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JLLT edited by Thomas Tinnefeld

Journal of Linguistics and Language Teaching

Volume 13 (2022) Issue 1



Codeswitching – Ergebnisse einer Studie in der albanischen Sprachgruppe in Deutschland und der Schweiz



Naxhi Selimi (Goldau, Schweiz), Basil Schader (Zürich, Schweiz) & Andrea Cantieni (Goldau, Schweiz)



Abstract (English)

Code-switching in the Albanian community in Germany and Switzerland, which has existed for more than five decades and now comprises three generations (G1-G3), has not been explored sufficiently. This article provides insights into bilingual practice and the code-switching associated with it. For this purpose, representatives of all three generations (N=120) were interviewed. The quantitatively collected and contrastively discussed data document that all three generations of the Albanian community in Germany and Switzerland used code-switching and that the groups in both countries did not differ in this respect. As expected, G1 recorded lower values than G2 and G3. The data indicate that our respondents used both the functional-pragmatic and lexical-compensatory and the demonstrative language-identity facets of code-switching. Moreover, certain features of code-switching were found in several of these forms. A contrastive comparison of our data with those of Schader (2006) shows that the G3 clearly uses code-switching in the public sphere much more consciously today than was the case at the beginning of this millennium. 

Keywords: Code-switching, Albanian, code-mixing, multilingualism, heritage language


Abstract (Deutsch)

Über das Codeswitching der drei Generationen (G1-G3) umfassenden albanischen Sprachgruppe in Deutschland (D) und der Schweiz (CH) ist wenig bekannt, was die letzten fünfzehn Jahre betrifft. Der vorliegende Beitrag ermöglicht Einblicke in die bilinguale Praxis und das damit zusammenhängende Codeswitching. Hierzu wurden Personen aller drei Generationen (N=120) befragt. Die quantitativ erhobenen und kontrastiv diskutierten Daten dokumentieren, dass alle drei Generationen der albanischen und Community in Deutschland und der Schweiz Codeswitching verwenden und dass sich die beiden Ländergruppen diesbezüglich nicht wesentlich unterscheiden. Erwartungsgemäß verzeichnet die G1 tiefere Werte als die G2 und G3. Die Daten weisen darauf hin, dass unsere Befragten sowohl die funktional bzw. palliativ-pragmatischen und lexikalisch-kompensatorischen als auch die demonstrativ-sprachidentitätsstiftenden Facetten des Codeswitching verwenden und dass gewisse Merkmale dieses Phänomens in mehreren Formen zu finden sind. Eine kontrastive Gegenüberstellung unserer Daten mit jenen von Schader (2006) zeigt, dass die G3 heute Codeswitching im öffentlichen Raum deutlich bewusster verwendet als dies zu Beginn dieses Millenniums der Fall war.

Stichwörter: Codeswitching, Albanisch, Sprachmischung, Mehrsprachigkeit, Herkunftssprache




1   Einleitung

Codeswitching wird durch das Aufeinandertreffen mehrerer Sprachen und Varietäten in einem Areal und durch bestimmte Kontexte ausgelöst (Veith 2005: 205, Lüdi 2004: 341). Innerhalb der albanischen Sprachgruppe Deutschlands und der Schweiz bezieht sich das kontaktbedingte Codeswitching auf beide Sprachen (Albanisch-Deutsch) sowie deren Varietäten, z.B. zwischen dem Standardalbanischen und den Dialekten Toskisch und Gegisch (1) oder zwischen dem Schweizerdeutschen und dem Hochdeutschen. Die in Kontaktszenarien eingebundenen Varietäten und das damit verbundene Codeswitching enthalten dabei eine bedeutsame soziale Komponente und sind Ausdruck der Identifikation eines Sprechers oder einer Sprecherin mit anderen Sprechern (2) eines bestimmten Areals. In informellen lokalen Beziehungen haben die Dialekte einen hohen sozialen Stellenwert, während die jeweilige Standardvarietät je nach Kontext mit Macht, Bildung und Rangunterschied konnotiert wird (Blom & Gumperz 1986: 433f). 

Für die albanische Community, um die es hier geht, ist Codeswitching als Phänomen nicht neu, weil sie dieses bereits in ihren multilingualen Herkunftsländern praktizierte – sei es innerhalb der Familie, sei es im Schul- und Arbeitsalltag (Ibrahimi 2018: 84 und 267-269). Wie sie derzeit Codeswitching entlang dreier Generationen (G1-G3) im deutschsprachigen Raum praktiziert, ist weitgehend unbekannt bzw. unerforscht. Abgesehen von den Untersuchungen von Schader (2005, 2006) mit albanischen Kindern und Jugendlichen, auf die wir punktuell Bezug nehmen, sind uns keine nennenswerten Studien über den bilingualen Modus und das damit verbundene Codeswitching bekannt. 

In dem vorliegenden Beitrag (3) möchten wir dieser unbefriedigenden Forschungssituation Rechnung tragen und uns der Frage annehmen, wie sich das kontextuell gebundene Codeswitching der Befragten (N=120) manifestiert und wie sich unsere Ergebnisse mit Blick auf Schaders Befunden (4) und die Aussagen aus der einschlägigen Literatur verhalten.  

Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, einen datenbasierten Einblick in das Codeswitching der albanischen Community in Deutschland und der Schweiz zu ermöglichen und somit eine Grundlage für weitere Forschungen zu schaffen, die wiederum einem besseren Verständnis der Sprachpraxis dieser Gruppe im deutschsprachigen Raum dient. Unsere zunächst deskriptiv dargestellten und anschließend qualitativ interpretierten soziolinguistischen Ergebnisse setzen wir trotz gewisser Einschränkungen hinsichtlich Stichprobengröße, Fragestellung, soziodemografischer Daten, der untersuchten Generationen und weiterer, mit dem bilingualen Sprachmodus zusammenhängenden Variablen punktuell in Bezug zu den allerdings älteren Ergebnissen Schaders (2006: 335-406), die dieser mit albanischen Kindern und Jugendlichen (N=1084) in der Schweiz realisierte. 

Diesem Ziel liegt die Annahme zugrunde, dass die G2 und die G3 in Deutschland tendenziell häufiger von Codeswitching Gebrauch macht als die entsprechenden Generationen in der Schweiz. Unsere Annahme begründet sich primär durch die intakte soziale Vernetzung innerhalb der albanischen CH-Sprachgruppe, das sprachlich-kulturelle Angebot, die Wohnsituation in dicht besiedelten Ballungszentren (z.B. in den Kantonen Zürich, Bern, Genf) und die Gruppengrösse (3,3 % der CH-Gesamtbevölkerung vs. 0,7 % der deutschen Bevölkerung; BFS 2019, Statistisches Bundesamt 2020). Dies heißt, dass die G2 und G3 der CH-Gruppe grundsätzlich über bessere herkunftssprachliche Kompetenzen verfügen und in Alltagsgesprächen weniger Gebrauch von Codeswitching machen als die deutsche Gruppe.


2   Theoretischer Abriss

In Abhängigkeit von Person, Situation und Thema wird in einem mehrsprachigen Areal zwischen den jeweils zur Verfügung stehenden Sprachsystemen (codes) umgeschaltet und so kommt es zum Codeswitching (Veith 2005: 206). In einem heterogenen sprachlichen und sozialen Umfeld werden Kodewechsel in der gesprochenen Sprache variabel vor allem auf der lexikalisch-semantischen, aber auch morphosyntaktischen Ebene eingesetzt und erfüllen eine sprachstrukturelle, sozialinteraktive und identitätsstiftende Funktion (Stavans & Hoffmann 2015: 175, Ahearn 2012: 129, Auer & Hakimov 2020: 5, Knospe 2014: 300, Riehl 2013: 384-390) (5). Als Konstrukt ist das Codeswitching Bestandteil der Kommunikation und lernbar – ähnlich wie die sozialen Rollen, die ein Individuum erwirbt und als Bündel öffentlich anerkannter Formen in der Interaktion mit anderen manifestiert (Bernstein 1986: 473-474).

Das von diversen Variablen und Kontexten abhängige Codeswitching (6) ist eine der Formen einer lebendigen Mehrsprachigkeitspraxis und erfüllt je nach Typus unterschiedliche Zwecke und Funktionen (z.B. Sprachvariation, mehrdimensionale Konversation oder auch Sprachlücken-Management). Auf der morphosyntaktischen Ebene kann das Kodewechsel-Phänomen innerhalb desselben Satzes oder zwischen Sätzen auftauchen. Auf der soziopragmatischen Ebene zeigt das Phänomen sich in Abhängigkeit der realisierten Nähe, Distanz und des Verhältnisses der Gesprächspartner zueinander sowie weiterer relevanter Aspekte als Konvergenz- oder Divergenzmarkierung (Roche 2013: 182-185). Zudem erfüllt es eine stilistisch-rhetorische, eine pragmatisch-diskursive und eine kognitive Funktion. Die erste Funktion dient dem Gespräch, die zweite markiert adressatentypische Routinen, die dritte hängt mit den Kompetenzaspekten zusammen und manifestiert sich in der Interaktion, z.B. zwischen den Grosseltern und ihren Enkeln in der Diaspora (Hinnenkamp 2005: 75). 

Blom & Gumperz unterscheiden zwischen dem situativen und metaphorischen Sprachwechsel und definieren diese Formen wie folgt: 

The notion of situational switching assumes a direct relationship between language and the social situation. The linguistic forms employed are critical features of the event in the sense that any violation of selection rules changes members' perception of the event. A person who uses the standard where only the dialect is appropriate violates commonly accepted norms. (Blom & Gumperz 1986: 424) 

Codeswitching ist facettenreich und umfasst verschiedene Aspekte und Funktionen: 

Code-switching between two languages, dialects, or social registers can index different processes involved in a person’s ethnic, racial, gender, and/or socioeconomic identity formations and can have different social or even moral connotations, depending on the situation. (Ahearn 2012: 29) 

Im Migrationskontext kann Codeswitching, wie weiter oben skizziert, auf den verschiedenen Sprachebenen markiert oder fliessend auftreten; die eingeschobenen Wörter, Sätze oder Satzfragmente können in morphosyntaktischer, aber auch phonologischer Hinsicht mit der Herkunftssprache der Sprecher übereinstimmen Poplack 1993: 255-256). An anderer Stelle führt Poplack aus:

Code-switching, constituent insertion and nonce borrowing are all (potentially) ways of alternating two languages smoothly within the sentence and in this, all contrast with flagged switching. (ibid.:  281) 

Sprecher wechseln den Code primär funktional, um kreativ-spielerisch zu kommunizieren, aber auch um fehlende Wörter bzw. Sprachlücken kompensatorisch zu schließen, wenn sie mit bestimmten Personen über bestimmte Themen sprechen (Selimi 2019: 98-104; Stavans & Hoffmann 2015:154). Ein aktiver Gebrauch von Mischvarietäten im Sinne konventionalisierter Verschmelzungen (fused lects; Auer & Hakimov 2020: 6) kommt im Falle unseres Forschungsfeldes weniger vor. Allerdings erfahren vor allem die in der Schweiz lebenden Sprecher alltäglich sowohl den Wechsel von einer albanischen Varietät zur anderen als auch die diglossische Realität, die beim Wechsel des sozialen Umfelds eines Individuums erfolgt (Ahearn 2012: 129, Bernstein 1986: 495). Die jeweils aktuelle Kommunikationsfunktion ist dabei der Schlüssel, um das Codeswitching zu kategorisieren.

Die Wechselbeziehung verschiedener Variablen und sozialer Kontexte können die semantische Wirkung des metaphorischen Codeswitching beeinflussen:

The context in which one of a set of alternates is regularly used becomes part of its meaning, so that when this form is then employed in a context where it is not normal, it brings in some of the flavor of this original setting. (Blom & Gumperz 1986: 425) (7)

Aus dem Skizzierten und der Zusammenschau der Faktoren in Schader (2006: 357f) stellt Codeswitching in der bilingualen Praxis der albanischen Community in Deutschland und der Schweiz ein komplexes Phänomen dar, das wegen der Fülle der involvierten Determinanten kaum ein klares Profil erlaubt.   


3   Methode

3.1 Stichprobe und Aufnahmebedingungen

Demografischen Daten zufolge stammen die im Pyramidenprinzip rekrutierten Befragten (N=120) dreier Generationen (je 40 Personen pro Generation, G1-G3) vorwiegend aus Kosova (78 %) und Nordmazedonien (15 %) – die restlichen 7 % stammen aus Albanien und Südserbien. Die 62 Frauen und 58 Männer im Alter zwischen 12 und 69 Jahren, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung mehrheitlich über einen Grund- und Mittelschulabschluss verfügten, lebten als Lernende, Studierende, Angestellte, Selbstständigerwerbende und Rentner im Raum München (Deutschland) und Zürich (Schweiz). 

Die einzeln kontaktierten Befragten wurden nach folgenden Kriterien aufgenommen: 

  • Alle sollten Albanisch und Deutsch sprechen.

  • Zur G1 zählten Befragte, die als Erwachsene einreisten, zur G2 jene, die bei der Einreise unter zwölf Jahre alt waren und zur G3 solche, die in Deutschland oder der Schweiz geboren wurden und von Anfang an die hiesige Schule besuchen. 

  • Geschlecht, Ausbildung und Beruf wurden nicht als Aufnahmebedingungen definiert. 


3.2 Instrument, Erhebung und Auswertung der Daten

Die Daten wurden mittels eines auf Albanisch und Deutsch verfassten und vor der Haupterhebung in einem Pretest erprobten Online-Fragebogens (8) erhoben. Die sechs Items bezüglich des Codeswitching wurden in Anlehnung an das Likert-Verfahren in einer fünfstufigen Ratingskala mit ‘stimmt’ bis ‘stimmt nicht’, mit der Zusatzkategorie ‘weiss nicht’ beantwortet (z.B. Schumann 2019: 37-40).

Die Datenerhebung erfolgte online zwischen September 2019 und Mai 2020. Alle Personen, denen die Projektziele erklärt wurden und die einer Befragungsteilnahme zustimmten, erhielten individuell via E-Mail den Link zum Fragebogen. Alle kontaktierten Personen füllten den Online-Fragebogen aus – somit wurde eine Rücklaufquote von 100 % erreicht.

Die Daten wurden mit Hilfe der R-Software ausgewertet. (9)


4   Ergebnisse

Aus Platzgründen werden nachstehend die Prozentpunkte der Kategorien ‘stimmt’ und ‘stimmt eher’ zunächst subsumierend dargestellt und im darauffolgenden Kapitel kontrastiv diskutiert.

 

4.1 Lexikalisch bedingtes Codeswitching

Unseren Daten zufolge sind für 66 % der in der Schweiz lebenden G1 und für 60 % der in Deutschland lebenden G1 fehlende Wörter im Albanischen oder Deutschen die Ursache für Sprachmischungen. Dieser Meinung waren auch 87 % der in der Schweiz ansässigen G2 und 75 % der in Deutschland ansässigen G2. 82 % der in der Schweiz lebenden G3 und 89 % der in Deutschland lebenden G3 machten ebenfalls die fehlenden Wörter, die zum Teil auch Lücken im lexikalischen Inventar beider Sprachen (Albanisch-Deutsch) darstellen, für das Codeswitching verantwortlich. Die Werte der befragten Gruppen beider Länder unterschieden sich dabei geringfügig voneinander. Die G1-Werte hingegen unterschieden sich erheblich von jenen der G2 und G3. Bei der in der Schweiz ansässigen Gruppe waren die Werte der G2 um 21 und jene der G3 um 16 Prozentpunkte höher als bei der G1. Bei der in Deutschland lebenden Gruppe waren die Werte der G2 um 15 und diejenigen der G3 um 29 Prozentpunkte höher als die entsprechenden G1-Werte:

Abb. 1: Durch individuelle lexikalische Lücken bedingtes Codeswitching


4.2 Gespräch mit albanischen Freunden in den sozialen Medien 

Im Gespräch mit albanischsprachigen Freunden wechselt weniger als ein Drittel (29 %) der in der Schweiz beheimateten G1 und knapp die Hälfte (47 %) der in Deutschland beheimateten G1 zwischen den Sprachen hin und her. Diesbezügliche Werte der schweizerischen G2 lagen bei 74 %, diejenigen der deutschen G2 bei 66 %. Knapp zwei Drittel (61 %) der in der Schweiz wohnhaften G3- und fast drei Viertel (73 %) der in Deutschland wohnhaften G3-Befragten gaben an, die Sprachen in der medialen Interaktion mit Freunden zu vermischen. Mit 18 Prozentpunkten Unterschied war das Codeswitching in der in Deutschland wohnenden G1 deutlich präsenter als in der entsprechenden Gruppe in der Schweiz. Bei den G2- und G3-Gruppen beider Länder hingegen waren die Unterschiede kleiner: bei den schweizerischen G2: 8 Prozentpunkte höher und bei der G3 in Deutschland: 12 Prozentpunkte höher. Innerhalb der drei schweizerischen Generationen waren die Werte der G2 um 45 und diejenigen der G3 um 32 Prozentpunkte höher als jene der schweizerischen G1. Die deutschen G2-Werte waren um 19, jene der deutschen G3 um 26 Prozentpunkte höher als bei der deutschen G1:

Abb. 2: Codeswitching bei Gesprächen mit albanischen Freunden in den sozialen Medien


4.3 Interaktionen anlässlich von Besuchen bei Freunden

Während der Interaktion mit albanischsprachigen Freunden bei gegenseitigen Besuchen zu Hause mischen nach eigenen Angaben 38 % der schweizerischen Befragten der G1 und genau die Hälfte (50 %) der deutschen G1-Befragten ihre Sprachen. Auch 79 % der schweizerischen G2 und 71 % der deutschen G2 gaben an, anlässlich solcher Begegnungen zwischen den Sprachen zu hin- und herwechseln. Bei der schweizerischen G3 waren es 74 %, bei der deutschen G3 58 %, die Codeswitching angaben. Beim Generationenvergleich innerhalb der einzelnen Gruppen verzeichnete die schweizerische G1 gegenüber der schweizerischen G2 um 41 Prozentpunkte, gegenüber der schweizerischen G3 um 36 Prozentpunkte tiefere Werte. Die deutschen G1-Werte waren um 21 Prozentpunkte tiefer als jene der deutschen G2 und um 20 Prozentpunkte tiefer als die deutschen G3-Werte (Abb. 3). 

Abb. 3: Codeswitching im Gespräch mit Freunden bei Besuchen zu Hause


4.3 Besuche bei Verwandten

Auf die Frage zum Codeswitching anlässlich ihrer Besuche bei Verwandten gaben knapp ein Viertel der Befragten (24 %) der schweizerischen G1 und ein Drittel (33 %) der deutschen Befragten der G1 an, davon Gebrauch zu machen. Bei den Vertretern der schweizerischen G2 waren es 60 %, bei denjenigen der deutschen G2 62 %. Etwas niedriger waren die Werte der schweizerischen G3 (52 %) und der deutschen G3 (50 %). Nach Ländergruppen verteilt, waren die deutschen G2-Werte um 36 und jene der deutschen G3 um 28 Punktwerte höher als diejenigen der schweizerischen G1. Die Werte der deutschen G2 lagen um 29 und jene der deutschen G3 um 20 Prozentpunkte über denjenigen der deutschen G1: 

Abb. 4: Codeswitching bei Verwandtenbesuchen in Deutschland und der Schweiz 


4.4 Besuche bei deutschen bzw. schweizerischen Familien

Die Antworten auf diese, an G2- und G3-Befragte gerichtete Frage, ergaben, dass 30 % der schweizerischen G2- und 40 % der deutschen G2-Befragten von der Sprachmischung Gebrauch machten, wenn sie während ihrer Besuche bei ihren deutschsprachigen Familien mit den eigenen Eltern kommunizierten. Bei der schweizerischen G3 waren es 43 %, bei der deutschen G3 45 %. Im Vergleich unterschieden sich die Gruppen nur wenig voneinander: 

Abb. 5: Sprachmischung bei Besuchen in deutschen bzw. schweizerischen Familien


4.5 Codeswitching im öffentlichen Raum

Um die bilinguale Praxis der Befragten besser zu verstehen, interessierte uns auch das Codeswitching im öffentlichen Raum, besonders vor dem Hintergrund der Wahrung von Diskretion während der Unterhaltung. Den Antworten zufolge wenden 38 % der schweizerischen G1- und 46 % der deutschen G1-Befragten dieses entsprechend an. In der Gruppe der schweizerischen G2-Befragten waren es 48 %, in derjenigen der deutschen G2-Befragten über zwei Drittel (67 %). Diesbezügliche Werte der schweizerischen G3- und der deutschen G3-Befragten waren höher und lagen bei 74 % bzw. 78 %. Unterteilt in Ländergruppen, machte der Wertunterschied in der Gruppe der schweizerischen G2-Befragten 10 Prozentpunkte und in derjenigen der schweizerischen G3-Befragten 36 Prozentpunkte aus. Die deutschen G2-Werte lagen dabei 21 und jene der deutschen G3 32 Prozentpunkte höher als die DE-G1-Werte:

Abb. 6: Codeswitching im öffentlichen Raum


5   Diskussion

Die hier diskutierten Ergebnisse betreffen das Codeswitching der albanischen Sprachgruppe (N=120) Deutschlands und der Schweiz in verschiedenen Kontexten (lexikalisch motiviert, im Gespräch mit Freunden, Eltern, Bekannten und als bewussten Kodewechsel im öffentlichen Raum). Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Unterschiede entlang dreier Generationen (G1-G3) beider Ländergruppen (Schweiz und Deutschland) gerichtet. Die Befunde werden hier punktuell in Bezug zu den Ergebnissen von Schader (2005, 2006) und der einschlägigen soziolinguistischen Literatur gesetzt und im Kontext der Fragestellung dieses Aufsatzes diskutiert.  

Die an unserem Projekt beteiligten Gruppen stammten in ihrer breiten Mehrheit aus Kosovo und Nordmazedonien und stellten hinsichtlich ihrer Herkunftssprache eine weitgehend homogene Gruppe dar. Auch hinsichtlich der Verweildauer in den Aufnahmeländern – der Schweiz und Deutschland – gibt es keinen nennenswerten Gruppenunterschied: Die G1-Befragten stellen seit über fünf Jahrzehnten eine Migrationsgruppe in den Zielländern dar. Wohndichte, soziale Netze, Diglossie und das herkunftssprachliche und -kulturelle Angebot sind – so unsere auf Angaben der Statistischen Ämter Deutschlands und der Schweiz gestützte ursprüngliche Hypothese – ausgeprägter in der Schweiz und können sich auf das Codeswitching stärker auswirken als bei der deutschen Gruppe. 

Unsere Ergebnisse dokumentieren zunächst, dass alle drei Generationen der albanischen Sprachgruppe in Deutschland und der Schweiz zwischen den Sprachen hin und herwechseln. Die Befragten beider Ländergruppen verwenden sowohl die funktional- bzw. palliativ-pragmatischen und lexikalisch-kompensatorischen als auch die demonstrativ-sprachspielerischen Facetten des Codeswitching, und gewisse Merkmale des Codeswitching finden sich in mehreren dieser Ausprägungen. Ausgehend von der Tatsache, dass die G1-Befragten erst als Erwachsene nach Deutschland bzw. in die Schweiz kamen und die Schule in ihrer Heimat besucht haben, ist bemerkenswert, dass etwa zwei Drittel (Schweiz: 66 %, Deutschland: 60 %) der G1-Befragten die Sprachen wegen des unzureichenden Vokabulars vermischen und dabei fehlende Wörter in der einen durch Wörter der anderen Sprache ersetzen. In diesem Zusammenhang sei auf die kontaktbedingten Transfer-Erscheinungen verwiesen, die auf der lexikalisch-semantischen Ebene auftreten und Wörter oder Wortbedeutungen in die Nehmersprache integrieren können (Riehl 2014, Dereli 2006). Erwartungsgemäß vermischen über drei Viertel der Befragten der G2 und G3 beider Länder ihre Sprachen (Albanisch und Deutsch) aus lexikalischen Gründen. Bei der schweizerischen Gruppe fällt auf, dass die Differenz zwischen den Befragten der G1 und G2 mit einem Unterschied von 21 Prozentpunkten größer war als diejenige zwischen den Befragten der G1 und G3 – diese betrug lediglich 16 Prozentpunkte. Schader (2006: 351) fand in seiner breit angelegten Studie (N=1084) heraus, dass albanische Kinder und Jugendliche, die im Herkunftsland schulisch sozialisiert wurden, öfter zwischen den Sprachen wechseln als jene, die vom Kindergarten an in der Schweiz beschult wurden und in der Familie oder im ergänzenden Unterricht Albanisch erwarben. Ausgehend von diesem Befund erklärt sich der Unterschied zwischen den obigen Werten der drei in der Schweiz lebenden Generationen. Allerdings ist diese Erklärung kritisch zu bewerten, da die Differenz zwischen der G1 und der G2 (15 Prozentpunkte) sowie zwischen der G1 und der G3 (29 Prozentpunkte) der deutschen Gruppe das Gegenteil der schweizerischen Gruppe belegt. Eine weiterführende Diskussion dieser Pattsituation erlauben zwar unsere Daten nicht. Sie lassen jedoch hypothetisch im Hinblick auf das Albanische die Aussage zu, dass der häufigere Wechsel der deutschen G3-Befragten mit dem mangelnden Selbstkonzept und Gebrauch des schriftsprachlichen Albanischen zusammenhängen könnte. Heranwachsende mit einem guten Selbstkonzept in der Herkunftssprache – damit ist die realistisch eingeschätzte herkunftssprachliche Kompetenz gemeint – wechseln die Sprache seltener als jene mit geringeren Kompetenzen im Albanischen (Schader 2006: 248). Als eine andere mögliche Interpretation drängt sich auf, dass die höchsten Differenzwerte zwischen der G1 beider Länder und der deutschen G3 insofern trivial sind, als Letztere von Geburt an in Deutschland und der Schweiz ortsansässig sind und die Heimat ihrer Eltern und Großeltern nur aus dem Urlaub kennen. Als Konsequenz sind bei einem großen Teil der G2- und G3-Befragten die Einflüsse des Deutschen auf das Albanische stärker als umgekehrt und erstrecken sich nicht nur auf die lexikalisch-semantische, sondern auch auf die morphosyntaktische Ebene. Hinsichtlich einer Untermauerung dieser Interpretation bedarf es jedoch weiterer qualitativer Analysen; unsere quantitativen Daten erlauben wegen der nicht allzu robusten Stichprobe keine weiterführende Erörterung. Wagt man einen Vergleich unserer G2- und G3-Ergebnisse mit jenen von Schader (2006: 344f), so stellt sich trotz gewisser Einschränkungen – Schaders diesbezügliche Frage bezog sich beispielsweise nicht spezifisch auf das Vokabular, sondern allgemein auf die Häufigkeit des Codeswitching und richtete sich vorwiegend an albanische Kinder und Jugendliche (N=1084), die dazumal vorwiegend der zweiten Generation angehörten – heraus, dass die Befragten der G2 und G3 unseren Daten zufolge deutlich stärker zwischen dem Albanischen und Deutschen hin- und herwechseln. Gemäß Schaders Ergebnissen praktizierten 28,1 % der Befragten das Codeswitching häufig, 26.3 % mittelhäufig und 45,6 % selten bis nie. Dieser Unterschied lässt sich gegebenenfalls mit der Verweildauer, dem Alter, der Integration, dem sprachlichen Selbstkonzept, den grundlegend veränderten Familienstrukturen und den politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen im Herkunftsland erklären: Kosova ist seit 2008 der jüngste unabhängige Staat Europas, und die Befragten erachten ihre Herkunftssprache nicht mehr als von der Assimilation durch andere Sprachen gefährdet. Das zahlenmäßig stark abnehmende Interesse albanischer Kinder und Jugendlicher am Herkunftssprachlichen Albanischunterricht in Deutschland und der Schweiz ist ein weiteres Indiz für einen Zusammenhang zwischen den genannten Gründen und dem Codeswitching (Selimi & Cantieni 2021). Abschließend sei darauf hingewiesen, dass das durch fehlende Wörter evozierte Codeswitching nicht per se mit unzureichenden lexikalischen Fertigkeiten gleichgesetzt werden darf. Die Grenze zwischen rezeptiv und produktiv zur Verfügung stehendem Vokabular ist fließend und Wörter, die aktiv wenig gebraucht werden, bleiben im rezeptiven Teil des mentalen Lexikons gespeichert, bis man sie durch deren konkreten Gebrauch im Alltag wieder reaktiviert (Aitchison 2004: 51f, 71).   

Unseren Daten zufolge wechseln die G1-Befragten weniger zwischen den Sprachen hin und her, wenn sie mit ihren Freunden über die Sozialen Medien kommunizieren. Die diesbezüglichen Werte der schweizerischen G1 sind um 18 Prozentpunkte niedriger als jene der deutschen G1, deren Werte bei 47 % liegen. Im Vergleich sind die deutschen G1-Werte leicht niedriger, jene der deutschen G1-Befragten hingegen höher als die von Schader, die bei rund 35 % liegen (2006: 350). Die Differenz zwischen der schweizerischen G1-Beffragten und der deutschen G1-Befragten lässt sich vorsichtig damit erklären, dass erstere in dichteren Wohnsiedlungen leben und innerhalb der eigenen Community besser vernetzt sind als die albanische Community in Deutschland. Damit verbunden, könnten häufigere Erstsprachenkontakte, aber auch der sprachsoziale Druck innerhalb der eigenen Community ebenfalls eine Rolle spielen – die Gesprächspartner dieser Generation erwarten unter anderem aus sprachbewahrenden Gründen gegenseitig eine aktive Pflege der eigenen Herkunftssprache. Anders als die im Herkunftsland sprachlich sozialisierte G1, wechseln die G2 und G3 beider Länder erwartungsgemäß deutlich stärker zwischen Deutsch und Albanisch hin und her, wenn sie mit ihren Freunden über die sozialen Medien interagieren. Hierzu erreicht die schweizerische G2 mit einem Unterschied von 45 Prozentpunkten zur schweizerischen G1 Spitzenwerte, gefolgt von der deutschen G3 mit 32 Prozentpunkten zu der deutschen G1. Dieser Unterschied der für die G2- ermittelten Werte in der schweizerischen Gruppe ist gewissermaßen ein verzerrter Ausrutscher; wäre ein solch markanter Unterschied bei der schweizerischen G3 aufgetreten, so hätte dies weniger überrascht, da diese Befragten seit ihrer Geburt in der Schweiz leben. 

Analog zur medialen Kommunikation wechseln die G1-Befragten beider Länder die Sprachen weniger häufig als die G2- und die G3-Befragten, wenn sie mit ihren albanischsprachigen Freunden bei gegenseitigen Besuchen zu Hause interagieren. Im Vergleich dazu verzeichnet die deutsche G1-Gruppe auch hier um zwölf Prozentpunkte höhere Werte als die schweizerische G1-Gruppe. Zuoberst auf der Liste steht die schweizerische G2 mit einem Unterschied von 41 Prozentpunkten gegenüber der schweizerischen G1, gefolgt von der schweizerischen G3 mit einer Differenz von 36 Prozentpunkten gegenüber der schweizerischen G1. Inwiefern die Schweizer Diglossie den Codewechsel der G2 und G3 im Sinne des sogenannten  Sprachtransfers (Riehl 2014) beeinflussen könnte, wird als mögliche Vermutung nicht ausgeschlossen, lässt sich jedoch hier nicht weiterführend analysieren und nachvollziehbar interpretieren. Unbeantwortet bleibt zudem die Frage, ob die Befragten hier das Sprachmischen auf einzelne lexikalische Insertionen oder als Sprachwechsel in ganzen Redepassagen meinen; diese Frage kann gegebenenfalls durch eine vertiefte linguistische Analyse der erhobener Interview-Daten geklärt werden, die hier jedoch aus Platzgründen nicht berücksichtigt werden können.

Nur knapp ein Viertel (24 %) der schweizerischen G1-Befragten und genau ein Drittel (33 %) der deutschen G1-Befragten verwendet nach eigenen Angaben das Codeswitching während ihrer Besuche bei den Verwandten. Diese zurückhaltende Anwendung des Codeswitching stimmt mit dem oben referierten Ergebnis hinsichtlich der tendenziellen Minimisierung des Codeswitching durch die G1-Befragten bei ihren Kontakten mit Freunden überein. Zeitgleich stehen aber diese niedrigen Werte und die weiter oben diskutierten, relativ hohen lexikalisch motivierten Werte derselben Gruppe in Widerspruch zueinander und bedürfen einer Erklärung: Möglicherweise passen sich die G1-Befragten dem intensiven Codeswitching bzw. dem bilingualen Sprachmodus ihrer Kinder und Enkel an und wechseln die Sprache in der Kommunikation mit ihren Familienmitgliedern öfter als mit Freunden und Verwandten, denen gegenüber sie ihre sprachmischungsskeptische bzw. sprachpuristische Haltung demonstrieren wollen. Sollte dieser Erklärungsversuch zutreffen, müssten wir von einer neuen Dimension des Codeswitching sprechen, die sich seit Schaders Untersuchungen zu Beginn dieses Millenniums fortwährend entwickelt haben muss – damals meldeten nur rund ein Drittel der von ihm befragter Eltern Codeswitching innerhalb der eigenen Familie zurück (Schader 2006: 350). Zu erinnern ist daran, dass viele albanische Familien Ende der 1990er Jahre in die Schweiz kamen und vermutlich am Anfang wegen ihrer unzureichenden Deutschkenntnisse zu Hause vorwiegend Albanisch sprachen. Ein weiterer plausibler Grund für die damalige Vermeidung des Codeswitching durch die G1 scheint die mit dem Kosovokrieg zusammenhängende, sprachlich-kulturelle Existenzbedrohung im Herkunftsland gewesen zu sein. Heute haben sie hier einen geregelten Status, sind integriert und sehen ihre Existenz im Herkunftsland nicht mehr als bedroht an. All dies kann mitverantwortlich dafür sein, dass viele G1-Befragte ihre damalige kodewechselhemmende Haltung revidiert und sich dem durch ihre Peers stimulierenten Codeswitching der G2 und G2 angepasst haben. Wider Erwarten liegen die diesbezüglichen G3-Werte beider Länder niedriger als jene der G2 (Kap. 4.6). Dieser Unterschied in den ermittelten Werten lässt die Lesart zu, dass G3-Befragte während der Besuche bei ihren Verwandten unter sich bleiben und sich mehrheitlich auf Deutsch unterhalten. Dadurch reduziert sich automatisch die Häufigkeit des Kodewechsels. Die deutlich höheren Werte der G2 und G3 gegenüber den G1-Werten sind wiederum aus den bisher mehrfach erwähnten Gründen der sprachlichen Sozialisation der Befragten nachvollziehbar und machen weiterführende Erklärungen und Interpretationen obsolet. 

Hinsichtlich des Codeswitching während der Kommunikation der G2- und G3-Befragten mit ihren Eltern bei Besuchen ihrer deutschen bzw. schweizerischen Familien lagen die Werte der schweizerischen G2 bei nur 30 %, jene der deutschen G2 bei 40 % und waren im Vergleich zum Codeswitching während der Besuche bei Freunden und Verwandten auffällig niedrig. Auch wenn sich in dieser Kategorie die Häufigkeit der Besuche bei einheimischen Familien nicht eruieren lässt, erhärten diese Ergebnisse die Vermutung, dass insbesondere die schweizerischen Befragten der G2 – aber in gewissem Maße auch die deutschen Befragten der G2 – das Codeswitching bewusst und kontextgebunden einsetzen. Die Unterdrückung des Kodewechsels durch diese Generation kann als Höflichkeit gegenüber den gastgebenden Familien oder als bewusster Gebrauch des monolingualen Modus interpretiert werden. Diese datenbasierten Hinweise lassen die Aussage plausibel erscheinen, dass das Codeswitching nicht zwingend in allen sprachsozialen Begegnungen in gleichem Ausmaß auftreten muss und dass es zudem von dem gegebenen Kontext abhängt. In der soziolinguistischen Literatur wird dies folgendermaßen begründet: 

Language use is determined by a range of factors relating to why, where, how and with whom one is communicating. (Stavans & Hofmann 2015: 154; auch Oomen-Welke 2010)

Abschließend wird auf das Codeswitching im öffentlichen Raum eingegangen. Die deutsche Gruppe (G1-G3) betreibt Kodewechsel im öffentlichen Raum öfter als die schweizerische Gruppe. Zuoberst auf der Liste steht dabei die deutsche G3, gefolgt von der schweizerischen G3. Hierfür werden verschiedene plausible Variablen vermutet: Sprachgruppen-Prestige, subtile Sprachmischung, Positionierung des Albanischen in der hiesigen Gesellschaft, sprachliche Identifikation, Sprachbewusstsein, sprachliche Identitätssuche oder auch die Pubertät. (Auer 1999, Schader 2006). Diese datenbasierte Erkenntnis unterscheidet sich diametral vom Schaders Befund, wonach die Jugendlichen ihre Herkunftssprache im öffentlichen Raum verleugnen und wenig Codeswitching betreiben (Schader 2006: 359f). Hierfür nennt der Forscher mehrere, weiter oben in diesem Beitrag referierte und für die damalige Sprachsituation der albanischen Sprachgruppe plausibel erscheinende Gründe, wie z.B. Bildungsniveau, Literalität des Elternhauses, sozioökonomischer Status, Kontakthäufigkeit mit albanischen Peers (ibid.). Aus diesem kontrastiv diskutierten Befund kann gefolgert werden, dass sich der bilinguale Sprachhabitus der G3 grundlegend verändert hat und somit auch Auswirkungen auf das Codeswitching hat. Diese datenbasierte Erkenntnis ist durchaus relevant, auch wenn sie keine empirische Ausnahme, sondern eine Art “communitiy linguistic repertoire” (Blom & Gumperz 1986: 411) darstellt.

Zusammenfassend und nüchtern betrachtet, stellt Codeswitching somit eine Form des Sprachgebrauchs dar, der mit verschiedenen Sprachkontaktphänomenen zusammenhängt. Aus der qualitativen Analyse halbstrukturierter Interviews von G3-Befragten unserer Studie (N=40), die bereits in einem anderen Beitrag publiziert wurden (Selimi 2021), macht sich der lexikalisch-grammatische Einfluss des Deutschen auf das Albanische bemerkbar. Das “composite codeswitching” (Myers-Scotton 2006: 242), welches dann auftritt, wenn die Strukturen der Kontaktsprachen stark konvergieren, ist hier wenig wahrscheinlich, da Albanisch und Deutsch strukturell divergieren. Deshalb kann Codeswitching im Fall unserer Zielgruppe nicht auf Elemente einer zusammengesetzten Matrixsprache reduziert und mit dichotomischen Lösungen beantwortet werden. Vielmehr handelt es sich um Umschaltungen, bei denen die albanische Grundstruktur trotz deutscher Worteinschübe beibehalten wird. Das personen-, situations- und themengebundene Codeswitching dient dann der kommunikativen Sprechhandlung. Das Verhältnis beider Sprachen (Albanisch und Deutsch) und der Grad der Sprachkompetenz der Befragten auf der lexikalisch-semantischen, morpho-syntaktischen, pragmatisch-diskursiven Ebene sowie weitere soziolinguistische Faktoren spielen dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle (Stavans & Hoffmann 2015, Günthner 2013, Schader 2006, Riehl 2014, 2013). 


6   Fazit und Ausblick

Die Befragten aller drei untersuchten Generationen integrieren deutsche Wörter, Satzfragmente oder ganze Sätze in Form von Einschüben in ihre albanische Herkunftssprache. Die eingeschobenen deutschen Wörter in das albanische Vokabular verleihen der Kommunikation eine neue diskursfunktionale Qualität, die zur effizienten Vermittlung des Gesprochenen im eigenen Milieu beiträgt. Der Wortimport darf dabei keineswegs defizitär rezipiert, sondern als praktische migrationsbedingte Verständigungsform betrachtet werden. 

Hinsichtlich der Sprachkompetenz der Befragten dieser Studie sei festgehalten, dass sie aus bildungsnahem und sprachbewusstem Milieu stammen. Die Dunkelziffer jüngerer Sprecher mit rudimentären oder fehlenden Albanischkenntnissen dürfte jedoch recht groß sein – vor allem die dritte Generation ist einer sprachlichen Assimilation ausgesetzt, worauf die linguistische Analyse der Interview-Aussagen dieser Generation hindeutet. Diese Assimilation kann entschleunigt werden, indem die Eltern mit ihren Kindern Albanisch sprechen und sie in den ergänzenden Albanischunterricht (HSU) schicken. Hierzu bedarf es gut qualifizierter Lehrkräfte und einer Finanzierung durch die öffentliche Hand im Herkunfts- und im Zielland. Damit verbunden soll das bestehende sprachlich-kulturelle Angebot ausgebaut werden; in unserem Projekt wurde eine Handreichung mit dem Titel “Shqip në përditshmëri / Albanisch im Alltag” für Alltagsgespräche (Albanisch-Deutsch) erarbeitet, die seit März 2022 kostenlos im Internet zur Verfügung steht. 

Eine auf Codeswitching fokussierte, qualitative linguistische Analyse halbstrukturierter Interviews unserer Befragten würde gewiss zur Klärung der hier offen gebliebenen bzw. nicht ausgiebig diskutierten relevanten Fragen beitragen. Die ausstehende Analyse der Interview-Daten, die hier dem beschränkten Umfang geschuldet ist, soll in einem weiteren Aufsatz erfolgen.




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Veith, Werner H. (22005): Soziolinguistik. Ein Arbeitsbuch. Tübingen: Narr.





Autoren:


Prof. Dr. Dr. Naxhi Selimi

Pädagogische Hochschule Schwyz

Fachdidaktik Deutsch und Deutsch als Zweitsprache

Zaystrasse 42

CH-6410 Goldau

E-Mail: naxhi.selimi@phsz.ch


Prof. Dr. Dr. em. Basil Schader

Pädagogische Hochschule Zürich

Fachdidaktik Deutsch und Deutsch als Zweitsprache

Lagerstrasse 2

CH-8090 Zürich

E-Mail: basil.schader@phsz.ch


Andrea Cantieni

Pädagogische Hochschule Schwyz

Forschung und Entwicklung

Zaystrasse 42

CH-6410 Goldau

E-Mail: andrea.cantieni@phsz.ch



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(1) Standardalbanisch (gjuha letrare) gilt als Dach beider Hauptdialekte Toskisch und Gegisch und wird in der Schule, der Verwaltung und den staatlichen Medien (Fernsehen, Radio, Presse,) verbindlich gebraucht. Toskisch dominiert in Südalbanien und im Südwesten Nordmazedoniens, Gegisch in Nordalbanien, Montenegro, Kosovo, in Südserbien und Nordmazedonien. Die beiden Dialekte, die wiederum mehrere Subdialekte umschließen, unterscheiden sich in phonetischer, lexikalischer und morpho-syntaktischer Hinsicht (Gjinari 2015: 193-209, Shkurtaj 2016: 40, 240; Schader 2006: 43ff). Die etwa 600 000 in Deutschland und 280 000 in der Schweiz lebenden Albaner dreier Generationen stammen gemäss aktuellen Bevölkerungsstatistiken (Statistisches Amt 2020, BFS 2019) vorwiegend aus gegischsprechenden Gebieten des Westbalkans (Kosovo und Nordmazedonien). Demnach stellen sie hinsichtlich der Herkunftssprache eine homogene Gruppe dar.

(2) Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden in dem vorliegenden Artikel die maskulinen Formen für alle Geschlechter verwendet.

(3) Der vorliegende Aufsatz entstand im Rahmen des auf drei Jahre (2019-2022) angelegten SNF-geförderten Projekts Albanisch im Kontakt. Horizontaler Transfer und Identitätsstiftung in der Mehrsprachigkeitspraxis (Projekt-Nr. SNF 100015L_182126 / 1).

(4) Der Hauptunterschied zwischen den Ergebnissen dieses Beitrags und jenen von Schader (2005, 2006) liegt in der alters mäßigen Streuung der Probanden: unsere Studie umfasst drei Generationen, jene von Schader umfasst hingegen nur Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter.

(5) Ein Überblick über die Modelle der Sprachentlehnungen und des Kodewechsels, die wir hier aus Platzgründen nicht näher thematisieren können, findet sich in Knospe (2014: 51-112). Für den vorliegenden Artikel werden im Hinblick auf die zu erhellende Fragestellung primär die Kodewechsel-Modelle berücksichtigt.

(6)  Im Kontext dieses Beitrags wird Codeswitching als Oberbegriff und zusammen mit Sprachmischung, Sprachwechsel, Kodewechsel, Kodeumschaltung, Codemixing, Transfer (im Sinne von ‘Language Awareness’) und language crossing (zu Deutsch: ‘sprachliche Kreuzungen’) synonym gebraucht. Unter letzterem Begriff versteht man die gelegentliche, auf minimaler Kompetenz beruhende und interaktiv bedeutsame Verwendung fremder Codes, die als ethnisch-soziale Grenzüberschreitung empfunden und auf der Grundlage von (massenmedial geprägten) Stereotypen interpretiert wird. (…). Während regelmässiger Sprachwechsel (Code-Switching und -Mixing) auf die intraethnische Kommunikation von Minderheitengruppen beschränkt ist, betreffen Kreuzungen die interethnische Kommunikation und damit letztlich die Gesamtgesellschaft (Androutsopoulos 2003: 104). 

(7) Im Zusammenhang mit dem Codemixing gehen Auer & Hakimov (2020: 2) davon aus, dass die Insertion und nicht die Alternation den Ausgangspunkt einer kontinuierlichen Verschmelzung darstellt.

(8) Der Fragebogen liegt dem Projektteam vor. Die Übersicht von Riemer (2016: 160) und der Fragebogen von Schader (2006: 411f) wurden bei der Entwicklung unserer Erhebungsinstrumente hinzugezogen. Parallel zu der quantitativen Datenerhebung wurden alle Befragten (n=120) einzeln interviewt. Der halbstrukturierte Interview-Leitfaden und der Online-Fragebogen wurden aufeinander abgestimmt. Die qualitativ erhobenen Interviewdaten der G3 sind bereits publiziert (Selimi 2021).

(9) Laut IEC-Norm 60559 wird x.5 zur geraden Zahl gerundet, die am nächsten liegt: 11,5 wird z.B. auf 12, 12,5 ebenfalls auf 12 gerundet. Dadurch wird der Rundungsfehler minimiert. Die abweichenden Prozente in einzelnen Abbildungen dieses Aufsatzes (99 % oder 101 % hängen mit den Rundungen zusammen.