Editor

JLLT edited by Thomas Tinnefeld
Journal of Linguistics and Language Teaching
Volume 5 (2014) Issue 1


Die Vermittlung von Lesefertigkeiten

im Chinesischunterricht -

ein Diskussionsbeitrag



Chris Merkelbach (Taipeh, Taiwan)


Abstract (English)
Based on the observation that foreign students in Chinese-speaking countries encounter major problems reading extensive academic texts within an allotted time frame, this article puts forward the idea of teaching reading strategies in Chinese as a Second Language (CSL) classes. Following the introduction of the special features of written Chinese, the mental process for reading in a foreign language is discussed. The article takes into special account that CSL-learners have, prior to learning Chinese, usually learned other foreign languages and can be regarded as experienced tertiary language learners. Furthermore, the different reading styles for various foreign languages are described in detail and finally, the article delineates how these strategies may be trained in CSL classes on the sentence and the text level.
Key words: Chinese as a Foreign Language, reading styles, reading strategies


Abstract (Deutsch)
Basierend auf der Beobachtung, dass ausländische Studierende in chinesischsprachigen Ländern erhebliche Probleme beim Lesen umfangreicher wissenschaftlicher Texte innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums haben, beschäftigt sich dieser Artikel mit der Vermittlung von Lesestrategien im Unterricht Chinesisch als Fremdsprache (ChaF). Zunächst werden die besonderen Merkmale der chinesischen Schriftsprache dargestellt, danach der mentale Prozess, der beim Lesen in einer fremden Sprache zu beobachten ist. Der Artikel berücksichtigt, dass Chinesischlerner in der Regel bereits andere Fremdsprachen gelernt haben und als erfahrene L3-Lernende gelten. Außerdem werden die verschiedenen Lesestile für Fremdsprachen im Detail beschrieben. Abschließend geht der Artikel darauf ein, wie Lesestrategien ChaF-Unterricht auf Satz- und Textebene geschult werden können.
Stichwörter: Chinesisch als Fremdsprache, Lesestile, Lesestrategien



1   Einleitende Überlegungen und Forschungsüberblick

Mit der Zunahme westlicher Studierender, die regulär an den Universitäten in Taiwan studieren, hat auch das Interesse an und die Bedeutung der Vermittlung von Chinesisch als Fremdsprache, besonders in fachsprachlichen Zusammenhängen, zugenommen. Eine besondere Problematik stellt immer wieder die Vermittlung von extensivem Lesen im chinesischsprachigen Unterricht dar. Lehrende berichten häufig davon, dass sich ihre europäischen bzw. westlichen Studierenden über die Länge der zu lesenden Texte beschweren1. Deutsche Studierende berichten, dass es ihnen keine Schwierigkeiten mache, lange Fachtexte auf Englisch zu lesen, sie bei chinesischen argumentativen Texten allerdings oft kläglich scheitern und folglich unvorbereitet in den Unterricht gehen. Inhaltlich wurden die zu bewältigenden Texte im Nachhinein selten als schwer eingestuft. In vertiefenden Gesprächen taten sich dafür verschiedene Ursachen auf:
  • mangelnde Vokabelkenntnisse und das damit verbundene endlose Nachschlagen von Vokabeln,
  • fehlende grammatische Kenntnisse, aber auch
  • fehlende Kenntnisse darüber, wie fremdsprachige Texte inhaltlich dekodiert werden können.
Bei Nachfragen, welche Lesestrategien sie kennen, wurde von den Studierenden weitgehend mit Unverständnis reagiert, frei nach dem Motto: "Man liest halt und versteht es oder nicht". Lesestrategien sind weithin unbekannt. An dieser Stelle sollen exemplarisch zwei westliche Studierende zitiert werden, die wir zum Lesenlernen im Chinesischunterricht befragt haben2. Ein Studierender der Sinologie und Wirtschaftswissenschaften aus Deutschland erinnert sich:
Die ersten beiden Semester haben wir ... eigentlich nicht viel gelesen. Die Texte im Lehrbuch waren auch eher kurz, aber wenn wir gelesen haben, dann hat der Lehrer zuerst den Satz oder Abschnitt alleine vorgelesen, dann erklärt und dann haben wir den Satz gemeinsam nachgesprochen. ... Gegen Ende des zweiten Semesters haben wir dann damit angefangen, dass jeder immer einen kurzen Teil des Textes [vor]liest. ... Im dritten und vierten Semester haben wir längere und auch mehr Texte gelesen, dabei musste immer einer den Satz, der gerade dran war, zuerst vorlesen und dann übersetzen. Wenn ein Text zu Ende war, dann haben wir den Text wieder zusammen im Chor gelesen. Am Anfang des Semesters hier [in Taiwan, CM] ... hat man uns noch einige Sätze vorgelesen oder man musste in einer Art Partnerarbeit den Text gemeinsam lesen und auch darauf achten, dass der jeweils andere alles richtig liest.... Lesetechniken kenne ich eigentlich nicht so viele und wirklich nahe gebracht hat die mir auch niemand, aber ich weiß von einer, die intensives Lesen heißt und dass es dabei um das vollständige Erfassen des Lesetextes und um textsortenspezifisches Untersuchen [geht]. Oder? [Martin, 23 Jahre, Interview vom 03.01.2013].
Sprachvermittlung und Übersetzen werden von diesem Studenten als Ziel der Textarbeit angegeben. Lesestrategien scheinen dagegen kein Unterrichtsgegenstand zu sein. Auch Überlegungen über Vorkenntnisse zu Textinhalten oder zu generellem Vorwissen werden während des gesamten Interviews nicht erwähnt. Ein amerikanischer Studierender berichtet Ähnliches:
I remember when first learning to read Chinese, we had a character workbook. First we had to learn some radicals and then we started to learn to write down everything we could say in class from the textbook. We were almost never exposed to words, not in the textbook, written or aural. … Even in third year Chinese, when we started to read longer texts, all of the words we didn't know were prepared for us in a vocabulary bank. We were not taught to guess from context or by deconstructing characters. … Nowadays I may try to guess the pronunciation of unknown characters or vocabulary words, but I'm not sure how much what I learned in class helps with this. As for different types of reading skills, we certainly did, in third year, have to do comprehension questions and critical reading questions, but we didn't do much, if any, main ideas reading or skimming or scanning. We had to do a lot of translation on tests (Robert, 25 Jahre, E-Mail vom 13.01.2013).
Auch hier scheint sich Textarbeit weitgehend auf die Vermittlung von Schriftzeichen, Sprachstrukturen und das Übersetzen zu beschränken. Auffallend bei allen Interviews war ebenfalls, dass nie Stellung zu den Inhalten der Texte bezogen wurde. Dies kann verschieden interpretiert werden: Die Texte waren in der Regel wirklich interessant oder es ist generell nicht von Interesse, welche Textinhalte für den Unterricht zur Verfügung standen, Im Mittelpunkt steht nicht der Inhalt, sondern das Lernen und Übersetzen von Schriftzeichen.

Die Tendenz zum Übersetzen als wichtigster Lesestrategie findet sich auch in der Fachliteratur wieder: Diao (2010) weist in ihrer Untersuchung zu Lesestrategien bei deutschen Chinesischlernenden eindringlich auf die Wichtigkeit von Lesestrategien hin und definiert sie zutreffend als "explizit auf Probleme bezogene, teilweise beobachtbare und bewusst einsetzbare Problemlösungstechnik[en] beim Chinesischlernen" (Diao 2010: 172). Sie untersucht die Lesestrategien deutscher Schüler und Schülerinnen während des Lesens chinesischer Texte mit Hilfe des Verfahrens des lauten Denkens (z.B. Heine 2005 und Cohen 1987) und zeichnet dabei ein differenziertes Bild der verwendeten Lesestrategien: Die Probanden konnten "bekannte Teile in unbekannten Schriftzeichen ... erkennen und unbekannte Schriftzeichen als Bestandteil eines bekannten Schriftzeichens zuordnen" (Diao 2010: 176). Ebenfalls waren die Probanden in der Lage, ihr semantisches und grammatisches Wissen aktiv auf Unbekanntes zu übertragen (Diao 2010: 178) und aus dem Kontext angemessen zu erschließen (Diao 2010: 179). Eine weitere, sehr wichtige Lesestrategie ist, dass unbekannten Schriftzeichen keine große Aufmerksamkeit geschenkt wurde und diese als Leerstellen im Text betrachtet wurden (Diao 2010: 180). Allerdings hielten sich die Schüler und Schülerinnen bei unbekannten Wörtern mit bekannten Schriftzeichen lange auf, um deren Bedeutung zu erschließen.

Die von Diao beschriebenen Ergebnisse sind wichtig. Sie schlussfolgert daraus, dass die von ihr angewendete Datengewinnungsmethode des Laut-Denk-Verfahrens den Grad der Metakognition erhöhe (Diao 2010: 181). Hervorzuheben ist, dass die Fragen zum Text in der L1 gestellt wurden, was nahelegt, dass die Autorin das Leseverstehen und die Beantwortung von Fragen als verschiedene mentale Prozesse bewertet. Leider geht sie in ihrem Aufsatz darauf nicht weiter ein. Die Autorin stellt zwar die Wichtigkeit von Lesestrategien heraus, didaktisch-methodischen Konsequenzen formuliert sie jedoch nicht.

Ptaszynski (2009) untersucht, die Beeinflussungsfaktoren von im Unterricht angewendeten didaktischen Methoden für die Lesestrategien von Chinesischlernenden. Sie verglich Studierende auf unterschiedlichem Niveau und aus verschiedenen Institutionen und befragte dazu auch Lehrende mithilfe von Interviews. Ihr Erkenntnisinteresse wurde durch die Tatsache geleitet, dass es in den letzten Jahrzehnten viele Untersuchungen zu Methoden gab, die die Schriftzeichenerkennung fördern – sie bezieht sich dabei u.a. auf die Untersuchungen von Ke (1998) und Shen (2004), sowie auf verschiedene Studien, die den Einfluss verschiedener Lesestrategien auf das Textverstehen untersuchten, wie diejenigen von Everson & Ke (1997) und Lee (1998). Als Ergebnis ihrer Studie stellt die Autorin zu Recht fest, dass das Übersetzen der Texte den Lesefluss verlangsamt. Eine Ursache verortet sie bei der mangelnden Sprechfertigkeit der Studierenden (Ptaszynski 2009: 102). Studierende, die im Chinesischen eine gute Sprechkompetenz aufweisen, nutzen die Strategie, Texte zu deren Verständnis zu übersetzen, weitaus weniger. Ptaszynski kommt zu dem Schluss, dass eine Stärkung der mündlichen Sprachkompetenz dem Lesen förderlich sei:
Focus on spoken language skills in class would thus help students to develop better speaking skills they can draw on while reading. It would also make them avoid having to go through the time-consuming translation (Ptaszynski 2009: 102).
Ihr Ergebnis stützt die Ergebnisse der Studie von Everson aus dem Jahre 1998. Weiterhin stellt die Autorin fest, dass der Schreibunterricht für das Lesen von außerordentlicher Wichtigkeit erscheint:
Teaching character composition beyond the very basic character learning appears to be beneficial, as it allows students to use character analysis effectively to guess at unknown vocabulary. (Ptaszynski 2009: 103)
Auch betont sie die Anwendung von Top down-Strategien für das Textverständnis, ohne jedoch genauer darauf einzugehen (Ptaszynski 2009: 103). Ptaszynskis Ergebnisse sind überaus aufschlussreich, aber auch diese Autorin überlässt es den Lehrenden, sich passende Methoden und didaktische Ansätze zur Vermittlung von Lesestrategien im Chinesischunterricht auszudenken. Aus ihren Ausführungen geht zudem nicht klar hervor, welche Unterrichtsmethoden welche Lesefertigkeiten beeinflussen.

Die Untersuchung von Ptaszynski (2009), aber auch die von ihr analysierten Untersuchungen (Everson und Ke 1997, Ke 1998, Lee 1998, Shen 2004) und auch die Untersuchung von Diao (2010) stellen vor allem den Prozess der Schriftzeichenerkennung als Lesestrategie in den Vordergrund. Wir halten es nicht für ausreichend, die Vermittlung von Lesestrategien als Teil der Wortschatzarbeit und des Schriftzeichenerwerbs zu betrachten. Vielmehr muss diese als eigenständige Fertigkeit im Chinesischunterricht gesondert gefördert werden. Dass dies prinzipiell möglich ist - zumindest auf theoretischer Ebene - wird in Lehrwerken für solche Fremdsprachen gezeigt, die mit einer alphabetischen Schrift arbeiten bzw. sich am Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen (GeR) orientieren.

Aus einer anderen Perspektive nähert sich Schindelin (2012: 62ff) dem Thema Lesen und Leseverstehen im Chinesischunterricht, ohne sich nur auf die Dekodierung einzelner Schriftzeichen zu beschränken. Die Autorin beschreibt den Leseunterricht und zeigt zu Recht die Probleme auf, die dabei durch das Chinesische für deutsche Lernende auftreten:
Eine Ursache des Problems liegt in dem stets begrenzten Inventar an Schriftzeichen, das man kennt und beherrscht. (Schindelin 2012: 62)
Weiter stellt die Autorin fest, dass
die anderen Hindernisse, die das Lesen 'ausbremsen', ... die geringe Übung in und Erfahrung mit der Rezeption der Sprache in Form längerer Phasen als nur Frage und Antwort oder kurzer Dialoge [sind] und daraus folgend die gering entwickelte Fertigkeit, das Aufgenommene strukturell aufzuschlüsseln und inhaltlich zu verarbeiten, also zu verstehen. Auch Fortgeschrittene – das kann man immer wieder beobachten – haben noch Schwierigkeiten, geringfügig komplexere Attribute und adverbiale Bestimmungen zu erkennen und zu verarbeiten. Über die 'reinen' Schriftzeichen- und Vokabelkenntnisse hinaus sind daher tatsächliche 'Sprachkenntnisse' syntaktischer, kollokationeller und pragmatischer Art notwendig sowie eine entwickelte Fertigkeit zu ihrer Verarbeitung, und das alles in einem nicht ganz geringen Maß (Schindelin 2012: 62f).
Die Konsequenz, die sie daraus zieht, dass man Lesen durch Lesen erlerne aber nicht durch Reflektieren über das Lesen (Schindelin 2012: 64), beruht unserer Ansicht nach auf ihren eigenen Erfahrungen (Schindelin 2012: 63). Ihrer Behauptung soll im Folgenden begründet widersprochen und für eine Reflexion des Lesevorganges im Chinesischunterricht plädiert werden.

Chiang (2010: 94) stellt zu Recht fest, dass die meisten Untersuchungen zum Lesen des Chinesischen sich auf die Dekodierung der einzelnen Schriftzeichen beziehen. Die Untersuchungen sind also der Sinographemdidaktik zuzuordnen. Auch die Untersuchungen zum Einfluss der L1 auf die Dekodierung des Chinesischen beziehen sich fast ausschließlich auf die Wortebene. Die wenigen Untersuchungen, die das Textverständnis von Chinesischlernern untersuchen, beziehen sich ihrer Ansicht nach nur auf bereits weit fortgeschrittene Lernende. Die Autorin moniert, dass Untersuchungen zum Lesen chinesischer Texte bei Lernenden mit unterschiedlichen Niveaus fehlen. Ebenfalls stellt sie fest, dass Untersuchungen zu Lesestrategien - aber auch zu einem pädagogisch kohärenten Lesetraining - fehlen. Trotz ihrer Langzeituntersuchung zu den Lesestrategien bei Chinesischlernern auf unterschiedlichen Sprachniveaus ist ihre Kritik u. E. bis heute berechtigt. Die von ihr untersuchten Gruppen sind für eine repräsentative Aussage zu klein, allerdings lassen ihre Ergebnisse deutliche Hinweise auf die Problematik der Lesefertigkeiten bzw. der Lesestrategien bei Chinesischlernern erkennen und geben eine klare Forschungsrichtung vor.

Ebenso ist festzustellen, dass die meisten Untersuchungen zum Lesen von Schriftzeichen mit chinesischen Muttersprachlern durchgeführt wurden (z.B. Spinks, Liu, Perfetti & Tan 2000, Tan, Liu, Perfetti, Spinks, Fox & Gao 2001), so dass in der Konsequenz zwar wichtige neurobiologische Erkenntnisse zur Erkennung von Schriftzeichen zu Tage treten, diese aber nur bedingt auf Chinesischlerner mit anderen Muttersprachen übertragbar sind. Die wenigen Untersuchungen, die sich mit der Schriftzeichenerkennung bei Nicht-Muttersprachlern beschäftigen, gehen von Muttersprachlern des Englischen (meist aus den USA) aus. Dabei wird in der Regel auch die Tatsache vernachlässigt, dass es sich bei Chinesischlernern – zumindest in Kontinentaleuropa - um solche Lernenden handelt, die bereits mehrere (Fremd-)Sprachen beherrschen und neue Fremdsprachen aufgrund früherer Lernerfahrungen und eines größeren metalinguistischen Wissens anders erlernen.

Die Frage, die nun im Raum steht, ist, welche mentalen Prozesse beim Lesen in einer fremden Sprache ablaufen. Wir beschränken uns bei unseren Ausführungen im Wesentlichen auf geisteswissenschaftlich-argumentative Texte; technisch-naturwissenschaftliche Texte werden dagegen hier nicht berücksichtigt. Zunächst wird geklärt, welche mentalen Verarbeitungsprozesse beim Lesen ablaufen. Dabei wird berücksichtigt, inwieweit diese in der L1 erworbenen Fertigkeiten auf das Lesen fremdsprachlicher Texte übertragbar sind. Anschließend werden die verschiedenen Lesestile thematisiert und die Methoden, die der Vermittlung von Lesefertigkeiten im Fremdsprachenunterricht zugrunde liegen, besprochen. Zum Abschluss werden einzelne Methoden mit Blick auf eine praktische Anwendung hin vorgestellt und eingehend erläutert.
Zunächst sollen jedoch einige grundlegende Informationen zur chinesischen Schrift, die im Mittelpunkt dieses Aufsatzes steht, gegeben werden.



2   Die chinesische Schrift

Die chinesische Schrift ist für den Laien wohl auf den ersten Blick immer der faszinierendste Teil der chinesischen Sprache: Die Schriftzeichen sehen wie gemalt, und für den Laien ist auf den ersten Blick scheint keinerlei Systematik erkennbar. In der Fremdsprachendidaktik Chinesisch im deutschen Sprachraum hat es in den letzten Jahren mehrere hervorragende Ansätze gegeben, die Schriftzeichen für Lernende zu systematisieren und zu didaktisieren (Guder-Manitius 1999, Schindelin 2004). Dabei beziehen sich beide Autoren auf eine lange Tradition chinesischer Forschungen zu diesem Bereich, vor allem zur Phonetizität der chinesischen Schriftzeichen.

Im folgenden Abschnitt sollen die Besonderheiten der chinesischen Schrift im Hinblick auf das Lesen kurz dargestellt werden. Bezugspunkt dabei ist, wenn nicht anders angegeben, das Buch von Schindelin (2004), das an dieser Stelle ausdrücklich für eine tiefer gehende Beschäftigung mit diesem Sachverhalt empfohlen wird. Allerdings kann im Rahmen des vorliegenden Artikels keine erschöpfende Darstellung der Besonderheiten der chinesischen Schriftsprache und deren Dekodierung beim Lesen erfolgen. Ziel der Beschreibung ist es lediglich, auf die Besonderheiten, die bei der schriftlichen Rezeption des Chinesischen existieren, hinzuweisen.

In der englischsprachigen Fachliteratur liest man immer wieder, dass es sich beim Chinesischen im Vergleich zu alphabetischen bzw. phonetischen Schriften westlicher Sprachen um eine logographische Schrift handele (z. B. Ho & Bryant 1997: 276). Dabei wird davon ausgegangen, dass jedes Schriftzeichen logographisch ein monosyllabisches Morphem repräsentiert. Dieser Ansatz führte zu der Annahme, dass chinesische Schriftzeichen als Logogramme auswendig gelernt würden (Ho & Bryant 1997: 279). In diesem Zusammenhang wurde die Hypothese des direkten Zugangs zur Bedeutung (direct access hypothesis) vertreten, welche besagt, dass die Bedeutung eines Schriftzeichens direkt bei der visuellen-orthographischen Wahrnehmung erschlossen würde - also ohne den Umweg über eine phonetische Realisierung (z. B. Wong & Chen 1999). Schnell wurde jedoch angenommen, dass diese Herangehensweise die Speicherungskapazität des menschlichen Gehirns übersteige. Andere Modelle legen nahe, dass zur Bedeutungserschließung chinesischer Schriftzeichen sowohl eine graphematische als auch einen phonetische Rekodierung vonstattengeht (vgl. hierzu z.B. die Untersuchungen von Tan & Perfetti 1997, 1998; aber auch Tan, Spinks, Eden, Perfetti & Siok 2005).

Schindelin stellt ausdrücklich fest, dass "Attribute wie 'piktographisch', 'logographisch' oder gar 'ideographisch'" (Schindelin 2004: 5) die moderne chinesische Schriftsprache nicht angemessen charakterisieren. In Anlehnung an De Francis (1984) beschreibt die Autorin die chinesische Schrift als morphosyllabisch:
Hierin kommt zum Ausdruck, dass Schriftzeichen in Texten in aller Regel als jeweils eine Silbe zu lesen sind und sie dabei jeweils ein Morphem – als Morph - realisieren. Diese Bezeichnung betrifft das Verhältnis der Schrift zur phonetischen Ebene der Silben und zur morpho-lexikalischen Ebene. (Schindelin 2004: 5f)
Allerdings wird bei dieser Beschreibung das innere Beziehungsgeflecht der Schriftzeichen vernachlässigt. In Anlehnung an Qiu Xigui (1988: 10ff), der die Beschreibung als morphosyllabische Schrift für nicht ausreichend hält, lässt sich nach Schindelin (2004: 6) die chinesische Schrift typologisch weiterhin als signifisch-phonetische Schrift beschreiben. Die chinesischen Schriftzeichen sind folglich aus drei Komponenten zusammengesetzt: einem Signifikum, einem Phonetikum und einem unmotivierten bzw. mnemonischen Graphem:
Von den mindestens zwei Komponenten eines komplexen Schriftzeichens hat oft eines die Funktion, auf die ungefähre – oder ursprüngliche - Bedeutung hinzuweisen (Signifikum), während ein anderes einen ungefähren Hinweis auf die Aussprache geben kann (Phonetikum). (Schindelin 2004: 6)
Unmotivierte Grapheme lassen synchronisch keinen Rückschluss auf Bedeutungskategorie oder Aussprache zu. Um die Einordnung der chinesischen Schrift typologisch zu vervollständigen, greift Schindelin mit Einschränkungen auch auf die Beschreibung der Schriftsprache durch Haas (1983: 16) als pleremische Schrift zurück (Schindelin 2004: 7f): Als pleremische Schrift bezeichnet Haas solche Schriften, "deren Grundeinheiten sprachliche Einheiten der lexikalischen oder der morphemischen Ebene repräsentieren" (Schindelin 2004: 7).

Schindelin stellt abschließend eine Kategorisierung von Su Peicheng (2001: 93ff) vor, die die Schriftzeichen der Gegenwartssprache nach unterschiedlichen Zusammensetzungsweisen ordnet. Diese Kategorisierung gibt trotz der von Schindelin (2004: 15) berechtigt vorgetragenen Einwände deutlichen Aufschluss darüber, dass es sich bei der chinesischen Schriftsprache nicht um willkürlich gemalte Piktogramme oder Logographen handelt, sondern um ein hochkomplexes Schriftsystem mit einer inhärenten Logik. Chinesische Schriftzeichen lassen sich sechs Kategorien zuordnen:
  1. Assoziativkomposita, die sich aus zwei oder mehr Signifika zusammensetzen.
  2. Signifisch-phonetische Schriftzeichen, die sich aus einem Signifikum und einem Phonetikum zusammensetzen.
  3. Halb signifische, halb mnemonische Schriftzeichen, die sich aus Signifika und Mnemonika zusammensetzen.
  4. Halb phonetische, halb mnemonische Schriftzeichen, die sich aus Phonetika und Mnemonika zusammensetzen.
  5. Einfache mnemonische Schriftzeichen, die aus einem Mnemonikum bestehen
  6. Zusammengesetzte mnemonische Schriftzeichen, die sich aus zwei oder mehreren Mnemonika zusammensetzen (Schindelin 2004: 14).
Aus den Ausführungen zur chinesischen Schriftsprache geht unmissverständlich hervor, dass dem Erwerb chinesischer Schriftzeichen im Unterricht Chinesisch als Fremdsprache berechtigterweise ein breiter Raum eingeräumt werden muss.



3   Mentale Verarbeitungsprozesse beim Lesen
Lesen stellt eine spezifische, zielorientierte Form der rezeptiven Informationsverarbeitung dar, bei der sich die Leser auf die graphischen Zeichen und damit auf eine visuell orientierte Verarbeitungsweise stützen als auch auf sprachlich formale Kompetenzen und auf domänenspezifisches Weltwissen". Noldt & Willenberg 2007: 23)
Für die Lesevermittlung im Fremdsprachenunterricht müssen wir uns zunächst darüber im Klaren sein, was es bedeutet zu lesen. Kenntnisse und Hypothesen über den muttersprachlichen Leseprozess werden weitgehend für den Erwerb des Lesens in der Fremdsprache zugrunde gelegt und darauf übertragen (Lutjeharms 2011: 977, kritisch dazu Grabe 2002).

Ob es sich beim Lesen verschiedener Sprachen um einen universellen mentalen Prozess handelt, lässt sich derzeit nicht abschließend beurteilen. Allerdings lassen die gegenwärtig vorliegenden Forschungsergebnisse dies unter Vorbehalt als recht wahrscheinlich erkennen.
Leseverstehen beruht auf einer rezeptiven Sprachkompetenz, die Informations­verarbeitungs- und Verstehensprozesse voraussetzt (Noldt, Rossa 2007: 197). Rezeptive Sprachkompetenz ist dabei jedoch nicht als passiver Vorgang zu begreifen. Das Lesen ist vielmehr ein aktiver Informationsverarbeitungs- und Verstehensprozess (Krumm 1990: 21).

Dohrn definiert die Lektüre von Texten einfach und sehr zutreffend als die Erschließung und Verarbeitung satzübergreifender Zusammenhänge. Mit dem Adjektiv satzübergreifend meint sie an dieser Stelle, dass die Leser alle Textsorten beliebiger Länge und mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden verstehen können (Dohrn 2007: 163). Lesen bedeutet also Verstehen. Diese vermeintlich triviale Erkenntnis bezieht sich nicht auf die einzelnen Wörter eines Textes, sondern auf die Kompetenz, Texte zu dekodieren und diese inhaltlich wiederzugeben und zu interpretieren. Dieser Prozess schließt verschiedene Transferleistungen auf andere Sinnzusammenhänge ein (Dohrn 2007: 163). Dohrn geht davon aus, dass im Wesentlichen drei empirisch unterscheidbare Teildimensionen in die Lesekompetenz einfließen:
  • Informationen entwickeln
  • textbezogenes Interpretieren
  • Reflektieren und Bewerten
Reflexion und Bewertung stellen die höchste Stufe des Textverstehens dar, da den Lesern abverlangt wird, die neuen Textinformationen mit eigenen Wissensbeständen in Beziehung zu setzen (Dohrn 2007:164). Es wäre jedoch unzulässig vereinfachend anzunehmen, dass die Lesekompetenz gleichsam automatisch als Endprodukt der basalen Lesefähigkeit erreicht wird.

Buhlmann & Fearns definieren Lesen als "eine Form von Kommunikation, die unter Entnahme von Information aus geschriebenen Texten stattfindet" (Buhlmann & Fearns 2000: 235). Beim Lesen wirken verschiedene Faktoren zusammen: Aufmerksamkeit, das Erkennen von Textstrukturmerkmalen und deren Beziehung zueinander, die Speicherung im Gedächtnis und die Antizipation von Inhalten. Die Lesenden müssen also verschiedene komplexe Aktivitäten durchführen. Sie müssen die Sinneinheiten wahrnehmen . d.h. Wörter identifizieren -, deren Funktionen erfassen, das Globalthema erfassen, die Gesamtintention ableiten sowie die verschiedenen Bedeutungsaspekte eines Textes wahrnehmen und in Zusammenhänge einordnen können - also referenzielle Beziehungen herstellen. Hinzu kommen Fertigkeiten wie, die Sätze eines Textes syntaktisch zu analysieren, propositionale Bedeutungen zu erfassen und übergeordnete Einheiten zu bilden (Ehlers 1998:78). Lesen als Verstehen bedeutet in diesem Zusammenhang das Herstellen kohärenter Zusammenhänge, in die sich einzelne Informationen einordnen lassen:
Beim Lesen geht es um die Analyse visueller Informationen, wobei die räumlich präsentierten Schriftzeichen mit sequenziellen Folgen von Lauten verbunden werden müssen. Dabei hängen sowohl sprach- und lesebezogene Prozesse, als auch allgemein kognitive Prozesse zusammen. (Ehlers 1998: 73-74)
An dieser Stelle soll nochmals betont werden, dass das Lesen ein aktiver Prozess ist, der von den Lernenden aktive Verstehensstrategien erfordert, die im Fremdsprachenunterricht idealerweise vermittelt werden sollten. Das Verstehen beim Lesen ist nicht etwa ein Prozess, der automatisch beim Erwerb der Wörter und der morpho-syntaxtischen Strukturen einer fremden Sprache vonstattengeht, sondern er muss gezielt als eigenständige Fertigkeit unter Zuhilfenahme der lexikalischen und morpho-syntaktischen Kenntnisse für jede Sprache neu erarbeitet werden.

In den 1960er Jahren wurde das Lesen entweder als ein Prozess der Hypothesenbildung (Top down-Modell) oder als ein datengeleiteter Prozess (Bottom up-Modell) betrachtet. Seit Mitte der 1980er Jahre geht man jedoch von einem interaktiven Modell aus, in dem die datengeleiteten und erwartungsbestimmenden Prozesse gleichzeitig und interaktiv ablaufen. Dem Lesen wird seitdem Aufmerksamkeit sowohl unter sprachbedingten als auch unter inhaltlichen Gesichtspunkten geschenkt (Lutjeharms 2011: 976). Dazu treten als Prozesse der Informationsverarbeitung die automatische und die bewusste Verarbeitung. Die automatische Informationsverarbeitung läuft rasch und ohne Kapazitätsbeschränkung ab, wohingegen die bewusste Verarbeitung, die für die Aufnahme von Inhalten und neuen bzw. unerwarteten Informationen erforderlich ist, Aufmerksamkeit und Anstrengung erfordert (Lutjeharms 2011: 977). Mit anderen Worten, ist das Lesen sowohl ein automatisch ablaufender als auch ein bewusster Prozess. Beim Lesen in der Fremdsprache wird der bewusste, kapazitätsfordernde Anteil größer sein als in der Muttersprache. Diese Feststellung trifft ebenso auf Texte zu unbekannten und neuen Themen zu. Formbezogene Informationen werden bei guter Sprachbeherrschung von geübten Lesern automatisch verarbeitet, die inhaltlichen Informationen müssen bewusst verarbeitet werden. Dies geschieht durch einen Abgleich mit dem Weltwissen und dem den Lesern bekannten Handlungsschemata. Es kann davon ausgegangen werden, dass geübte muttersprachliche Leser diese Teilfertigkeiten auch in der Fremdsprache anwenden. Diese Teilfertigkeiten müssen also nicht neu erworben werden, sondern in der Fremdsprache eingeübt und trainiert werden.

Stiefenhöfter (1986: 60-62) untergliedert den Leseverstehensprozess in sieben Teilschritte, wobei die ersten drei Schritte einem Dekodierungsprozess und die letzten vier Schritte einer interpretativen Verarbeitung des Textes auf inhaltlicher Ebene entsprechen:
  • Dekodierungsprozess:
    • die Verarbeitung von Buchstaben und Wortformen
    • die Verarbeitung von Wortbedeutungen
    • die semantisch-syntaktische Verarbeitung
  • Interpretationsprozess:
    • die satzübergreifende Verarbeitung (Rekonstruktion der im Text zu lesenden Wissensstruktur)
    • die inferentielle Verarbeitung (weggelassene Propositionen werden vom Lesenden durch Vorwissen substituiert)
    • das elaborierte Interferieren (Lesende setzen den Textinhalt mit allgemeinem Weltwissen in Beziehung)
    • die reduktive Verarbeitung (Reduktion und Anordnung der textuellen Propositionen im Gedächtnis nach inhaltlichen Kriterien)
Lutjeharms (2011: 977f) geht von vier Verarbeitungsebenen aus, die beim Lesen ablaufen:
  • die graphophonetische Ebene
  • die Ebene der Worterkennung
  • die Ebene des syntaktischen Wissens
  • die Ebene der Semantik
Auf der grapho-phonetischen Verarbeitungsebene fixieren Leser mit den Augen verschiedene Fixationspunkte. Geübte Leser fixieren dabei weniger Wörter oder Wortteile als ungeübte Leser. Dies trifft sowohl auf das Lesen in der Muttersprache als auch auf das in der Fremdsprache zu. Beim Lesen in der Fremdsprache sind jedoch im Allgemeinen aufgrund fehlender Sprachkenntnisse mehr Fixationspunkte notwendig, so dass der Leseprozess langsamer verläuft. Solche Wörter, die häufig auftreten, werden schneller verarbeitet. Dieser Prozess trifft anscheinend auch auf das Lesen chinesischer Texte zu, allerdings liegen über Abfolge und Geschwindigkeit noch keine abschließenden Erkenntniss vor (Feng 2006). Feng kann lediglich feststellen, dass die Fixation und die Augenbewegungen beim Lesen chinesischer Texte bei Kindern mit englischer Muttersprache anders ablaufen als bei Kindern mit chinesischer Muttersprache (Feng 2006: 193).

Lutjeharms (2004: 70f) hebt die phonologische Rekodierung für den Leseverstehensprozess hervor. Es kann davon ausgegangen werden, dass die phonologische Repräsentation eines Wortes notwendig ist, um die Information im Arbeitsgedächtnis für die Weiterverarbeitung bereitzuhalten.

Ob dies beim Chinesischen als Muttersprache auch der Fall ist, ist umstritten (Wang, Yang 2008: 141; Hanley 2005: 325ff). Für Nicht-Muttersprachler kam Everson bereits 1998 in einer Untersuchung von 20 Studierenden zu folgendem Ergebnis:
Because the data in this study suggest that knowing the meaning and the pronunciation of characters seems to be closely related, the memorization of the large amount of characters needed for even beginning literacy seems doomed to failure without firm spoken language support (Everson 1998: 201).
Wu konnte dieses Ergebnis in einer neueren Untersuchung mit 65 Teilnehmern auch schriftzeichenübergreifend bestätigen (2012: 1-22) und führt diese Tatsache darauf zurück, dass die Lernenden:
had the privilege to search their lexicon to match the sound and the meaning, in addition to processing the graphic features of characters to recall meaning. (…) Furthermore, without relying on processing graphic features of characters to access meaning and segment words, participants could allocate more attention and cognitive resources for higher level text comprehension and could employ more holistic reading strategies to construct meaning from the top down (Wu 2012: 12-13).
Weiterhin stellt Wu fest:
Reading became less laborious after the phonological stimulus lifted participants beyond the word-by-word decoding task, allowing them to process meaning in larger chunks. (Wu 2012: 13)
Für Studierende, die Chinesisch als Fremdsprache lernen, kann man wohl berechtigterweise davon ausgehen, dass eine phonologische Repräsentation des Wortes den Verstehensprozess unterstützt. Allerdings existieren auch neuere Untersuchungen, die vorsichtig davon ausgehen, dass eine gute Schreibfertigkeit den Zugang zur Bedeutung der einzelnen Schriftzeichen positiv unterstützt (Tan, Spinks, Eden, Perfetti & Siok 2005).

Auf der Ebene der Worterkennung findet der lexikalische Zugriff auf bereits bekannte Formen im mentalen Lexikon des Lesers statt. Dabei kommt es anfänglich in einer Fremdsprache bei ungeübten Lesern zu Übersetzungen in die Muttersprache oder eine andere, vorher gelernte Fremdsprache (Lutjeharms 2004: 72). "Wörter in einem passenden Kontext werden schneller erkannt als isolierte Wörter" (Lutjeharms 2011: 978). Ursache dafür ist der sogenannte Priming-Effekt, bei dem benachbarte Stellen im mentalen Lexikon mit aktiviert werden und auf diese Weise das Verstehen in einem Netzwerk vereinfachen.

Auf der syntaktischen Verarbeitungsebene werden syntaktische Indikatoren verarbeitet. Im Allgemeinen geht die Forschung davon aus, dass viele der syntaktischen Indikatoren zu den Einträgen im mentalen Lexikon gehören. Dies betrifft Informationen zur Wortklassenzugehörigkeit, die morpho-syntaktische Struktur und die Valenz der Verben (Lutjeharms 2004: 74ff). Bei guter Sprachbeherrschung gehen Worterkennung und syntaktische Analyse automatisch vor sich (Lutjeharms 2011: 978).

Das eigentliche Textverstehen läuft auf der semantischen Verarbeitungsebene ab. Es entsteht aus der Interaktion der oben ausgeführten Dekodierungsprozesse mit dem inhaltlichen Vorwissen. Dieser Arbeitsschritt erfordert Aufmerksamkeit (Lutjeharms 2011: 978), er geht also nicht automatisiert vonstatten.

Das Ergebnis des Leseprozesses ist die mentale Repräsentation des Textinhaltes. Diese ergibt sich aus einer Verdichtung der Textinformationen im Abgleich zum Vorwissen:
In dieser Gedächtnisrepräsentation des Textes ist die Sprachstruktur nicht enthalten. (Lutjeharms 2011: 978f).
Mit anderen Worten bedeutet dies, dass das inhaltliche Wissen durch den Leseprozess erweitert wird. Dieses kann durch die Studierenden jedoch nicht unbedingt in einer richtigen oder angemessenen Form schriftlich bzw. mündlich in der Fremdsprache wiedergegeben werden, denn dafür müssen dann andere Sprachfertigkeiten herangezogen und geübt werden.

Unterschiede zwischen dem Lesen in der Muttersprache und demjenigen in der Fremdsprache ergeben sich bezüglich des Ausmaßes, in dem einzelne Wörter und syntaktische Strukturen interpretiert sowie Wortfolgen antizipiert werden (Noldt & Willenberg 2007: 28). Der Leseerfolg in der Fremdsprache hängt letzlich auch davon ab, ob die Lesenden die Lesestrategien aus der Muttersprache auf die Fremdsprache übertragen können (Alderson 1984 und 2000). 

Während die obigen Ausführungen allgemein vom Lesen in einer Sprache ausgehen, ohne zwischen dem Lesen von Texten in der L1, L2 oder gar L3 zu unterscheiden, hat Berthele (2007) ein Modell einwickelt, das den Prozess des Verstehens und Erschließens beim Lesens von Texten in einer Tertiärsprache (L3) genauer erläutert. Einschränkend muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass sich Berthele auf das Lesen von alphabetischen kodierten - genauer gesagt, germanischen - Sprachen und nicht auf Sprachen mit signifisch-phonetischen Schriftzeichen bezieht. Eine direkte Übertragung seines Modells ist aufgrund der unterschiedlichen Verschriftung des Chinesischen sehr schwierig, da weder auf der graphemischen noch auf der phonetischen Ebene ein Rückschluss auf die L1 oder L2 der Lernenden zugelassen wird. Teile seines Modells sind jedoch durchaus übertragbar, besonders im Hinblick auf die Einübung von Lesestrategien: Zunächst stellt Berthele (2007: 16) fest, dass das Produkt sprachlichen Verstehens ein mentales Modell ist. Mentale Modelle zeichnen sich dadurch aus, dass sie
typischerweise systematisch aufeinander bezogene Informationen bezüglich der am Geschilderten Beteiligten (Menschen, Dinge, Entitäten) enthalten, sowie die örtlich-lokalen, temporalen, kausalen und intentionalen Relationen zwischen ihnen. (Berthele 2007: 16) [Hervorhebungen im Original, C.M.].
Das mentale Modell konstituiert sich aus "einer Vielzahl von sprachlichen und nicht-sprachlichen Wissensbeständen" (Berthele 2007: 17). Sprachliche Wissensbestände umfassen u.a. das mentale Lexikon, aber auch Schemata, die etwa die Satzstruktur oder Struktur(en) gesamter Texte (Textsortenschemata) betreffen. Das mehrsprachige Verstehenssystem verfügt aber auch über sprachbezogenes Strategiewissen, "d.h. über gezielt einsetzbare kognitive Operationen, die es erlauben, dem nicht direkt Verständlichen einen Sinn zu entlocken" (Berthele 2007: 18). Nichtsprachliches Wissen umfasst das, was im Allgemeinen als Weltwissen bezeichnet wird. Berthele schließt auch den unmittelbaren Kontext und den Kotext als entscheidenden Faktor in den Verstehensprozess mit ein (Berthele 2007: 18) und kommt zu folgendem – im Hinblick auf die Vermittlung von Lesestrategien sehr wichtigen und eindeutigen – Schluss:
Das mentale Lexikon mag für bestimmte Sprachen erst einmal sehr klein erscheinen, die grammatischen Satzschemata mögen erst sehr partiell erworben sein, doch immer verfügen wir über die grundsätzliche Fähigkeit des Erschließens, des hypothetischen Bildens von Regeln auf Basis von wenig vertrautem Input (Berthele 2007: 25).
Das mentale Modell ist also nicht als statisch anzusehen: Es wird im Laufe des Leseprozesses ständig aktualisiert, revidiert und verfeinert (Berthele 2007: 22) und speist sich aus verschiedenen Kenntnissen und auch aus Erfahrungen mit verschiedenen vorher gelernten Sprachen, meist dem Englischen, aber auch z. B. dem Französischen oder dem Lateinischen. Diese Tatsache kann für das Trainieren des Leseverstehens im Chinesischunterricht ausgenutzt und gezielt vermittelt werden, wie weiter unten gezeigt werden soll.



4   Zur Klassifikation verschiedener Lesestile

Es kann davon ausgegangen werden, dass sich jeder Studierende bereits in der Muttersprache verschiedene Lesestile angeeignet hat, so dass diese im Fremdsprachenunterricht nicht mehr neu eingeführt werden müssen. Sie können dann zur Erreichung verschiedener didaktischer Ziele eingesetzt werden.

Da die Studierenden aber in der Regel nicht über ihre Lesestile reflektieren, ist es nicht möglich, eine automatische Übertragung auf das Lesen in der Fremdsprache zugrunde zu legen. Eine Bewusstmachung der Lesestile ist also als pädagogisches Ziel auch Gegenstand des Fremdsprachenunterrichts. Es kann zwischen folgenden Lesestilen unterschieden werden:

Orientierendes Lesen (Skimming)
Beim orientierenden Lesen geht das Hauptinteresse des Lernenden dahin, sich grob über den Inhalt des vorliegenden Textes zu informieren. Dabei stellt er z.B. fest, um welche Art von Text es sich handelt. Auch werden Informationen aus den dem Text zugeordneten Bildern, Grafiken oder Überschriften zum Textverständnis entnommen. Ebenso kann der Leser hierbei nach häufig vorkommenden Schlüsselwörtern suchen.

Suchendes Lesen (Scanning)
Beim suchenden Lesen versuchen die Leser, bestimmte gedankliche Inhalte oder bestimmte, besonders wichtige Wörter wiederzufinden. Der Blick der Leser gleitet quasi diagonal über den Text.

Kursorisches Lesen
Beim kursorischen Lesen versuchen die Leser, den wesentlichen Inhalt der einzelnen Abschnitte zu erfassen, ohne sich jedoch dabei auf bestimmte Begriffe und Wörter zu konzentrieren (Lutjeharms 2002: 120).

Totales Lesen
Beim totalen Lesen versuchen die Leser, möglichst alle Informationen des Textes zu erschließen, zu verarbeiten und mit ihrem Vorwissen abzugleichen.

Argumentatives Lesen
Der für unser Anliegen wohl wichtigste Lesestil für geisteswissenschaftliche Fachtexte ist das argumentative Lesen. Lutjeharms beschreibt das argumentative Lesen als
intensive Auseinandersetzung mit dem Textinhalt, wobei viel elaboriert wird, d.h. Inferenzen zum Textinhalt gebildet werden, die von den Verfassenden nicht intendiert wurden (2011: 981).
Der Inhalt des Textes wird nicht nur mit dem vorhandenen Vorwissen abgeglichen, sondern auch kritisch hinterfragt bzw. fördert eine kritische Auseinandersetzung mit dem vorhandenen Vorwissen.


5   Die Vermittlung von Lesestrategien

An dieser Stelle muss der Frage nachgegangen werden, wie das Lesen bzw. Lesestile im Chinesischunterricht vermittelt werden können. Im Folgenden beziehen wir uns nicht nur auf eigene Erfahrungen im Fremdsprachenunterricht, sondern auch auf diejenigen von Janzen (2002), die in ihrem Artikel "Teaching Strategic Reading" ausführlich die Grundlagen für das Lesen im Unterricht darlegt.

Der traditionelle Leseunterricht verläuft oft wie hier in Kapitel 1 beschrieben: Der Lehrende liest den Text vor, erklärt dann neue Wörter und fordert die Studierenden anschließend dazu auf, den Text noch einmal - sei es zu Hause oder in der Klasse - zu lesen und dazu einige mehr oder weniger interessante Fragen zu beantworten. Diesem Ansatz stellt Janzen ihren eigenen gegenüber, der vor allem Lesestrategien vermittelt. Wir teilen ihren Ansatz. Im Mittelpunkt dieser Methode steht der Umgang mit Lesestrategien. Dieser ist mit dem pädagogischen Ziel verbunden, die Studierenden zu eigenständigen und autonomen Lesern - auch ganz im Sinne von Buhlman & Fearns, 2000: 235ff) - zu erziehen.

Der Unterricht kann laut Janzen (2002: 289) in fünf Teilschritte unterteilt werden:
  • prinzipielle Diskussion zu Lesestrategien,
  • Lernen am Modell des Lehrenden,
  • Lesen des Textes oder der Txte durch die Studierenden,
  • Analyse der verwendeten Lesestrategien,
  • regelmäßiges Besprechen der individuellen Lesestrategie.
In der ersten Phase versuchen die Lehrenden im Unterrichtsgespräch zu erfahren, welche Lesestrategien die Studierenden bereits kennen und anwenden. Die Lehrenden können ebenfalls unbekannte Strategien vorstellen. Nachdem die verschiedenen Strategien schriftlich gesammelt wurden, müssen diese geordnet werden. Damit soll erreicht werden, Strategien zu identifizieren, die helfen, das Leseverstehen zu verbessern und die Lese-Effizienz zu erhöhen. Durch das Erkennen der Strategien erfahren die Studierenden, wie erfahrene Leser Texte rezipieren. Diese Kenntnisse ermöglichen es den Lesern im Endeffekt, die gelesenen Textinhalte aktiv in ihren jeweiligen Wissensbestand zu integrieren. Dabei können die Studierenden ihr eigenes Textverständnis überwachen und dieses mit ihrem allgemeinen oder fachspezifischen Vorwissen verbinden (Janzen 2002: 289).

Dieses theoretische Wissen um Lesestrategien reicht jedoch nicht aus. In der zweiten Phase sollten die Lehrenden den Studierenden den Leseprozess durch lautes Vorlesen und lautes Mitdenken vormachen. Dies kann einsprachig oder auch zweisprachig geschehen. Hierbei können die Studierenden beobachten, wie verschiedene Strategien beim Lesen angewendet werden, z. B. Fragen stellen, Vorhersagen treffen, diese Vorhersagen überprüfen, zusammenfassen oder paraphrasieren (Janzen 2002: 289).

In der dritten Phase sollten die Studierenden nun selbst den Text lesen und laut mitdenken, um ihre Lesestrategien und somit ihre Lesefertigkeit zu trainieren. Dies wird natürlich nicht auf Anhieb funktionieren. Aber mit durch regelmäßiges Training und entsprechende Wiederholung im Unterricht werden diese Lesestrategien immer weiter verbessert und folglich damit auch die Lesefertigkeit gesteigert.

In der vierten Phase müssen dann die verwendeten Strategien zusammengetragen und analysiert werden. Ziel dieser Phase ist es, einen Katalog von Lesestrategien zu erstellen. Hier sollte überlegt werden, wann welche Strategien eingesetzt werden und warum (Janzen 2002: 290ff).

Die von Janzen geforderte fünfte Phase - die regelmäßige Besprechung individueller Lesestrategien - muss u. E. nicht im Unterricht geschehen, sondern kann in Partner- oder Gruppenarbeit auch außerhalb des Unterrichts durchgeführt werden. Allerdings sollten die Lehrenden regelmäßig auf die individuellen Lesestrategien der Studierenden eingehen, diese hinterfragen und ggf. kommentieren.

Die Frage, ob und in welcher Phase die Erklärung neuer Wörter oder grammatischer Strukturen stattfinden soll, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls zu bedenken. Bei den oben dargestellten fünf Phasen handelt es sich ausschließlich um die Vermittlung von Lesekompetenz. Wortschatzvermittlung, Grammatikvermittlung und die Vermittlung von Lesekompetenz werden im Chinesischunterricht oft als ein und derselbe Schritt betrachtet. Es erweist sich allerdings von Vorteil, wenn diese zu vermittelnden Kompetenzen getrennt voneinander unterrichtet werden.



5.1 Methodische Vorgehensweise zum Texterschließen im Unterricht

Der Prozess des Lesens gleicht eingangs einer Kombination von orientierendem und suchendem Lesen. Abschließend erst erfolgt das totale Lesen, bei dem versucht wird, mit Hilfe von Vorwissen und intelligentem Schlussfolgern möglichst viele Textinformationen zu erschließen. Bei Wagner (2007: 86) findet sich dafür eine hinlänglich bekannte Vorgehensweise in fünf Schritten. Jeder Schritt in diesem Prozess ist mit der Beantwortung verschiedener Fragen verbunden. Es muss hierbei hervorgehoben werden, dass sich das Wissen über die Sprachstruktur der Fremdsprache additiv mit jedem weiteren gelesenen Text erweitert. Die zu jeder Phase aufgeführten Fragen helfen sowohl bei der inhaltlichen Arbeit als auch bei der Reflexion über den Leseprozess.



5.2 Texteinstieg und Vorentlastung

Im Rahmen unserer Überlegungen zu Texteinstieg und Vorentlastung gehen wir von zentralen Leitfragen aus.

Um welche Textsorte handelt es sich bei dem vorliegenden Text?
Aufgrund typographischer und anderer visueller Hinweise lässt sich oft feststellen, um welche Textsorte es sich handelt (z.B. Zeitungsartikel, wissenschaftlicher Text)

Welche Informationen kann ich aus der Überschrift entnehmen? Gibt es darin Eigennamen oder Internationalismen, die eine Eingrenzung der Thematik zulassen?
Anhand dieser Leitfrage lassen sich erste Informationen über den Textinhalt erkennen, die eine Einordnung in einen mentalen Zusammenhang ermöglichen.

Welches Thema wird in dem Text diskutiert? - Welches Vorwissen habe ich dazu?
Die Studierenden sollen an dieser Stelle das Textthema exakt formulieren. Eine Verbalisierung - sei es mündlicher oder schriftlicher Art - ermöglicht es ihnen, das Thema genau einzugrenzen und ihr Vorwissen dazu einzuschätzen. In diesem Schritt kann das gesamte Vorwissen zu dieser Thematik gesammelt und gegebenenfalls in Form einer mind map systematisiert werden.
Für den Chinesischunterricht bietet es sich an, das Vorwissen durch einen Text in der L1 der Studierenden zu aktivieren. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass es sich nicht um eine Übersetzung des zu bearbeitenden deutschen Textes handelt. Idealerweise sollte der chinesische Text Wissen anbieten, welches über das des L1-Textes hinausgeht.

Welche Informationen kann ich aus Illustrationen und anderen visuellen Elementen erschließen?
Dieser Arbeitsschritt ist bei geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachtexten in der Regel nicht generell durchführbar, da diese - ganz im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen oder technischen Fachtexten - seltener mit Illustrationen oder Tabellen versehen sind. Sind jedoch Illustrationen oder bildliche Darstellungen im Text vorhanden, so sollten diese zur Vorentlastung des Textinhalts herangezogen werden. Die Textgliederung lässt sich beispielsweise anhand typo- oder auch topographischer Mittel erkennen, was jedoch nur bedingt Vorhersagen zum Textinhalt zulässt.

Welche Informationen erwarte ich?
Anhand der Überschrift, des Vorwissens und gegebenenfalls der Illustrationen können die Studierenden ihre Erwartungshaltungen an den Text formulieren. In diesem Schritt geht es vor allem darum, eine Leseabsicht aufzubauen, mit deren Hilfe sich die Leser dem Text nähern. Dafür müssen für die Lektüre klar definierte Ziele vorgegeben werden. Dies kann dadurch erreicht werden, dass die Lehrenden genaue Aufgabenstellungen vorbereiten und diese von den Studierenden vor der Textlektüre gelesen und verstanden werden. Im Sinne des lernerzentrierten Unterrichts können die Studierenden dies jedoch auch in Eigenregie bewältigen. Dazu bieten sich alle grundlegenden Sozialformen an: Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit.
Als Folge der dadurch hergestellten Leseabsicht werden die Leser sich nicht im totalen Lesen verlieren, sondern sie werden den Mut dazu aufbringen, über Unverstandenes hinwegzugehen und sich zielgerichtet an dem zu orientieren, was sie verstanden haben. Dadurch wird von Anfang an ein Leseziel etabliert, und es findet eine gewisse Annäherung an das Lesen in der Muttersprache statt, "das auch immer unter einer - allerdings selbstbestimmten - Zielsetzung steht" (Buhlmann & Fearns 2000: 244).

Welche Wörter und Fachbegriffe können erwartet werden?
In dieser Phase bietet es sich an, erwartete Fachbegriffe, Wörter und Wortgruppen zwecks Vorentlastung zu sammeln, zu klären und zu systematisieren. Mithilfe dieses Vorgehens werden die Erwartungshaltungen noch einmal bestätigt bzw. modifiziert. Zudem erleichtert die Kenntnis der Fachlexik die erste Gesamtlektüre.



5.3 Lektürephasen

5.3.1 Erste Gesamtlektüre

Auch der vorliegende Abschnitt sollen anhand einer grundlegenden Leitfrage gestaltet sein.

Welche Textinhalte bzw. Textstellen habe ich verstanden?
In dieser Arbeitsphase sollte der gesamte Text relativ zügig gelesen werden - idealerweise von gleichzeitigem Hören begleitet. Dies akustische Komponente kann dabei durch die Lehrenden oder durch eine Tonaufnahme realisiert werden. Die phonologische Präsentation hilft schwächeren Lernenden und ist generell bei schwierigen Textvorlagen empfehlenswert. Dies hängt mit der bewussten Verarbeitung im Arbeitsgedächtnis zusammen, in dem die Informationen für einen kurzen Zeitraum bereitgehalten werden müssen, um ein Textverständnis zu ermöglichen (s.o. und Lutjeharms 2011: 977f). Das eigentliche Ziel dieser Arbeitsphase ist die Dekodierung des Gesamtzusammenhangs. Nach der ersten Lektüre sollten die Studierenden sich über die verstandenen Textstellen austauschen. Durch eine Bewusstmachung des Verstehens wird gleichzeitig ein Antizipieren der nicht verstandenen Textstellen ermöglicht. Erst bei der zweiten Gesamtlektüre sollen die Textstellen bearbeitet werden, die nicht verstanden wurden.



5.3.2 Zweite Gesamtlektüre

Die für diese Phase identifizierbare Leitfrage ist die folgende:

Welche Textstellen habe ich aufgrund fehlenden Wissens nicht verstanden?
Es geht hier nicht nur darum, diese Textstellen zu identifizieren, sondern auch darum zu überlegen, warum das Verständnis beeinträchtigt wurde. Dies kann an syntaktischen bzw. morpho-syntaktischen Problemen, aber auch an lexikalischen Schwierigkeiten liegen. Die Studierenden sollten an dieser Stelle ihre Probleme selbst identifizieren. Diese können anschließend gesammelt und erklärt werden. Durch langjährige Berufserfahrungen haben wir die Erfahrung gemacht, dass Studierende in der Regel diese Probleme selbst lösen können, wenn sie in der Lage sind, sie zu identifizieren. Dies kann unter andrem mithilfe von Leitfragen seitens der Lehrenden geschehen.



5.3.3 Dritte Gesamtlektüre

Für diese Phase ergibt sich die folgende Leitfrage:

Habe ich den Text in seiner Gesamtheit verstanden? - Wurden meine Erwartungen (Hypothesen) erfüllt?
Bei der dritten Gesamtlektüre soll noch einmal das gesamte Textverständnis überprüft werden. Dabei soll das neu erworbene inhaltliche Wissen mit den Erwartungen, die am Anfang des Textlektüre formuliert wurden, abgeglichen werden. Es empfiehlt sich, die Erwartungen an den Text zu Beginn der ersten Phase schriftlich zu fixieren, um nunmehr eine Überprüfung dieser zu ermöglichen. Nun müssen die Lernenden entscheiden, ob ihre Erwartungen durch die Textlektüre erfüllt werden konnten.
In einem letzten Teilschritt sollte noch kontrolliert werden, ob der Text in sprachsystemischer Hinsicht verstanden wurde - Dies allerdings immer unter der Bedingung, inwieweit dies für das Textverständnis notwendig ist. Die Studierenden können sich selbst die folgenden Unterfragen stellen: Was habe ich nicht verstanden? Sind die nicht-verstandenen Elemente für das Textverständnis wichtig? Die Lehrenden sollten abschließend Möglichkeiten dafür aufzeigen, diese sprachsystematischen Wissenslücken zu füllen.



6  Die Einübung des Leseverstehen während des Unterrichts und nach dem Unterricht

Buhlmann & Fearns führen in ihrem Handbuch des Fachsprachenunterrichts eine große Anzahl von Übungen auf, die zur Vermittlung fachsprachlicher Lesekompetenz in den Unterricht integriert werden können (Buhlmann & Fearns 2000: 238ff). Diese Übungen wurden vor allem mit Blick auf den naturwissenschaftlichen oder technischen Fachsprachenunterricht zusammengestellt. Solche Übungsformen sind natürlich nicht neu; sie werden seit langem im Fremdsprachenunterricht angewendet.

Die hier vorgestellten Übungen können einsprachig oder auch mehrsprachig durchgeführt werden. Der Vorteil der zweisprachigen Vermittlung ist die Rationalisierung des Unterrichts. In der Regel bietet sich die Muttersprache der Studierenden an, unter Umständen kann man auch auf das Englische als Brückensprache zurückgreifen. An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Informationseinheit in einer Sprache nicht etwa das Wort, sondern der gesamte Text ist. Erst im gesamten Text wird die Kommunikationsabsicht erkennbar.

Im Einzelnen sind zur Einübung des Leseverstehens die folgenden Übungen vorstellbar.


6.1 Übungen zu Text- und Satzinformationen

a) Unterstreichen von graphisch Hervorgehobenem, Zahlen, Symbolen, Ortsnamen, Namensangaben.
Dies sind die Kerninformationen im Text (Buhlmann & Fearns 2000: 245). In fast allen Texten kommen diese Informationen vor, die eine situative Einbettung erlauben.

b) Betrachtung und Besprechung von Skizzen, Abbildungen, Tabelle, o.ä.
Idealerweise wird auch hierbei das Textvorverständnis mit Hilfe visualisierter Kerninformationen vorentlastet und dient der situativen Einbettung. Gegebenenfalls müssen vorab von Seiten der Lehrenden Hilfestellungen - z.B. spezifische kulturelle Hinweise - zur Dekodierung der Visualisierungen gegeben werden (vgl. dazu Merkelbach 2013).


6.2 Übungen zur Entwicklung der Lesestile

6.2.1 Übungen zum orientierenden Lesen

a) Gezielt Antworten auf Fragen suchen.
Das Verständnis der Fragen muss allerdings vorher gesichert sein. Auch geht es hierbei um Fragestellungen, die nicht dazu verleiten sollen, Einzelheiten aus dem Text herauszusuchen.

b) Anhand von Inhaltsverzeichnis, Überschriften, oder Ähnlichem konkret
entscheiden, ob der zu lesende Text dem Leseinteresse entspricht.
Gegebenenfalls kann der zu lesende Text dann auch beiseite gelegt werden, und die Stu­dierenden können dazu aufgefordert werden, solche Texte einzubringen, die ihrem Interessensgebiet entsprechen.

6.2.2 Übungen zum suchenden Lesen

a) Ein Flussdiagramm erstellen.
Ein solches Flussdiagramm kann bereits graphisch vom Lehrenden vorbereitet worden sein, und die Studierenden müssen es in der L1 oder L2 ausfüllen. Schaltstellen sollten durch entsprechende Symbole oder durch entsprechende Hinweise in der L1 oder der L2 kenntlich gemacht werden.

b) Textvergleiche mit Paralelltexten in der L1 oder L2 oder L3 erstellen.
Diese Übung hilft den Studierenden unmittelbar, ihre bei der Lektüre aufgestellten Hypothesen zu überprüfen, verleitet sie jedoch auf Dauer dazu, sich auf den Paralleltext zu verlassen und den eigentlichen Text nicht mehr (aufmerksam) zu lesen.

c) Multiple-Choice-Fragen, deren Antworten ja bereits vorgegeben sind, mit Hilfe des Textes bearbeiten lassen.
Allerdings sollten die Antworten sich nicht in irreführenden Kleinigkeiten, sondern hinsichtlich bedeutungstragender Aspekte unterscheiden.

d) Ausformulierte Fragen beantworten lassen.
Dabei entsteht jedoch oft das Problem, dass sich die Lernenden nicht in der Lage sehen, diese in der L2 zu beantworten. Ihnen sollte freigestellt werden, dass sie dies auch in der L1 tun können, da es hier um das Leseverstehen und nicht um die Schreibfertigkeit in der Fremdsprache geht.

e) SQRRR – Survey-Question-Read-Recite-Review
Das ist wohl einer der bekanntesten Methoden zum suchenden Lesen. Sie basiert auf der Idee von Robinson (1970). Man kann hier in fünf Schritten vorgehen:
  • S wie Survey: Die Lesenden schaffen sich zunächst einen Überblick mit Hilfe von Überschriften, Fotos oder Grafiken.
  • Q wie Question: Ehe die Leser den Text rezipieren, sollten sie die Fragen sammeln, von denen sie hoffen, dass der Text sie beantworten kann.
  • R wie Read: In dieser Phase gehen die Leser den Text aufmerksam durch. Die Geschwindigkeit des Rezeptionsprozesses wird durch die Zielsetzung, das Interesse und den Schwierigkeitsgrad gesteuert.
  • R wie Recite: In diesem Schritt sollen die Leser sich an das Gelesene erinnern. Dies kann durch ein Gespräch mit den Tischnachbarn oder durch stichwortartige Aufzeichnungen geschehen.
  • R wie Review: In der letzten Phase wird der Text noch einmal gelesen, dabei überprüfen die Leser ihr Textverständnis.


6.2.3 Übungen zum kursorischen Lesen

a) Zuordnung von Stichpunkten zu passenden Textteilen / Absätzen
Diese Stichpunkte werden vor der Textlektüre von den Lehrenden zur Verfügung gestellt. Es ist aber zu beachten, dass die Bedeutung der jeweiligen Stichpunkte bekannt ist bzw. im Vorfeld geklärt wird.

b) Erstellen eines Flussdiagrammes durch die Studierenden
Dies geschieht in dieser Phase ohne graphische Vorbereitung seitens des Lehrenden.

c) Einteilen des Textes in Textabschnitte
Diese Aufgabe eignet sich für bereits fortgeschrittene Lerner. Dabei werden mit Hilfe eines Wortverarbeitungsprogramms vor der Lektüre die einzelnen Absätze im Text entfernt. Die Lernenden sollen diese dann wieder erstellen.

d) Wiederherstellen von Textlogik.
Der gesamte Text wird zunächst in größere Abschnitte zergliedert und an die Studierenden ausgeteilt. Diese müssen den Text nun in seiner logischen Reihenfolge rekonstruieren. Diese Textarbeit kann gut in Kleingruppen durchgeführt werden. Anschließend müssen die einzelnen Gruppen ihre Zuordnung argumentativ begründen.

e) Heraussuchen von Stichpunkten zum Text.
Dabei muss allerdings klar sein, was denn unter 'Stichpunkten' gemeint ist. Oft schreiben die Studierenden lediglich unbekannte Wörter oder Wortgruppen heraus, denn sie orientieren sich nicht inhaltlich am Text, sondern gehen eher ihren fremdsprachlichen Problemen nach.



6.2.4 Übungen zum totalen Lesen

Methodisch hat es sich als sinnvoll erwiesen, dem totalen Lesen das suchende Lesen mithilfe von SQRRR (vgl. Kap. 6.3.2) vorzuschalten. So können die an den Text geweckten Erwartungen der Studierenden genutzt werden. Nach SQRRR ergeben sich folgende Übungen zum totalen Lesen:

a) Vergleich zwischen zielsprachlichem und ausgangssprachlichem Text.
Dabei sollen die Studierenden die Unterschiede in beiden Texten herausarbeiten und anschließend kritisch analysieren. Dabei geht es vor allem darum, ob beide Texte identisch sind, oder ob es durch die Übersetzung zu inhaltlichen Verschiebungen kommt.

b) Notieren von Stichpunkten.
Diese Stichpunkte dienen der Erstellung eines Paralleltextes.

c) Übertragung von Begriffen in einen Lückentext (Paralleltext), der bereits von den Lehrenden vorbereitet wurde.
Diese Arbeit kann bei fortgeschrittenen Lernenden auch von diesen übernommen werden. Nach der Übertragung von Begriffen in den Lückentext müssen diese Paralleltexte jedoch gemeinsam oder in Gruppenarbeit auf ihre Referenzidentität überprüft werden.

d) Ausfüllen von Flussdiagrammen.
Hier gelten entsprechend die in Kap. 6.3.2 und 6.3.3 gemachten Aussagen.

e) Erstellung einer Vergleichstabelle in L1 und Chinesisch.
Um das Arbeitsgedächtnis vor allem bei längeren Texten zu entlasten, bietet es sich an, die Textinhalte stichwort- oder phrasenartig in einer Vergleichstabelle in der L1 und auf Chinesisch niederzuschreiben. Dies schafft neue Ressourcen für den weiteren Leseprozess und ermöglicht es, die bereits verstandenen Inhalte für die weitere Lektüre nutzbar zu machen.

f) Textvergleich mit einem Paralleltext.
Ein Paralleltext ist eine vereinfachte Form des Ursprungstextes, der sich auf die groben Inhalte beschränkt. Es hat sich in der Unterrichtspraxis herausgestellt, dass Leser einen Paralleltext oft schnell zu Orientierung erfassen können und dann (für sie) wichtige oder weiterführende Informationen - z.B. Attribuierungen - für das totale Textverständnis gezielter aufnehmen können.

g) Einteilung / Untergliederung in Absätze.
Hierbei werden alle Absätze aus dem Text mit Hilfe eines Textverarbeitungsprogramms entfernt. Die Studierenden sollen diese wieder einfügen. Die Kontrolle kann entweder gemeinsam in der Gruppe stattfinden oder durch Softwareprogramme geleistet werden.

h) Rekonstruktion des Textes aus Einzelteilen des Textes.
Im Vergleich zu oben (vgl. Kap. 6.3.3; Wiederherstellen von Textlogik) werden hier nicht einzelne Textabschnitte vorgegeben, sondern der gesamte Text wird willkürlich in kleinste Textteile geschnitten und verteilt. Zunächst müssen die Studierenden die einzelnen Textabschnitte rekonstruieren, um dann abschließend den gesamten Text zusammenzustellen.



6.2.5 Übungen zum argumentativen Lesen

Argumentatives Lesen ist im Unterricht sehr schwer zu üben. Es erfordert einen ständigen Gedankenaustausch zwischen den Studierenden. Wichtig ist es hierbei, die Inhalte des Textes mit Wissen und Sachverhalten, die nicht innerhalb des Textes erwähnt werden, in Verbindung zu bringen. Folgende Methoden bieten sich dafür an:

a) Verknüpfung des Gelesenen mit Hilfe eines Assoziogramms mit anderen Texten und Sachverhalten, die zum allgemeinen oder speziellen Fachwissen gehören.
Dafür bietet sich die Arbeit mit Computern oder in Bibliotheken an, damit ein ständiger Zugriff auf dieses Material gewährleistet ist. Bei dieser Arbeitsform treten die Lehrenden weit in den Hintergrund, sie können gegebenenfalls als Moderatoren Hilfestellungen leisten.

b) Die Übertragung eines Textes in eine logische Symbolstruktur mit Hilfe verschiedener Symbole.
Dies setzt allerdings die Kenntnis von Logiksprachen seitens aller Beteiligten voraus und geht weit über die eigentliche Funktion des Fremdsprachenunterrichts hinaus.


7   Schlussbemerkungen

Der Vermittlung von Lesefertigkeiten muss - gerade bei Lernenden, die aus wissen­schaftlichen Gründen Chinesisch lernen - u. E. mehr Raum im Unterricht eingeräumt werden. Eine Verkürzung des kommunikativen Ansatzes auf die Mündlichkeit ist für diese Gruppe nicht hinreichend. In gängigen Lehrbüchern wird sehr auf die Mündlichkeit geachtet, die für kurze Auslandaufenthalte unbestritten und notwendigerweise im Vordergrund steht. Aber es sollte auch die Vermittlung von Lesefertigkeiten schon zu einem recht frühen Zeitpunkt betont werden, um das Chinesische als - eine unter mehreren - Wissenschaftssprachen zu fördern, denn gerade das Internet hat ja die Rezeption von Texten wieder ins Zentrum des Interesses gerückt.

Zu hoffen, dass die Lernenden ihre Lesefertigkeiten gleichsam automatisch erlernen, hat sich in der Praxis als nicht realistisch herausgestellt. Von den gängigen Lehrwerken werden die Lehrenden und Lernenden in dieser Hinsicht allein gelassen. Der vorliegende Beitrag versucht, diese Lücke sowohl aus theoretischer Sicht als auch aus didaktischer Sicht zu schließen.

Abschließend sei angemerkt, dass eine empirisch valide Überprüfung der Vermittlung der Lesefertigkeit des Chinesischen als Fremdsprache derzeit noch aussteht. Dies ist u. a. auch auf das Fehlen valider Methoden zu deren Erforschung zurückzuführen.



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Autor:
Prof. Dr. Chris Merkelbach
Associate Professor
National Taiwan University
Department of Foreign Languages and Literature
1, Roosevelt Road, Sec 4
106 Taipei City, Taiwan, R.O.C.
E-Mail: chrismtw@ntu.edu.tw




1 Ähnliche Klagen hört man übrigens auch von chinesischsprachigen Studierenden, wenn sie fremdsprachige Texte lesen sollen.

2 Es wurden zum Jahreswechsel 2012/2013 im Zuge eines Evaluationsprozesses des Unterrichts Chinesisch als Fremdsprache 14 Interviews als Pilotstudie an der National Taiwan University durchgeführt. Die Studierenden wurden von uns zu ihren Erfahrungen hinsichtlich der Vermittlung der vier Sprachkompetenzen im Unterricht im Heimatland und in Taiwan befragt.