Journal of Linguistics and Language Teaching
Volume 2 (2011) Issue 1
pp. 217 - 225
pp. 217 - 225
Claus Ehrhardt / Eva Neuland (Hrsg.): Sprachliche Höflichkeit in interkultureller Kommunikation und im DaF-Unterricht. Frankfurt/M.: Lang 2009. 304 Seiten (ISBN 978-3-631-59464-3)
Die Thematisierung sprachlicher Höflichkeit hat in der linguistisch und interkulturell ausgerichteten Literatur, wie sich an einer Reihe neuerer Publikationen ablesen läßt, stark an Bedeutung zugenommen[1]. In diesen wissenschaftlichen Kontext gehört auch der hier zu besprechende Band von Claus Ehrhardt und Eva Neuland, der in erster Linie kulturkontrastiven und didaktischen Fragestellungen gewidmet ist. Beide Herausgeber sind bereits durch einschlägige Arbeiten auf diesem Gebiet hervorgetreten[2].
Die Beiträge sind drei Großbereichen zugeordnet:
I. Theoretische und methodische Grundlagen,
II. Einzelanalysen zur sprachlichen Höflichkeit: Kulturkontrastiv und interkulturell,
III. Sprachliche Höflichkeit im DaF-Unterricht.
Vorangestellt ist eine ausführliche Einführung (7-24), in der die Herausgeber nicht nur über die aktuelle Konjunktur von Ratgeberliteratur informieren, sondern auch einen Einblick geben in die kulturhistorischen Grundlagen von Höflichkeit und Etikette. Ausführlich zur Sprache kommen sodann verschiedene Ansätze, wie sie aus sprachwissenschaftlicher Sicht entwickelt worden sind. Anlaß für Kritik bestehe u.a. dann, wenn für bestimmte Höflichkeits-Konzepte universale Gültigkeit unterstellt werde und man intrakulturelle Differenzen vernachlässige. In neueren Arbeiten gehe es deshalb vor allem darum, Höflichkeitspraktiken und Höflichkeitsstile unter Einbeziehung interaktiver Aspekte zu untersuchen. Und, mit Blick auf interkulturelle Kommunikation und kulturvergleichende Analysen, liege ein großes Desiderat gerade in der empirischen Grundlegung „für die Beschreibung von kulturbedingten Unterschieden im Kommunikationsverhalten von Individuen und die präzise Beschreibung und Analyse der Dynamik von interkulturellen Kommunikationssituationen und den damit verbundenen Prozessen des interaktiven Aushandelns der angemessenen Kommunikationsebene“ (19). Es folgen Prioritäten für die fremdsprachendidaktische Umsetzung und eine erste Einordnung der einzelnen Beiträge. Die Einführung bietet einen instruktiven, gut lesbaren Überblick über den Forschungsstand, sie zeigt Defizite und Probleme auf und gibt Anregungen für methodische Neuorientierungen.
Der erste Großabschnitt enthält in erster Linie Beiträge, die sich mit allgemeineren Aspekten sprachlicher Höflichkeit beschäftigen. Unter Anknüpfung an antike und mittelalterliche Vorstellungen skizziert Bettina Lindorfer (Berlin) verschiedene Hintergründe und Etappen sprachlicher Höflichkeitsideale (27-40), stellt der modellgebenden Instanz des französischen Hofes die Bedeutung klerikaler Einflüsse gegenüber und hebt speziell die Bemühungen einiger Renaissance-Autoren (wie Castiglione, Della Casa, Guazzo) bei der Herausbildung höfisch-höflicher Verhaltenskonventionen hervor. Aus der historischen Perspektive werde außerdem deutlich, dass Höflichkeit sich kaum auf ein Prinzip reduzieren lasse, wie dies bei Ansätzen, die lediglich das Bemühen um Konfliktvermeidung in den Blick nehmen, der Fall sei. Gudrun Held (Salzburg) bezieht, ähnlich wie schon B. Lindorfer, ebenfalls die historische Dimension mit ein, plädiert aber vor allem für ein Überdenken der methodologischen Grundlagen in der aktuellen Höflichkeitsforschung (41-60). Gefordert wird einerseits eine kritische Distanz gegenüber dem Grice-Goffman-Paradigma, andererseits müsse das Verhältnis zwischen Universalität und Kulturspezifik neu überdacht werden. Dabei sei dem Faktum Rechnung zu tragen, dass „Höflichkeit immer eine komplexe und relatierte Grüße“ darstelle und „grundsätzlich an ein interaktionales Verhältnis gebunden [sei], das durch einen von außen herangetragenen Maßstab vermittelt wird und ausschließlich post actionem, also durch die sprachliche Reaktion der Adressaten, beurteilt werden kann“ (45). Diese grundsätzliche – und im übrigen sehr plausible – Interaktionsgebundenheit spielt auch im Beitrag von Hans Jürgen Heringer (Augsburg) eine wichtige Rolle (61-75). Am Beispiel des Anredeverhaltens wird gezeigt, dass so ziemlich alles, was entsprechende Normen oder Regeln vorsehen, mit der kommunikativen Wirklichkeit nicht notwendig übereinstimmen muss. Diesbezügliche Sprecher-Befragungen haben nur eine begrenzte Aussagekraft, da sie den wirklichen Gebrauch von Anredeformen meist nicht erfassen; ebensowenig deute das Duzen oder Siezen automatisch auf vertraute oder distanzierte Kommunikation hin oder habe etwas mit Höflichkeit oder Unhöflichkeit zu tun. Diese Feststellung wird mit einer Reihe sog. Krisenexperimente à la Garfinkel plastisch untermauert. Einen ganz anderen Kommunikationsbereich stellt Helga Kotthoff (Freiburg) mit der Thematisierung georgischer Trinkspruch-Rituale zur Diskussion (77-96). Der auf den ersten Blick vielleicht nicht offenkundige Bezug zur Höflichkeitsproblematik ergibt sich insofern, als die betreffenden Zeremonien und Formeln ein „wesentliches Mittel der Kontinuierung von Beziehungsqualitäten“ sind (80), die entscheidend dazu beitragen, die Erwartungen bezüglich „Pathoskommunikation“ und expliziter Ehrbezeugung zu erfüllen und damit soziale Verpflichtungsnetzwerke formgerecht zu bestätigen. Der Verfasserin gelingt es, den kulturspezifischen Hintergrund dieser Rituale und insbesondere den Kontrast zu westeuropäischen Entformalisierungs-Tendenzen zu verdeutlichen. Dieter Cherubim (Göttingen) greift noch einmal den Gedanken auf, dass unterschiedliche Höflichkeitskulturen nicht nur zwischen verschiedenen Nationen oder Gesellschaften, sondern gerade auch innerhalb solcher Gemeinschaften bestehen (97-113). Zur Illustration werden zwei literarische Texte, „Frau Jenny Treibel“ von Theodor Fontane und „Die Buddenbrooks“ von Thomas Mann, herangezogen und anhand verschiedener Ausschnitte soziale, kulturelle und generationenbezogene Unterschiede in der Höflichkeitskommunikation herausgearbeitet. Völlig zu Recht weist der Verfasser darauf hin, dass literarisch inszenierte Gespräche zwar keinen alltagsweltlichen Sprachgebrauch wiedergeben, deshalb aber als fingierte Mündlichkeit nicht automatisch alle Regeln der Kommunikation suspendiert haben und gesprächslinguistisch sehr wohl von Interesse sind.[3]
Der zweite Großabschnitt enthält eine Reihe von Einzelanalysen, in denen meist bestimmte Höflichkeitsphänomene kontrastiv untersucht werden. Den Anfang macht Hitoshi Yamashita (Osaka), der über eine Fragebogenaktion berichtet, mit der die Bedeutung von Höflichkeit für deutsche Sprecher ermittelt werden soll (117-130). Der Verfasser kommt zunächst zu einem nicht nur aus japanischer Sicht überraschenden Ergebnis, nämlich dass nur wenige Befragte ,höflich’ für einen wichtigen Wert halten – im Unterschied etwa zu ,tolerant‘, ,freundlich‘, ,ehrlich‘ oder ,hilfsbereit‘. Erst bei Fragen, die das Sprachverhalten in konkreten Situationen betreffen, spielt der Faktor ,Höflichkeit‘ wieder eine wichtigere Rolle[4].Yong Liang (Trier) versucht, zentrale Unterschiede zwischen der chinesischen und der deutschen Höflichkeit festzustellen (131-151). Im Anschluß an eine Einführung in kulturhistorische Aspekte kommen vor allem aktuelle chinesische Höflichkeitskonzepte zur Sprache. Großer Wertschätzung erfreuen sich z.B., wie der Verfasser an verschiedenen, allerdings ohne weiteren Kontext zitierten Belegen demonstriert, Merkmale wie ,Bescheidenheit und Respektbezeugung‘, ,Indirektheit und Zurückhaltung‘, ,Vagheit und Mehrdeutigkeit der Aussagen‘, ,Vermeidung offener Kritik‘. Ob der Hauptunterschied im Höflichkeitsverständnis jedoch darin besteht, dass auf chinesischer Seite die Schaffung von Vertrautheit vorrangig sei, während es für Deutsche auf Distanzherstellung bzw. Distanzwahrung ankomme, mag bezweifelt werden. Überhaupt laufen solche Generalisierungen grundsätzlich Gefahr, gängige stereotype Vorstellungen wiederzubeleben, zu deren Überwindung die Erhebungen eigentlich gedacht waren. Eva Neuland (Wuppertal) referiert die Ergebnisse einer empirischen Studie, in der es, grob zusammengefasst, um das Sprachverhalten deutscher und italienischer Germanistikstudenten in speziellen, als kritisch bewerteten Situationen geht (153-170). Ausgangspunkt sind die Sprechhandlungen des Kritisierens und des Komplimentierens, also zwei für den Einsatz positiver und negativer Höflichkeitsstrategien durchaus relevante Bereiche. Die Probanden sollen aus einer Reihe vorgegebener Beispieläußerungen Formulierungspräferenzen angeben, und zwar abhängig von Variablen wie ,formeller / informeller Kontext‘, ,Handlungsbereich‘, ,sozialer Rang‘, ,soziale Nähe‘. (Interaktive Austauschformen bleiben hier noch unberücksichtigt.) Dabei zeigen sich einerseits relativ starke Übereinstimmungen (z.B. bezüglich der Vermeidung direkter Kritik), andererseits auch kulturelle Differenzen (z.B. bei der Verwendung von Ausweichstrategien). Gleichzeitig wird deutlich, wie schwierig und wie komplex ein vergleichsweise einfacher Test werden kann, wenn es um die Erstellung kontrastiver Präferenzprofile geht und wenn die Resultate quantifizierbar sein sollen. Einem bisher nur wenig untersuchten Medium, den Internet-Diskussionsforen, wendet sich Claus Ehrhardt (Urbino) zu (171-190). Der Beitrag ist ebenfalls kontrastiv angelegt, für die Analyse werden Foren aus Spiegel onlineund Repubblica herangezogen. Dabei geht der Verfasser von der Hypothese aus, „dass in der eher beziehungsorientierten italienischen Kultur ein höheres Maß an Investition in Beziehungsarbeit erwartet wird als in der sachlicher orientierten deutschen Interaktionsatmosphäre und dass sich dies u.a. in der Verwendung von Formen und Strategien sprachlicher Höflichkeit manifestiert“ (178). Der Vergleich, der auf einer Vielzahl von Kriterien basiert (z.B. Art des Partnerbezugs, rituelle Rahmung, Formen des Widersprechens), kann die Annahme insofern bestätigen, als die italienischen Teilnehmer häufiger bemüht sind, potentiell gesichtsbedrohende Handlungen zu vermeiden, als die deutschen Autoren. Unterscheidet sich in der deutschen und russischen Wissenschaftsdiskussion auch der Ausdruck sprachlicher Höflichkeit? Dieser Frage versucht Tatjana Yudina (Moskau) nachzugehen (191-200). Ausgangspunkt ist die Art und Weise der Selbstvorstellung, des (Nach-)Fragens, der Meinungskundgabe (einschließlich des Widersprechens) und der Anrede in und nach Vorträgen. Zwar wird nicht ganz deutlich, wie umfangreich die zugrundegelegte Datenbasis eigentlich ist, doch kommt die Verfasserin zu dem interessanten Ergebnis, dass zum einen große Übereinstimmungen im Sprachverhalten bestehen, zum andern aber mit Blick auf die Faktoren ,Alter‘ und ,hierarchische Stellung‘ die russischen Sprecher eine größere Differenzierung erkennen lassen als deutsche Diskussionsteilnehmer. Eine wesentlich speziellere Fragestellung verfolgt dagegen Irmgard Elter(Bologna), die untersucht, ob es in den nationalen Varietäten des Deutschen nennenswerte Unterschiede beim Anredeverhalten gibt (201-216). Die Verfasserin betont zu Recht das Plurizentrische des Deutschen und macht das an verschiedenen Differenzen zwischen dem Sprachgebrauch in Deutschland, Österreich und der Deutschschweiz deutlich, und zwar anhand von Begrüßungs- und Verabschiedungsformeln, anhand der Verwendung von Anredepronomina und von Titeln. Es zeigen sich vielfältige Unterschiede hinsichtlich Frequenz und Funktion der jeweiligen Ausdrucksformen; das Bild verkompliziert sich, wenn man noch regionale, soziale und altersmäßige Parameter hinzuzieht. In ihrer Zusammenschau greift die Verfasserin auf den Begriff der ,Kulturstandards‘ zurück, was sich jedoch nicht unbedingt als Glücksgriff erweist, da sie, wie I. Elter selbst einräumt (213), leicht wieder die altbekannten Stereotypisierungen auf den Plan rufen.
Im dritten Großabschnitt sind Beiträge vereinigt, deren Anliegen primär in der didaktischen Umsetzung für den DaF-Unterricht besteht. Ulrike Reeg (Bari) stellt Möglichkeiten vor, wie sie sich im Rahmen der Organisation von Online-Seminaren ergeben können (219-233). Von zentraler Bedeutung sind wiederum Höflichkeitsstrategien, die in den verschiedenen Phasen der Anbahnung und Durchführung solcher Seminare – hier mit deutschen und italienischen Teilnehmern – vorkommen. Als besonders ergiebig (und mit verschiedenen Beispielen belegt) erweisen sich dabei a) die z.T. kontroversen Diskussionen fachlicher Inhalte sowie b) Äußerungen, die im Sinne positiver Höflichkeit der wechselseitigen Interessebekundung gewidmet sind. Einen eher allgemeinen Zugang wählt Ulrike A. Kaunzner (Ferrara) (235-250). Sie plädiert für ein interdisziplinäres Analyse-Instrumentarium, das drei verschiedene Ansätze zusammenführt: ein Kommunikations- bzw. Situationsmodell der Sprechwissenschaft, die Theorie der Kulturstandards und das sog. „interkulturelle Koordinatenkreuz“ aus der Kommunikationspsychologie[5]. Es versteht sich, dass bei einer solchen Herangehensweise allenfalls ein Rahmenmodell für die unterrichtliche Behandlung sprachlicher Höflichkeit entworfen werden kann. Zu prüfen wäre sicher noch, inwieweit das stark generalisierende Konzept der Kulturstandards überhaupt auf die konkrete Bedeutungsaushandlung in Interaktionen beziehbar ist. Und aufgrund seiner methodologischen Ausrichtung wäre der Beitrag möglicherweise im Großabschnitt I besser plaziert gewesen. Um einen direkten didaktischen Bezug geht es Andrea Meta Birk (Bologna), wenn sie das Lernziel, Höflichkeitsformen einer anderen Kultur zu vermitteln, zum Gegenstand ihrer Betrachtung macht (251-266). Die Verfasserin benennt diesbezügliche Versäumnisse von DaF-Lehrwerken, die einer „kulturellen Sensibilisierung des Lerners für das Andere“ eher entgegenstehen (256), führt sodann in das Konzept des „Intercultural Sensitizer“ ein und erläutert auf dieser Grundlage verschiedene Unterrichtsphasen, die am Beispiel des Duzens und Siezens die Handlungskompetenz italienischer Deutschlerner erweitern sollen. Der Vorteil dieses Vorgehens - die kleinschrittige Operationalisierung der Teilziele - liegt auf der Hand, auch wenn das Prozedere mitunter etwas schematisch anmutet. Auch in den folgenden zwei Beiträgen stehen Fragen der Interkulturalität und der Kommunikationsschulung im Vordergrund.Ulrike Simon (Bari) skizziert ein Trainingskonzept, das den Aufbau einer ganzheitlichen Handlungskompetenz anvisiert (267-282). Im einzelnen sehen die Arbeitsschritte vor: Vermittlung theoretischen Grundlagenwissens zur interkulturellen Kommunikation, Fallbeispiel-Analyse, Aufarbeitung von Aspekten der Höflichkeitsforschung, Sammeln vergleichbarer Konfliktsituationen und Fallbeispiele. Konkretisiert wird das Vorgehen wiederum am Beispiel des Anredeverhaltens. Die Verfasserin ist sich der Grenzen der Methode sehr wohl bewußt (277): Reale Gesprächsabläufe werden in der Regel nicht bemüht, da Transkripte nicht vorliegen und die Fallbeispiele durchweg auf Erlebnisberichten basieren. Maria Paola Scialdone (Macerata) (283-299) richtet den Blick stärker auf die Qualität von Lehrmaterialien und fordert, dass Höflichkeit „nicht nur als isoliertes Thema unter anderen Themen“ vorkommen dürfe, sondern „als der wichtigste Leitfaden interkulturell konzipierter Lehrwerke, d.h. als zentraler Bestandteil des Fremdsprachenerwerbs“ zu betrachten sei (283). Die Probe aufs Exempel macht die Verfasserin mit den Lehrwerken Galaktisch (2005) und Deutsch Sprint (2007) und kommt zu dem Ergebnis, dass viele Möglichkeiten, höflichkeitsrelevante Aspekte zu behandeln, ungenutzt bleiben. Grammatische Mittel, Modalverben oder Partikeln würden ohne Verbindung zur Beziehungsgestaltung dargeboten, das Thema ,Netikette‘ suche man vergebens, Texte fungieren primär als Informationsmedium, nicht als Ausdruck zwischenmenschlicher Kommunikation. Die Analyse schließt mit der Forderung nach einer engeren Zusammenarbeit von Lehrern und Sprachwissenschaftlern (296), wobei man die Einbeziehung von Lehrbuchautoren hier durchaus ergänzen sollte.
Als vorläufiges Fazit läßt sich festhalten, dass der von Eva Neuland und Claus Ehrhardt herausgegebene Band ein äußerst vielfältiges Themenspektrum abdeckt und dessen Lektüre viele neue Einsichten, Vorschläge und Anregungen vermittelt. Die Beiträge sind gleichermaßen wichtig für Linguisten und Fremdsprachendidaktiker. Spezielle Schwerpunkte betreffen:
a) die begriffliche Fundierung der Höflichkeitsforschung (mit zahlreichen Ausblicken in die Kulturgeschichte,
b) vertiefende Untersuchungen mit kulturkontrastiver oder interkultureller Zielsetzung
c) die Konkretisierung und Nutzbarmachung wissenschaftlicher Befunde für die Fremdsprachenvermittlung.
Man mag zwar bedauern, dass gerade bezüglich des letztgenannten Aspekts einige Wünsche offen bleiben und die Ebene der unterrichtlichen Umsetzung meist nur in allgemeiner Form angesprochen wird (z.B. ohne klare Angabe von Lernzielen und Sprachlernstufen); auch muss nicht unbedingt einleuchten, warum die Frage der Anredeformen mehrfach und ausführlich als Beispiel herausgegriffen wird, andere Höflichkeitsverfahren dagegen so gut wie unerwähnt bleiben. Dennoch bieten die Beiträge eine Fülle an Diskussionsstoff und liefern viele innovative Anstöße, von denen jede didaktische Planung, insbesondere mit Blick auf universitäre Sprachkurse, nur profitieren kann. Und das ist nicht wenig. Ebenso stellen die vorgelegten sprachwissenschaftlichen Analysen eine Bereicherung der bisherigen Höflichkeitsforschung dar; zum Teil greifen sie bekannte Fragestellungen auf und führen sie weiter, zum Teil postulieren sie eine Abkehr von überkommenen Modellen und regen methodologische Erneuerungen an. Wegweisend dürften vor allem solche Impulse sein, die die empirische Fundierung betonen und hier mit Nachdruck für die Einbeziehung des interaktiven Austausches plädieren.
Für Leser, die Auskunft erhalten möchten über aktuelle Schwerpunkte der Erforschung verbaler Höflichkeit, über theoretische Grundlagen, Methodenprobleme und Fragen der Didaktisierung, bietet der Band zweifellos eine wichtige und nützliche Basis.
Autor:
Prof. Dr. Heinz-Helmut Lüger
Universität Koblenz-Landau, Campus Landau
Institut für fremdsprachliche Philologien (Romanistik)
Markstraße 40
D-76829 Landau
E-Mail: romanistik@uni-landau.de
[1] Vgl. zuletzt u.a.: Kimmich, D. / Matzat, W. (Hrsg.) (2008): Der gepflegte Umgang. Interkulturelle Aspekte der Höflichkeit in Literatur und Sprache. Bielefeld: transcript; Siebold, K. (2008): Actos de habla y cortesía verbal en español y en alemán. Estudio pragmalingüístico e intercultural. Frankfurt/M. u.a.: Lang; Culpeper, J. / Kádár, D. (Hrsg.) (2010): Historical (Im)politeness. Bern u.a.: Lang.
[2] Ehrhardt, C. (2002): Beziehungsgestaltung und Rationalität. Eine linguistische Theorie der Höflichkeit. Triest: Parnaso; Neuland, E. (2007): Mündliche Kommunikation als Schlüsselkompetenz. In: Info DaF 34, 428-438; Neuland, E. (2008): Sprachliche Höflichkeit – Eine Schlüsselkompetenz für die interkulturelle Kommunikation. In: Riedner, Renate & Steinmann, Siegfried (Hrsg.) (2008): Alexandrinische Gespräche. München: Iudicium, 169-185; Neuland, E. (2011): Sprachliche Höflichkeit – Eine Perspektive für die interkulturelle Sprachdidaktik. In: Hess-Lüttich, Ernest W.B. (Hrsg.) (2011): Metropolen. Frankfurt/M.: Lang (im Druck).
[3] Zu früheren Diskussionen dieses Punkts vgl. u.a. Cherubim, Dieter, Henne, Helmut & Rehbock, Helmut (Hrsg.) (1984): Gespräche zwischen Alltag und Literatur. Tübingen: Niemeyer (= Reihe Germanistische Linguistik 53); Bilut-Homplewicz, Zofia (1998): Zur Dialogtypologie in der Erzählung aus textlinguistischer Sicht. Rzeszów: Wydawnictwo Wyższej Szkoły Pedagogicznej. So gesehen, kann man literarische Autoren durchaus als „Seismographen kommunikativer Prozesse in der Gesellschaft“ betrachten; vgl. Hess-Lüttich, Ernest W.B. (1984): Kommunikation als ästhetisches Problem. Tübingen: Narr, 48.
[4] Leider sind bei der sprachlichen Durchsicht dieses Beitrags einige Fehler bzw. Ausdrucksschwächen stehengeblieben, die die Lektüre stören.
[5] Geißner, Hellmut (1973): Rhetorik und politische Bildung. Saarbrücken: Europ. Akademie Otzenhausen; Thomas, Alexander (2003): Kultur und Kulturstandards. In: Thomas, Alexander, Kinast, Eva-Ulrike & Schroll-Machl, Sylvia (Hrsg.): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation, Bd. 1. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 19-31; Thomann, Christoph & Schulz von Thun, Friedemann (2003): Klärungshilfe, Bd.1. Reinbek: Rowohlt.