auf die Prozesse, die das motivationale Geschehen bestimmten (Dörnyei 1998; 2001). Damit stellt die prozessorientierte Perspektive die oben mehrfach angesprochene Tatsache in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung, dass Motivation nicht statisch ist, sondern gewissen Schwankungen unterliegt. Es geht darum, die kurz- und längerfristigen Abfolgen und Veränderungen, die im Individuum angelegt sind, deutlicher als bisher von solchen abzugrenzen, die auf externe Gegebenheiten zurückzuführen sind. Diese differenzierte Sicht gestattet es, Motivierungsstrategien für bestimmte Bereiche des Fremdsprachenunterrichts zu konzipieren und entsprechend zu implementieren.
Der wohl bekannteste Vertreter der prozessorientierten Sichtweise ist Zoltán Dörnyei, der seine grundlegenden Einsichten und Empfehlungen Ende der 1990er Jahre mit Blick auf das Lehren und Lernen fremder Sprachen detailliert dargestellt hat (1998). Zusammen mit Ema Ushioda hat er ein allgemeingültiges Prozessmodell der Motivation vorgelegt (Dörnyei & Ushioda 22009), welches bis heute nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt hat. In Abschnitt 4 soll auf einzelne Aspekte dieser Modellierung anhand ausgewählter Motivierungsstrategien für den Fremdsprachenunterricht eingegangen werden.
Generell werden in prozessorientierten Modellierungen drei grundlegende Phasen des Unterrichts unterschieden, in denen die Handlungsbereitschaft und die für die Umsetzung erforderliche Willenskraft aufgebaut und ausgebaut werden können:
1. Preactional stage2. Actional stage3. Postactional stage (Dörnyei 1998: 117ff, 131)
4 Motivierungsstrategien für den Fremdsprachenunterricht
Motivation beim Lehren und Lernen fremder Sprachen sowie Motivierungsstrategien für den Unterricht beziehen sich keineswegs nur auf das Unterrichtsgeschehen im engeren Sinne - wie das Klassenmanagement, die Festlegung von Zielen sowie das Feedback für die Lernenden. Die ausgewählten und eingesetzten Strategien und Techniken basieren auf entsprechenden Voraussetzungen, mit denen sich die motivationalen Prozesse im Unterricht selbst entfalten.
4.1 Grundlegende Voraussetzungen für die Entfaltung von Motivation
Im Wesentlichen betreffen diese Voraussetzungen vier Bereiche:
● die Stellung und das Ansehen der jeweiligen Fremdsprache im Kontext der Schule,
● den angemessenen Umgang mit Heterogenität im Sinne einer Willkommens- und Anerkennungskultur
● Befragungen der Schülerinnen und Schüler zum Fremdsprachenlernen und
● die Vorbildfunktion der Lehrkraft, welche häufig unterschätzt oder falsch gedeutet wird.
4.1.1 Stellung und Ansehen der Fremdsprache
Eine grundlegende Voraussetzung, welche die Motivation der Schülerinnen und Schüler positiv beeinflusst, ist die Stellung and das Ansehen der jeweiligen Fremdsprache im Kontext der einzelnen Schule. Dies gilt für Englisch, aber insbesondere für die zweiten und dritten Fremdsprachen wie Französisch und / oder Spanisch. Lehrpersonen, die eine zweite oder dritte Fremdsprache unterrichten, sollten sich darum bemühen, Initiativen wie Studienfahrten, Ergebnisse von Schülerarbeiten oder Theateraufführungen gegenüber der Schulleitung und vor allem der Schulöffentlichkeit bekannt zu machen. Dies geschieht am besten in Kooperation mit den Lehrkräften, die dieselbe Fremdsprache an der Schule unterrichten. Gemeinsame Projekte schaffen nicht nur die nötigen Voraussetzungen für eine Verbesserung des Ansehens der jeweiligen Fremdsprache, sondern bieten auch Möglichkeiten der klassenübergreifenden Zusammenarbeit der Lernenden untereinander. Letztere hat nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis (Brohm 2012. 45ff) einen besonderen Einfluss auf die Motivation der Schülerinnen und Schüler. Noch hilfreicher ist freilich die schulübergreifende Kooperation von Lehrpersonen und Lernenden derselben Fremdsprache.
4.1.2 Angemessener Umgang mit Heterogenität
Ein weiterer motivationssteigernder Aspekt ist der Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. Vor allem im Unterricht der zweiten und dritten Fremdsprache muss daran gearbeitet werden, die eher negative Konnotation von Heterogenität zugunsten des eher positiven Terminus Diversität – oft ist auch von Vielfalt die Rede – aufzugeben. Kein Unterricht - und schon gar nicht der Fremdsprachenunterricht - sollte sprachliche und kulturelle Unterschiede negativ bewerten und Lernende mit Migrationsgeschichte auf deutsche Sichtweisen und Werte festzulegen versuchen. Seit fast zwei Jahrzehnten wird die interkulturelle Sicht im Sinne einer Tolerierung bzw. eines friedlichen Nebeneinanders verschiedener Kulturen in Frage gestellt. Anzustreben ist vielmehr die häufig als Transkulturalität bezeichnete Einstellung, die auf wechselseitige Bereicherung von Menschen verschiedener kultureller Prägung abzielt. Der Hauptvertreter dieser Richtung ist Wolfgang Welsch, der seit Ende der 1990er Jahre seinen Ansatz verschiedentlich publiziert hat (zuletzt 2010). Der Fremdsprachenunterricht, der ohnehin auf die Diskussion der (inter)kulturellen Dimension ausgerichtet ist, eröffnet folgerichtig die Möglichkeit zu einer größeren Anerkennung unterschiedlicher Sichtweisen. Häufig ist von der Implementation einer Willkommens- und Anerkennungskultur die Rede (Heckmann 2012) zu einzelnen Initiativen siehe Wikipedia s.v. Willkommens- und Anerkennungskultur).
4.1.3 Schüler-Befragungen
Zu den grundlegenden Voraussetzungen für die Stärkung der Motivation der Lernenden gehören auch Schüler-Befragungen zum Fremdsprachenlernen allgemein und zu der Erlernung der jeweiligen Fremdsprache. Solche Befragungen haben mit den üblichen Fragebögen wenig zu tun. Sie sind vielmehr so anzulegen bzw. auszuwählen, dass sie es dem individuellen Lernenden ermöglichen, mit der Erlernung der jeweiligen Fremdsprache – in Anlehnung an die Attributionstheorie – positive Konnotierungen und ausbaufähige fremdsprachliche Bereiche anstelle von Defiziten zu verbinden. Einen entsprechenden Fragebogen hat das Selbstlernzentrum des Sprachenzentrums der Freien Universität Berlin vorgelegt. Er umfasst 50 Items und ist ursprünglich für erwachsene Fremdsprachenlernende gedacht (De Florio-Hansen 2019a: 73ff). Es bietet sich an, ausgewählte Items für die Schülerinnen und Schüler auf Deutsch oder in der jeweiligen Fremdsprache so aufzubereiten, dass sie motivationsfördernde Einsichten gestatten: Es geht dabei nicht nur um die Bestätigung der Schüleraktivitäten, sondern auch um neue Gesichtspunkte, die eine Steigerung der Motivation bewirken können, wie z.B.: „Ich präge mir eine neue Vokabel ein, indem ich ihren Klang mit einem Bild verbinde“ (De Florio-Hansen 2019a: 79ff).
4.1.4 Vorbildfunktion der Lehrkraft
Eine motivationssteigernde Wirkung, die über die bisher beschriebenen Aspekte hinausgeht, geht von der Lehrkraft selbst aus. Häufig ist davon die Rede, dass Schülerinnen und Schüler sich letztlich nur selbst motivieren können, gleichgültig auf welche Strategie die Lehrkraft zurückgreift. Das ist zwar im Prinzip richtig, bedeutet jedoch nicht, dass Lehrerinnen und Lehrer keinen Einfluss auf die Motivation ihrer Lernenden haben. Es geht hier freilich nicht um Strategien, die das motivationale Geschehen direkt beeinflussen oder zumindest darauf einwirken sollen. Vielmehr kommt an dieser Stelle die Vorstellung vom Lernen am Modell zum Tragen, die auf Bandura (u.a. 1976) zurückgeht. Modelllernen wird auch als Lernen durch Beobachtung oder Imitation bezeichnet. Es ist bereits in den 1960er Jahren entstanden und knüpft an die genannten Sichtweisen an: die sozial-psychologische und die kognitive Perspektive. Neben anderen beispielgebenden Funktionen ist die Lehrkraft trotz der elektronischen Medien immer noch das wichtigste sprachliche Vorbild für die Schülerinnen und Schüler.
Die Vorstellung vom Lernen am Modell ist seit ihrer Entstehung immer wieder adaptiert und erweitert worden. Andreas Helmke (2009: 112 ff.), der in seinem Grundlagenwerk ausführlich die Vorbildfunktion von Lehrpersonen darstellt, geht davon aus, dass die Merkmale der Lehrerin oder des Lehrers zweifach wirksam sind:
Zum einen beeinflussen sie die Qualität des Unterrichts (siehe Angebot-Nutzungs-Modell) und damit indirekt das Schülerverhalten, zum anderen wirken Lehrpersonen als Modelle und haben damit direkten Einfluss auf Lernen und Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler (Helmke 2009: 112)
Die indirekte Wirkung der Lehrkraft beruht nach Helmke auf deren Sachkompetenz. Direkten Einfluss hingegen haben ihre Persönlichkeit, ihre Überzeugungen und ihre subjektiven Theorien. Besonderen Stellenwert hat im Bereich der direkten Wirkung die Einstellung der Lehrerin oder des Lehrers zu der unterrichteten Fremdsprache und zum Fremdsprachenunterricht. Letztlich repräsentieren Lehrkräfte das Fach, das sie unterrichten.
Auch der oben erwähnte Zoltán Dörnyei rechnet die Vorbildfunktion der Lehrkraft zu den basalen Strategien. In seiner Publikation Motivational Strategies in the Language Classroom schreibt er dazu in seiner zusammenfassenden Übersicht (Dörnyei 2001: 135ff):
1. Demonstrate and talk about your own enthusiasm for the course material, and how it affects you personally.Share your own personal interest in the L2 with your students.Show students that you value L2 learning as a meaningful experience that produces satisfaction and enriches your life. (Dörnyei 2001: 137)
Auch Michaela Brohm spricht in ihrer Einführung Motivation lernen in Anlehnung an Gage & Berliner (1996: 427) von der "enthusiastischen" Lehrperson (Brohm 2012: 9), ohne sich jedoch auf ein spezielles Unterrichtsfach zu beziehen. Sie bietet einen kurzen Fragebogen für Lehrkräfte an, den auch Fremdsprachenlehrer und -lehrerinnen nutzen können und der an verschiedene oben angesprochene Modellierungen und Perspektiven anknüpft. Dieser Fragebogen gibt Hinweise auf didaktische Maßnahmen, durch die Lehrkräfte die Motivation und Willenskraft der Lernenden stärken können, z.B. indem sie mehr Eigeninitiative und Freiraum zulassen. Wenn die Lehrkraft das Unterrichtsgeschehen zu stark dominiert, ermöglichen es ihr entsprechende Frage Impulse, gegenzusteuern und die eigenen Verhaltensweisen zu überdenken (Eichborn 2018: 35).
Mit Hilfe des folgenden Fragebogens können Lehrpersonen überprüfen, inwieweit sie der oben beschriebenen Vorbildfunktion gerecht werden.
Kreuzen Sie Zutreffendes bitte an:
trifft gar nicht zu
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trifft eher nicht zu
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trifft eher zu
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trifft sehr zu
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Meine Schüler/innen können sich in meinem Unterricht häufig als eher selbstbestimmt wahrnehmen.
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Ich stelle häufig fremdartige, neue, große, seltsame, verrückte oder anregende Aufgaben.
| ||||
Das „Arousal-Niveau“ ist während meines Unterrichts im optimalen mittleren Erregungsbereich.
| ||||
Wann immer möglich, ermögliche ich den direkten Kontakt zwischen Lerngegenstand und Schüler/in (Primärerfahrung).
| ||||
Ich habe angemessen hohe Leistungs-erwartungen an meine Schüler/innen.
| ||||
„Können Sie aus der Beantwortung des Fragebogens einen allgemeinen Schluß ziehen? Gibt es in der Anlage Ihres Unterrichts noch didaktischen Spielraum zur Steigerung der Schüleraktivierung?“
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Tab. 2: Fragebogen für Lehrpersonen hinsichtlich ihrer Vorbildfunktion (Brohm 2012: 20)
Die Beantwortung dieser Fragen, die teilweise zum nächsten Abschnitt überleiten, eröffnet Lehrkräften die Möglichkeit, nicht nur ihr didaktisch-methodisches Konzept zu überdenken, sondern auch zu überlegen, wie sie eigene Persönlichkeitsmerkmale, z.B. Motivation für die Fremdsprache, Leistungsbereitschaft und Zuverlässigkeit, durch entsprechendes Verhalten im Unterricht zeigen können (Brohm 2012: 13 f).
4.2 Motivierungsstrategien innerhalb des Unterrichtsgeschehens
Die im vorigen Abschnitt erläuterten Grundlagen, welche die Voraussetzung für das motivationale Geschehen im Unterricht selbst darstellen, bedürfen der regelmäßigen Verifizierung, Aufrechterhaltung und Ergänzung. Kann ihre Wirkung im Hinblick auf möglichst viele Schülerinnen und Schüler als weitgehend gesichert gelten, kommen drei Bereiche für die Auslösung und Stärkung von Motivation im Unterricht ins Spiel:
●das Klassenmanagement und ein lernförderliches Klassenklima,
● die Festlegung und Begründung von Zielen sowie
● kontinuierliches wechselseitiges Feedback.
4.2.1 Klassenmanagement und Klassenklima
Der Begriff Klassenmanagement wurde bewusst anstelle von Klassenführung gewählt, um deutlich zu machen, dass es um die Partizipation der Lernenden geht und nur so ein motivationsstärkendes Miteinander im Unterricht erreicht werden kann. Dörnyei gibt dazu richtungsweisende, auf wissenschaftlichen Studien basierende Ratschläge:
5. Create a pleasant and supportive atmosphere in the classroom.Establish a norm of tolerance.Encourage risk-taking and have mistakes accepted as a natural part of learning.Bring in and encourage humour.Encourage learners to personalise the classroom environment according to their taste. (...)
7. Formulate group norms explicitly, and have them discussed and accepted by the learners.Include a specific ‘group rules’ activity at the beginning of a group’s life to establish the norms explicitly.Explain the importance of the norms you mandate and how they enhance learning, and ask for students’ agreement.Elicit suggestions for additional rules from the learners and discuss them in the same way as the rules you have proposed.Put the group rules (and the consequences for violating them) on display.
(Dörnyei 2011: 138f)
Es sind jedoch nicht allein klare Regeln, Respekt und Wertschätzung, die das Lehren und Lernen im Unterricht verbessern. Motivation und Engagement der Schülerinnen und Schüler hängen zusätzlich von einem zweiten Faktor ab: der Lernatmosphäre, dem sogenannten Klassenklima. Selbstverständlich sind das Klassenklima und das Klassenmanagement eng miteinander verknüpft: Eine motivierende Lernatmosphäre ergibt sich aus einem Klassenmanagement, das den Besonderheiten der jeweiligen Lerngruppe gerecht wird und dabei jeden einzelnen Lernenden angemessen fördert. Motivation, Verhalten und Lernergebnisse werden stark von der sinnvollen Verbindung beider Aspekte beeinflusst (De Florio-Hansen 2017: 163 ff).
Am besten legt die Lehrperson zusammen mit den Lernenden gleich zu Beginn des Unterrichts in einer Lerngruppe die Regeln fest, auf deren Einhaltung auch die Schülerinnen und Schüler selbst zu achten haben. Dies schließt auch die Einstellung zu den Anforderungen - wie z.B. Hausaufgaben - mit ein. Durch das Klassenmanagement wird in Verbindung mit einer lernförderlichen Atmosphäre das soziale Miteinander der einzelnen Schülerinnen und Schüler untereinander und mit der Lehrkraft reguliert. Diese zeigt sich offen für die Nöte und Emotionen der Lernenden „und sozialisiert sie in der Weise, dass sie dieselben Merkmale im Umgang miteinander zeigen (Brophy 2000: 8)“. (De Florio-Hansen 2019a: 94f; De Florio-Hansen 2019b: 15f).
Bei der Anbahnung und Ausgestaltung des Klassenmanagements in Verbindung mit dem Klassenklima ist die wissenschaftsbasierte Unterscheidung zwischen prospektivem und aktiv-reaktivem Klassenmangement auch für den Fremdsprachenunterricht sinnvoll:
Prospektive Aspekte beziehen sich auf die Regularitäten, die im Vorhinein festgelegt werden können sowie auf mögliche Anknüpfungspunkte an vorhandenes fachliches und überfachliches Wissen und Können.Das aktiv-reaktive Klassenmanagement betrifft die Ereignisse, die sich während des Unterrichts ergeben. Die Reaktionen der Lehrkräfte beruhen auf Erfahrung oder spontanem Verhalten (De Florio-Hansen 2018: 170-174). Es geht hauptsächlich um Strategien zur Differenzierung der Lernaufgaben oder die Unterstützung durch Scaffolding (Klewitz 2017).Auch das Grundbedürfnis der Lernenden nach Selbstbestimmung in Form von sozialer Eingebundenheit, Autonomie und Kompetenzerleben muss bei der Gestaltung des prospektiven sowie des aktiv-reaktiven Klassenmanagements berücksichtigt werden. (De Florio-Hansen 2019a: 95f)
Generell werden Motivation und Volition der Lernenden durch drei charakteristische Merkmale der Lehrperson begünstigt, nämlich durch
1. die unaufdringlichen Allgegenwart der Lehrkraft,
2. die Fähigkeit, die Übergänge von einer Lernaktivität zur nächsten möglichst reibungslos zu gestalten,
3. den mitreißenden Schwung der Lehrerin oder des Lehrers.
4.2.2 Festigung und Begründung der Lernziele
Bei der Festlegung und Begründung der Lernziele kommt es - wie bereits weiter oben dargestellt - darauf an, dass die Lernenden das Ziel und seine Notwendigkeit verstehen, also seinen (kommunikativen) Nutzen nachvollziehen können. Zudem müssen sie davon überzeugt sein, dass sie das Ziel erreichen können. Ohne Zweifel wirkt es motivationssteigernd, wenn die Schülerinnen und Schüler (soweit möglich) in die Unterrichtsplanung einbezogen werden. Hilfreich sind in jedem Fall advance organizers. Mit ihrer Hilfe werden die Lernenden darüber informiert, was sie am Ende der Lerneinheit sprachlich zu tun in der Lage sind ( z. B. erzählen, was und warum sie etwas gern tun, über Vergangenes berichten oder erläutern, wie weit sie ihre Privatsphäre in den sozialen Netzwerken preisgeben wollen). Auf diesen Vorgaben aufbauend, können die Schülerinnen und Schüler das anvisierte Ziel in für sie angemessene Lernschritte unterteilen und sich während des Lernprozesses Rechenschaft darüber ablegen, welche Teilkompetenzen sie bereits erreicht haben und wie sie ihre nächsten Lernschritte gestalten können.
Brohm zeigt in ihrem Fragebogen für Lehrkräfte, dass eine Aktivität oder Aufgabe (und somit auch deren Einführung) etwas Unerwartetes, Überraschendes enthalten sollte. Es geht also auch darum, einen passenden Aufhänger zu finden, wenn motivierendes Arbeiten und nachhaltiges Lernen angestrebt werden. Die ersten Minuten bzw. die Einführung einer neuen Lerneinheit wird von vielen Forschern als entscheidend angesehen (vgl. z.B. Geoff Petty 22009). Heath & Heath benennen die sechs wichtigsten Charakteristika eines wirkungsvollen Einstiegs: Er ist einfach, weckt Neugier, ist konkret und glaubwürdig, und vor allem ruft er Gefühle wach und eröffnet den Zugang zu neuen Lerninhalten möglichst auf der Grundlage von Geschichten:
Principle 1: Simplicity
When starting the lesson, the teacher, at best, focuses on the main point of the learning content in a simple and catchy way, e.g. recurring to examples, comparisons, and analogies taking the existing knowledge and skills of his or her students into account. It is, thus, the task of the teacher to find and prioritize the message.
Principle 2: Unexpectedness
To increase the motivation of the students, teachers should unfold the new learning content like the plot of a mystery. A good means to arouse the curiosity of the students is a story with a gap of knowledge that the learners feel to close. The gap is most meaningful when the students realize in advance that they need the knowledge to close the gap.
Principle 3: Concreteness
In order to enable the learners to enter information into their short-term memory and then store it in their long-term memory, the new content has to be presented as concrete a way as possible. Teachers are successful when recurring to actions or sensual experiences. That is to say, at the start of the lesson, abstractions and specialized terms should be avoided.
Principle 4: Credibility
This principle – perhaps less important for TEFL – means that students should be given the opportunity to test the information that the teacher wants to transmit. A good means are relationships and comparisons with other pieces of knowledge. You are more likely to be struck by lightning than to win the lottery”. (ibid.: 7)
Principle 5: Emotion
Not only at the start but also in the flow of the lesson it is important to evoke the feelings of the learners. Starting the lesson with an extract from a movie or a song that relates to the following content, skill, or attitudes is a teacher-proofed way that achieves good results. Another possibility is to show an enigmatic picture whose meaning the learners will discover during the flow of the lesson.
Principle 6: Stories
It is clear that every phase of a lesson or a teaching unit can profit from stories. At the beginning of the lesson a short narrative is often more effective than good explanations. A story touches parts of the brain that contribute to memorize the ideas behind the story. A narrative causes a sort of simulation. When the students hear a story about some hero or about a celebrity many of them imagine themselves in the place of this great personality. “Mental simulation is not as good as actually doing something – but the next best thing.”
(Heath & Heath 2010: 10)
Einige der genannten Prinzipien (besonders Prinzip 2, 5 und 6) seien anhand eines Beispiels aus der eigenen Unterrichtspraxis konkretisiert. Ohne den Lernenden das Thema der Unterrichtseinheit zu nennen (Clichés, stéréotypes et préjugés; De Florio-Hansen 2017: 153ff. wurde als Einstieg eine kurze Szene aus dem Dokumentarfilm Wodaabe – Die Hirten der Sonne von Werner Herzog (1989) vorgeführt. Der gewählte Ausschnitt enthält keinen Ton, sondern ist mit dem Ave Maria unterlegt. Eine Reihe junger Männer in weißen Gewändern bewegt sich vor einer Gruppe (meist) sitzender Frauen vor- und rückwärts. Die Frauen betrachten die Männer höchst aufmerksam. Diese bemühen sich, ihre schwarz umrandeten Augen möglichst weit aufzureißen, um sie besser zur Geltung zu bringen, und sie zeigen bei geöffnetem Mund ihre blendend weißen Zähne. Die Schülerinnen und Schüler tippten hinsichtlich dieser Szene u.a. auf eine Theaterprobe oder einen Geheimbund.
Sie waren höchst überrascht, als sie durch einen Kommentar aus dem Off im Anschluss an die Szene erfuhren, dass es sich um einen Schönheitswettbewerb in der Sahara handelt. Die schönsten Männer des Stammes präsentieren sich dort einmal im Jahr in der dargestellten Weise den Frauen, die – gleichgültig ob verheiratet oder unverheiratet – den Schönsten zum Sieger küren, um mit ihm in der folgenden Nacht ein Liebesabenteuer zu erleben. Die Lernenden erkannten nicht nur, dass sie voller Vorurteile über das Liebesleben afrikanischer Frauen waren, sondern auch, dass es in Bezug auf Schönheit große kulturelle Unterschiede gibt.
4.2.3 Kontinuierliches wechselseitiges Feedback
Feedback ist mit den Lernzielen auf das engste verknüpft: Die Ziele geben die wünschenswerte Richtung vor, während durch das Feedback herausgestellt wird, welche Ziele bereits erreicht sind. Feedback bezieht also stets auf (bisherige) Lernhandlungen und Lernergebnisse. Trotz seiner herausragenden Bedeutung wurde dem so wichtigen Feedback in Schule und Unterricht lange Zeit nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt (Überblick bei De Florio-Hansen 2014: 149ff). Die meisten Lehrpersonen beschränk(t)en sich auf das sogenannte summative Feedback. Bei dieser Form der Rückmeldung wird die Leistung des einzelnen Lernenden im Vergleich zu anderen Schülerinnen und Schülern der gleichen Lerngruppe anhand von Tests, Klassenarbeiten und Klausuren gemessen und bewertet, mit anderen Worten: Die in Noten ausgedrückten Resultate einer schriftlichen Arbeit und gelegentlich einer mündlichen Überprüfung werden den Lernenden – meist kommentarlos – bekanntgegeben. Dabei fehlen in der Regel konkrete Hinweise, wie einzelne Lernende ihre Leistungen verbessern können.
Erst der zunehmende Fokus auf dem formativen Feedback brachte motivationsfördernde Aspekte ins Spiel. Diese Form der Rückmeldung nimmt den individuellen Lernenden in den Blick. Formatives Feedback erfolgt in kürzeren zeitlichen Abständen und gestattet es dem Lernenden, gezielt an der Verbesserung seiner Leistungen zu arbeiten. Dies setzt voraus, dass das Feedback von dem jeweiligen Lernenden als individuelle Rückmeldung wahrgenommen wird. Es erfordert viel Fingerspitzengefühl seitens der Lehrperson, die Form der Rückmeldung zu finden, die den einzelnen Lernenden in seinem Tun bestätigt, gleichzeitig jedoch die wünschenswerten Veränderungen anstößt. Hattie spricht mit Recht von der Kunst des Feedbacks. „Überspitzt ausgedrückt, stellt summatives Feedback eine Art Abrechnung dar, während formatives Feedback durch Empathie bzw. Einfühlsamkeit motivationssteigernd und lernförderlich wirkt“ (De Florio-Hansen 2019a: 131). In ähnliche Richtung weisen die folgenden Vorschläge von Dörnyei, die wir zum Teil schon kennengelernt haben:
31. Promote effort attributions in your students.Encourage learners to explain their failures by the lack of effort and appropriate strategies applied rather than by their insufficient ability.Refuse to accept ability attribution and emphasise that the curriculum is within the learners’ ability range.32. Provide students with positive information feedback.Notice and react to any positive contributions from your students.Provide regular feedback about progress your students are making and about the areas which they should particularly concentrate on.
(Dörnyei 2001: 143f).
Besonders beachtenswert sind Dörnyeis Ausführungen zum summativen Feedback, denn auch diese Form der Rückmeldung kann – in der passenden Form kommuniziert – Handlungsbereitschaft, Willenskraft und Ausdauer fördern:
35. Use grades in a motivating manner, reducing as much as possible their demotivating impact.Make the assessment system completely transparent, and incorporate mechanisms by which the students and their peers can also express their views.Make sure that grades also reflect effort and improvement and not just objective levels of achievement.
(Dörnyei 2001: 144)
Seit der Jahrtausendwende zeigen Forschungsergebnisse, dass die Gegenüberstellung summativ vs. formativ nicht ausreicht, um den vielfältigen Formen von Rückmeldung im Unterricht Rechnung zu tragen. Eine wichtige Differenzierung besteht darin, die verschiedenen Richtungen des Feedbacks zu berücksichtigen und zu hinterfragen. Die geläufigste - aber keineswegs häufigste Form der Rückmeldung - ist das Feedback, welches Lehrpersonen ihren Schülerinnen und Schülern geben.
Viel öfter aber geben sich die Lernenden untereinander Rückmeldungen; dies gilt vor allem bei Kleingruppenarbeit. Daher bedarf auch diese Feedback-Form der kritisch-konstruktiven Betrachtung durch die Lehrperson und vor allem die Lernenden selbst. Das sogenannte Peer-Feedback muss thematisiert und mit den Schülerinnen und Schülern geübt werden, damit es seine motivationssteigernde Wirkung tatsächlich entfalten kann. Gerade an dieser Stelle ist das Lernen am Modell der Lehrperson von Bedeutung. Wird das Feedback, welches sie den Lernenden zuteil werden lässt, als hilfreich empfunden, werden diese sich bemühen, die eigenen Bemerkungen für ihre Peers nach und nach entsprechend zu gestalten.
Die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen unterstreichen auch die herausragende Bedeutung des Feedbacks der Lernenden für die Lehrperson. In der Praxis findet es aber kaum Anwendung, weil die Lernenden Sanktionen fürchten (müssen), wenn sie Kritik an ihrer Lehrerin oder ihrem Lehrer üben. Zugegebenermaßen ist es für Kinder und Jugendliche nicht leicht, Kritik am Unterricht ihres Englischlehrers oder ihrer Französischlehrerin in einer höflichen, aber dennoch deutlichen Form vorzubringen De Florio-Hansen 2018: 290ff; De Florio-Hansen 2019b: 381ff; auch das EMU-Projekt von Helmke 42012, 268-303).
Hattie & Timperley, die weltweit führenden Experten auf dem Gebiet des Feedbacks, nehmen noch weitere Differenzierungen vor, die sich ohne weiteres auf den Fremdsprachenunterricht übertragen lassen (Hattie & Timerley 2007; auch Hattie 2009; 2012). Sie unterscheiden zwischen:
Fokus (focus) (Lernziel)
|
Effekt (effect) (Lernaufgabe)
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Wohin will ich? (Feed Up)
Wie komme ich dorthin? (Feed Back)
Wohin als nächstes? (Feed Forward)
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Steuerung und Überwachung der Lernprozesse
Ziel: Selbstregulierung
|
Um die Lernwirksamkeit von Feedback für die Schülerinnen und Schüler - und in der Folge die Motivation - zu erhöhen, müssen sich Lehrpersonen folgende Fragen vorlegen:
Worauf soll sich das Feedback beziehen? Auf die Aufgabe, die Lernprozesse oder die Selbstregulierung?In welcher Form soll die Rückmeldung aufgrund der Bedürfnisse und Interessen der Lernenden erfolgen?In welchen Phasen des Unterrichts bzw. wie oft ist ein Feedback in einem spezifischen Lernkontext sinnvoll? (De Florio-Hansen 2014: 161)
Die Darstellung der verschiedenen Motivierungsstrategien zeigt, dass Fremdsprachenlehrkräfte eine Reihe von Möglichkeiten haben, um Motivation - d.h. die Handlungsbereitschaft und Willenskraft ihrer Schülerinnen und Schüler - zu fördern. Dabei sollten sie zum einen nicht vergessen, dass die Bereitschaft, etwas zu tun, und die konkrete Umsetzung durch den individuellen Lernenden unterschiedlicher Anregungen bedarf. Was das Modell der Lehrperson selbst angeht, wirken Lippenbekenntnisse oft nicht so überzeugend wie Taten.
5 Ausblick
Gleichgültig, wie groß der Einfluss von Fremdsprachenlehrkräften auf die Motivation und die Volition ihrer Schülerinnen und Schüler ist: Es geht letztlich immer darum, dass es den Lernenden mit Unterstützung der Lehrkraft zunehmend besser gelingt, ihre Handlungsbereitschaft - verbunden mit Willenskraft und Ausdauer - bei der Erlernung der jeweiligen Fremdsprache von sich aus zu steigern und aufrechtzuerhalten. Daher ist es sinnvoll, statt mit Appellen an Lehrkräften, mit einem Aufruf an Kinder und Jugendliche, insbesondere Fremdsprachenlernende, zu schließen, den Brohm an das Ende ihrer Publikation Motivation lernen stellt (Brohm 2012: 91 ff.):
Tipp 1Nimm dich selbst bewusst wahr. Frage dich öfter am Tag:Womit beschäftige ich mich gerade?Was denke ich gerade?Was fühle ich gerade? Tipp 2Wenn du deine Leistungen verbessern willst (z. B. in der Schule oder im Sport), überlege genau, was du erreichen willst, schreibe jeden kleinen Fortschritt auf und sei stolz auf deine Fortschritte! Tipp 3Wenn du etwas an dir selbst oder deinem Verhalten nicht magst, sprich mit der inneren Stimme deiner besten Freundin / denies besten Freundes zu dir selbst. Denke darüber nach, was sie / er sagen würde. Tipp 4Finde bei Erfolgen die Ursache in dir selbst, gehe bei Misserfolgen davon aus, dass du die Situation positiv verändern kannst. Tipp 5Suche dir ein Umfeld (Verein, Freunde …), in dem du dich akzeptiert und wertgeschätzt fühlst. Gib in deinem Umfeld (Klasse, Familie …) anderen Menschen Anerkennung und Wertschätzung. Tipp 6Setze dir Ziele, um deine Persönlichkeit zu entwickeln und deine Ideen in verschiedenen Lebensbereichen zu verwirklichen (z.B. Schule, Familie, Freunde, Sport, Musik). Tipp 7Wenn du dir ein Ziel setzt, formuliere esschriftlich,selbstbestimmt erreichbar,klar und konkret,messbar,positiv formuliert,mit Endtermin,realistisch. Aber herausfordernd,gegenwartsorientiert. Tipp 8Sei aufmerksam und bleibe es!Sei motiviert und bleibe es!Habe während des Arbeitens gute Gefühle, und lass dich auch von Misserfolgen nicht aus der Bahn werfen!Richte deine Umgebung so ein, dass du sehr gut darin arbeiten kannst! Tipp 9Um erfolgreich und zielorientiert arbeiten zu können, ist es wichtig mit einer positiven Arbeitshaltung an die Aufgaben zu gehen. Um das zu erreichen, kannst du dich beispielsweise freudig verhalten, die Aufmerksamkeit auf positive Aspekte richten, Entspannungsübungen durchführen, dir ausmalen, wie es ist, wenn du die Aufgabe erfolgreich abgeschlossen hast, und mit Humor an die Sache herangehen. Tipp 10Feiere deine Erfolge!
Nicht ohne Grund enden meine Ausführungen mit Appellen an die Schülerinnen und Schüler selbst. Nur wenn sie handeln und vor allem, wenn sie die vorhandenen Motivierungsstrategien ausschöpfen, werden sie dauerhaft Freude am Fremdsprachenlernen haben.
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Autorin:
Prof. Dr. Inez De Florio-Hansen
Universität Kassel
Fachbereich 02: Geistes- und Kulturwissenschaften
Kurt-Wolters-Str. 5
34125 Kassel
Deutschland
E-Mail: inezdeflorio@t-online.de