Journal of Linguistics and Language Teaching
Volume 6 (2015) Issue 1
Christine
Konecny / Erla Hallsteinsdóttir & Brigita Kacjan (Hrsg.):
Phraseologie im Sprachunterricht und in der Sprachendidaktik /
Phraseology in language teaching and in language didactics (=
ZORA 94).
Maribor: Mednarodna
založba Oddelka za slovanske jezike in književnosti, Filozofska
fakulteta 2013. 173
Seiten (ISBN 978-961-6930-02-4)
Auch
wenn in den meisten Handbüchern und Einführungen zur Phraseologie
Phraseodidaktisches allenfalls am Rande vorkommt, hat in den letzten
Jahren die Zahl einschlägiger Publikationen deutlich zugenommen.
Stellvertretend sei hier nur verwiesen auf die ausführliche
Überblicksdarstellung von Matthias Grünewald (2012 / 2013), auf das
von Erla Hallsteinsdóttir et al. (2011) herausgegebene Themenheft
Phraseodidaktik
/ Phraseodidactics,
die Sammelbände Phraseodidactic
Studies on German as a Foreign Language
(2013) und Outils
et méthodes d'apprentissage en phraséodidactique
(2014) von Isabel González Rey oder die Monographie De
la phraséologie à la phraséodidactique
von Monika Sułkowska (2013).
Nicht zu vergessen die zahlreichen Beiträge von Stefan Ettinger
(z.B. 2012, 2014), wie sie auch über die
Internetseite
www.ettinger-phraseologie.de
zugänglich sind.2
In diese Reihe ordnet sich ebenfalls der hier zu besprechende
Sammelband von Christine Konecny (Innsbruck), Erla Hallsteinsdóttir
(Odense) und Brigita Kacjan (Maribor) ein.
Der
Band, der auf einen phraseodidaktischen Workshop anläßlich der
Europhras-Tagung 2012 zurückgeht, enthält – außer einer kurzen
Einleitung in deutscher und in englischer Sprache – acht Beiträge.
Diese decken ein relativ breites inhaltliches Spektrum ab: Behandelt
werden nicht nur Vorschläge zur konkreten unterrichtlichen
Umsetzung, sondern ebenso allgemeine didaktische Reflexionen, Fragen,
die die Auswahlkriterien phraseologischer Einheiten, die Funktion und
Ausrichtung von Wörterbüchern und Lehrwerken oder die Rolle von
Phrasemen in Fachtexten betreffen. Die einzelnen Beiträge nehmen
verschiedene Sprachen in den Blick (das Deutsche, das Luxemburgische,
das Italienische, das Russische) und beziehen sich, je nach
Schwerpunkt, auf Vermittlungsfragen in Schule und Hochschule sowie in
der Erwachsenenbildung.
Der
erste Beitrag - „Phraseme im muttersprachlichen Deutschunterricht:
eine exemplarische Untersuchung von Sprachbüchern der Sekundarstufe
I“ (19ff)
von
Wenke
Mückel
–
basiert
auf der allgemeinen Annahme, phraseologische Ausdrücke könnten
„zentrale Bausteine eines auf die Entwicklung von
Sprachhandlungskompetenz ausgerichteten Deutschunterrichts“ werden
(41). In ihrer Erhebung kommt die Autorin zu dem Ergebnis, daß
Phraseme in den herangezogenen Sprachbüchern durchaus verwendet
werden, und zwar nach drei Grundmustern (23):
- Spiel mit Polysemie (Aktualisierung wörtlicher und phraseologischer Bedeutung),
- elliptischer Gebrauch (Weglassung einer oder mehrerer Ausdruckskomponenten),
- modifizierter Gebrauch (Hinzufügung oder Austausch von Ausdruckskomponenten).
Dennoch
werde ein solcher Einsatz der großen Bedeutung von Phrasemen im
Sprachgebrauch nicht gerecht (37); das Angebot beschränke sich meist
nur auf Redewendungen und Sprichwörter, außerdem fehle es an
expliziter Thematisierung als Unterrichtsgegenstand. Insbesondere
komme es nicht zu einer „umfassenderen sprachsystematischen
Einbettung“ phraseologischer Einheiten. Ein so allgemeines Fazit
erscheint auf den ersten Blick sehr plausibel; allerdings wären eine
Präzisierung der bemängelten Defizite und eine weitere
Konkretisierung des möglichen phraseodidaktischen Beitrags zur
Sprachkompetenz-Förderung wünschenswert gewesen. Die ausführlich
zitierten Lehrwerk-Beispiele hätten mit ihrem Phrasem-Gebrauch
hierzu zahlreiche Ausgangspunkte geboten.3
Als
weniger unterrichtsbezogen ist der anschließende Beitrag von Teodor
Petrič
– „Da
liegt der Hase im Pfeffer
– Über das Verstehen idiomatischer Phraseme im Deutschen als
Fremdsprache“ (45ff) – einzustufen. Berichtet wird über die
Ergebnisse eines psycholinguistischen Projekts, das sich u.a. mit der
Bedeutungserschließung mehr oder weniger lexikalisierter
Wortverbindungen beschäftigt; insbesondere geht es auch darum zu
klären, wie die Vorhersagbarkeit, der Bekanntheitsgrad, die
Bedeutungshaltigkeit und die wörtliche Plausibilität
phraseologischer Einheiten zusammenhängen (56). Ausgehend von
verschiedenen Hypothesen zur Rezeption phrasemhaltiger Testsätze
gelangt der Autor zu einer differenzierten Bewertung bezüglich der
Abrufbarkeit komplexer Wortverbindungen. Dabei ist generell von zwei
miteinander konkurrierenden Erschließungsprozessen auszugehen: einem
kompositionell orientierten Bottom-up-Prozeß
und einem eher ganzheitlichen Top-down-Prozeß:
Die
Verarbeitung von Phrasemen mit geringerem Lexikalisierungsgrad stützt
sich stärker auf das Kompositionalitätsprinzip, die Verarbeitung
von Phrasemen mit hohem Lexikalisierungsgrad ist dagegen stärker
ganzheitlich orientiert, d.h. am Abruf von komplexen Einheiten aus
dem mentalen Lexikon. (67)
Aus
phraseodidaktischer Perspektive mag man fragen, worin letztlich der
Ertrag des großen empirisch-statistischen Aufwands besteht. Doch
dürften gesicherte Aussagen über die Verarbeitung von Phrasemen
zweifellos die Einschätzung von Lernschwierigkeiten verbessern und
auch zur Begründung der daraus abzuleitenden methodischen Schritte
beitragen.
Brigita
Kacjan („Sprichwörter zwischen korpusbasierter Frequenzanalyse und
DaF-Wörterbüchern“ (71ff) bemängelt die große Diskrepanz
zwischen der Bedeutung von Sprichwörtern im Sprachgebrauch und der
starken Vernachlässigung dieses Bereichs im DaF-Unterricht:
Obwohl
Sprichwörter in der aktuellen Alltags- und Mediensprache
allgegenwärtig sind, wird ihnen im Rahmen des Deutschen als
Fremdsprache und ihrer institutionellen Vermittlung kaum Beachtung
geschenkt. (82)
Vor
diesem Hintergrund geht der Beitrag zunächst der Frage nach,
inwieweit Sprichwörter überhaupt in DaF-Wörterbüchern verzeichnet
sind, wobei das e-Großwörterbuch
Deutsch als Fremdsprache 4.0
als Analysebeispiel dient. Um die Relevanz von Sprichwörtern
einschätzen zu können, greift die Verfasserin auf zwei Quellen
zurück:
a)
das SprichWort-Korpus,
das im Laufe eines multilingualen Projekts am Mannheimer IdS auf der
Basis publizistischer und literarischer Texte erarbeitet wurde und
das im wesentlichen eine Liste der 300 häufigsten, in fünf
Frequenzgruppen eingeteilten Sprichwörter umfaßt, und
b)
ein zweites Korpus, das aus den Ergebnissen der Internetsuchmaschine
Google
besteht und das zur Überprüfung der Aktualität der Daten mit
herangezogen wird.
Über
mehrere minutiös durchgeführte Vergleiche der beiden Korpora mit
den Einträgen des genannten DaF-Wörterbuchs gelingt der Nachweis,
daß zum Teil erhebliche Differenzen bestehen; vor allem die weniger
frequenten Sprichwörter sind des öfteren nicht im Wörterbuch
verzeichnet (vgl. die detailierte Liste am Schluß des Artikels). Ein
weiteres Problem sieht die Autorin in der Zuordnung der Sprichwörter
zu den einzelnen Sprachniveaustufen, wie sie im Gemeinsamen
Europäischen Referenzrahmen (GeR)
festgelegt sind. Mit Recht wird jedoch das Ziel einer solchen
Sprachniveau-Zuordnung aufgegeben – dies nicht zuletzt wegen der
pragmatischen Komplexität des Sprichwortgebrauchs (82). Und in der
Tat wäre auf einer allgemeineren Ebene noch zu überlegen, welche
Rolle speziell Sprichwörter in der Fremdsprachenvermittlung spielen
sollten, welche Lernziele sich mit ihnen verbinden ließen und welche
Relevanz sie im Vergleich zu anderen phraseologischen Einheiten für
den Lerner haben.
Der
Beitrag „Phraseologie in Lehrwerken für Luxemburgisch als
Fremdsprache“ (89ff) von Jutta Schumacher wäre vermutlich ohne
eine spezielle Gesetzesänderung nicht denkbar gewesen: Seit 2008
fordert ein neues luxemburgisches Einwanderungsgesetz auch den
Nachweis von Kompetenzen in der Nationalsprache Luxemburgisch,
was den Bedarf an Kursen und Materialien zum Lëtzebuergesch
als Friemsprooch
stark ansteigen ließ. Die Autorin nimmt nun drei ausgewählte
Lehrwerke aufs Korn und kommt zu folgenden Ergebnissen:
- Mit Ausnahme von Routineformeln und sog. festen Phrasen werden Phraseologismen eher stiefmütterlich behandelt und ohne weitere didaktische Aufbereitung eingeführt.
- Darüber hinaus beschränke sich das phraseologische Angebot oft auf idiomatische Wendungen und Sprichwörter, deren Präsentation „kontext- und kommentarlos“ erfolge (94).
- Phraseologischen Besonderheiten der gesprochenen Alltagssprache werde kaum Beachtung geschenkt, was gerade im Falle des Luxemburgischen ein großes Manko darstelle (102).
Insgesamt
sei den Lehrwerken zwar ihre kommunikativ-pragmatische Ausrichtung
zugute zu halten, es fehle jedoch durchweg eine systematische
Behandlung von Phraseologismen – neuere phraseodidaktische
Anregungen würden zu wenig zur Kenntnis genommen. Die vorgetragene
Argumentation erscheint aus Lesersicht konsequent und überzeugend,
zumal sie mit vielen Beispielen und Auszügen der besprochenen
Lehrwerke belegt wird. Allein die gelegentlich geäußerte pauschale
Kritik, daß „für die meisten Sprachen phraseodidaktisch
aufbereitetes Lehr- und Lernmaterial nur wenig vorhanden“ sei und
„überhaupt erst entwickelt werden“ müsse (90), reizt zum
Widerspruch. Erinnert sei nicht nur an die eingangs erwähnten
aktuellen Arbeiten, lohnend wäre hin und wieder auch ein Blick
zurück. Für den Englischunterricht hat z.B. Dieter Götz bereits im
Jahre 1976 weiterführende phraseodidaktische Vorschläge formuliert;
zu französischen Redewendungen gibt es seit 1992 das umfangreiche,
inzwischen in dritter Auflage erschienene Übungsbuch von Vilmos
Bárdosi et al., zu portugiesischen Phrasemen vgl. Ettinger / Nunes
(1994), und für Deutsch als Fremdsprache sei nochmals auf
Hessky / Ettinger (1997) verwiesen.4
Viele
phraseodidaktische Arbeiten haben immer wieder die kulturspezifische
Relevanz von Phrasemen betont. Grundlegend ist dabei die Auffassung,
ein angemessenes Verständnis entsprechender Wortverbindungen sei nur
dann möglich, wenn bestimmte landeskundliche Kenntnisse vorhanden
sind. Eine vergleichbare Position liegt auch den Ausführungen von
Astrid Scharipowa
und
Veronika Vasileva
(„Linguolandeskunde
und phraseologische Einheiten mit Komponenten nichtmetrischer
Längenmaße“; 105ff) zugrunde. Die Autorinnen gehen aus von einer
engen, gerade auch für das Erlernen einer Fremdsprache wichtigen
Verbindung zwischen Sprache und Kultur und greifen so eine These
wieder auf, wie sie bereits in der Linguolandeskunde der 1970er Jahre
angelegt war:
Sowohl
die Lexik im Allgemeinen als auch die Phraseologie im Speziellen
bilden ein Reservoir der nationalen Kultur, das die Vielfalt des
menschlichen Seins widerspiegelt. (106)
Übertragen
auf die Phraseologie bedeutet dies: Beim Erlernen von Phraseologismen
werden gleichzeitig auch spezielle historische und kulturelle
Informationen vermittelt, und umgekehrt erfordert die Dekodierung
solcher Ausdruckseinheiten das Verfügenkönnen über konkrete
landeskundliche Wissensbestände:
Ein
großer linguolandeskundlicher Wert kommt phraseologischen Einheiten
mit Komponenten wie Toponymen, Ethnonymen und Anthroponymen zu, aber
auch phraseologischen Einheiten, die auf bestimmte historische
Ereignisse, alte Bräuche, Überzeugungen, Aberglaube und Gesten
verweisen, sowie auch Einheiten literarischen Ursprungs sind
diesbezüglich informativ. (106f)
Zur
Illustration der Funktion außersprachlichen Wissens greifen die
Autorinnen nun eine recht spezielle Gruppe von Ausdrücken auf:
deutsche und russische Phraseme, die Komponenten nichtmetrischer
Längenmaße aufweisen. Anhand von Beispielen wie alles
mit der gleichen Elle messen,
jeder
Zoll ein Gentleman
oder (aus dem Russischen) groß
wie ein Klafter,
wie
ein Meilenstein von Kolomna
wird demonstriert, mit Hilfe welcher Informationen die betreffenden
Wortverbindungen „transparent“ bzw. nachvollziehbar erscheinen
und worauf interlinguale Kontraste beruhen können. So einleuchtend
die Beispiele auch sein mögen, sollten sie eines nicht vergessen
lassen: Die phraseologische Bedeutungszuschreibung komplexer
Wortverbindungen setzt gerade nicht das wörtliche Verständnis aller
Einzelkomponenten voraus; man kann z.B. die Wendung jmdn
ins Bockshorn jagen
korrekt verwenden und verstehen, ohne die nähere Bedeutung der
Komponente Bockshorn
zu kennen. Aus Motivationsgründen mag es naheliegen,
Fremdsprachenlerner über die Herkunft eines Ausdrucks aufzuklären,
und die Vermittlung landeskundlicher Kenntnisse mag auch in diesem
Zusammenhang umso dringlicher erscheinen, als insbesondere der
allenthalben präsente Gemeinsame
Europäische Referenzrahmen (GeR)
diesbezüglich große Defizite aufweist. Dennoch bleibt festzuhalten:
Die phraseologische Bedeutungskonstitution verläuft nicht
kompositionell, sie ist – zumindest tendenziell – global,
undurchsichtig und nicht motiviert. Das muß graduelle Ausprägungen,
gelegentliche Remotivierungen oder Rückgriffe auf die wörtliche
Bedeutung keineswegs ausschließen. Auch hinsichtlich der Übersetzung
von literarischen Texten, in denen das Spiel mit unterschiedlichen
Lesarten gerade den zentralen Reiz ausmachen kann, liegen die
Verhältnisse natürlich anders.
Unter
der Überschrift „Learning Italian phrasemes through their
conceptualizations“ (117ff) beschäftigen sich Christine
Konecny
und Erica
Autelli
stärker mit Fragen der phraseodidaktischen Umsetzung. Im Vordergrund
steht der Umstand, daß jede Sprache sich in einer mehr oder weniger
spezifischen Weise auf Wirklichkeit bezieht, so bestimmte Aspekte
hervorhebt und andere vernachlässigt oder mit unterschiedlichen
Bildern zum Ausdruck bringt. Als Bindeglied zur Ebene der
Versprachlichung bemühen die Autorinnen den Begriff der
,Konzeptualisierung‘:
Thus,
we can say that the term “conzeptualization” denotes the
particular “angle” or “perspective” a language takes when
referring to a specific object with linguistic means. In this sense,
word combinations can be regarded also as a sort of “mirror” of a
certain way of thinking and looking at the world, which is always
strongly connected to and cannot be separated from cultural aspects.
(122)
Ein
solcher Konzeptualisierungsunterschied liegt z.B. vor, wenn die
idiomatische Wendung jmdm
die Suppe versalzen
wiedergegeben werden kann durch engl. to
cook somebody’s goose,
frz. mettre
des bâtons dans les roues,
sp. aguar
la fiesta a alguien
oder it. rompere
le uova nel paniere.
Für die Vermittlung im Fremdsprachenunterricht werden speziell bei
bildhaften Ausdrücken häufig Visualisierungen herangezogen; trotz
gewisser Bedenken – schließlich läßt sich in dieser Form die
phraseologische Bedeutung meist nur schwer darstellen – kann mit
diesem Mittel die Memorisierung von Phrasemen, einschließlich der
abweichenden Konzeptualisierung, unterstützt werden. Konecny /
Autelli beschränken sich nun auf das Sprachenpaar
Italienisch-Deutsch; sie gehen von einem weiten Phrasem-Begriff aus
und konzentrieren ihren Blick auf zwei Gruppen vorgeprägter
Ausdrücke: auf Routineformeln und Kollokationen. Diese Wahl kann man
nur begrüßen, da gerade solche Wortverbindungen für den
Fremdsprachenlerner von großem Nutzen sind, und zwar für den
aktiven und passiven Gebrauch. Die gegebenen methodischen Hinweise
zeichnen sich aus durch eine große Vielfalt und durch ein ständiges
Bemühen um Konkretheit; dies gilt ebenso für die
Visualisierungsversuche – bei Routineformeln und Kollokationen –
kein leichtes Unterfangen, und die Sensibilisierung für
sprachkontrastive Divergenzen. Überhaupt gelingt den Autorinnen eine
sehr köhärente Darstellung, in der sowohl die wissenschaftliche
Fundierung als auch der didaktische Bezug nicht zu kurz kommen.5
Eine
eindeutig fachsprachliche Ausrichtung hat der Beitrag von
Danijela
Đorović:
„(Mis)understanding Italian phrasemes in Italian history texts”
(137ff). Die (ebenfalls auf Englisch formulierten) Ausführungen
gehen zurück auf Kurserfahrungen der Autorin mit serbischen
Studenten des Fachs Geschichte, genauer: auf Schwierigkeiten im
Umgang mit fachsprachlichen Phrasemen des Italienischen. Den
Überlegungen wird eine dreiteilige Klassifikation zugrundegelegt
(143f.):
a) referential
phrasemes – lexical collocations, grammatical collocations, idioms,
irreversible binomials and trinomials, compounds,
b) textual
phrasemes – complex prepositions, complex conjunctions, textual
sentence stems and linking adverbials and
c) communicative
phrasemes – attitudinal formulae and commonplaces.
Ob
diese Unterteilung bereits eine angemessene Basis darstellt, sei
dahingestellt.6
Die Hauptprobleme der Lerner betreffen vor allem zwei Kategorien
lexikalische
Kollokationen
(z.B. rompere
l’equilibrio
statt *disturbare
l’equilibrio)
und textual
phrasemes,
die man wohl auch als strukturelle oder textorganisierende Phraseme
bzw. Formeln bezeichnen könnte (z.B. in
seguito a,
in
quanto,
dal
momento que
oder a
causa di)
(145). Mit Schwierigkeiten sei hier nicht zuletzt auch deshalb zu
rechnen, weil die Vorgeprägtheit und die Polylexikalität vielfach
nicht erkannt würden und Wörterbücher häufig keine
zufriedenstellende Antwort lieferten. Als Lösung postuliert die
Autorin eine textorientierte, korpusbasierte und lernerzentrierte
Vorgehensweise (148). Was genau darunter – wie auch unter einem
„integrated approach“ (149) – zu verstehen ist, bleibt jedoch
weitgehend im Dunkeln. Es fehlen klare und konkrete, auf die
unterrichtliche Realisierung bezogene Angaben. Dies gilt ebenso für
das am Schluß angedeutete Übungsprogramm, wo u.a. von
„contextualized exercises“, „register change exercises“ oder
von „exercises of finding synonymous forms“ die Rede ist. All dem
wird niemand widersprechen wollen, allerdings laufen solche
Vorschläge leicht Gefahr, folgenlos zu bleiben, zumal dem Leser auch
keinerlei veranschaulichende Textbeispiele geboten werden.
In
einer abschließenden Synthese „Zum Status quo der Phraseodidaktik:
Aktuelle Forschungsfragen, Desiderata und Zukunftsperspektiven
(153ff)“ versuchen die Herausgeberinnen
Christine
Konecny,
Erla
Hallsteinsdóttir und
Brigita
Kacjan,
noch
einmal den phraseodidaktischen Ertrag und bisher nicht eingelöste
Desiderata auf den Punkt zu bringen.7
Hervorgehoben werden zunächst verschiedene im Internet verfügbare
Dokumentationen, Materialien und didaktische Konzepte, die man auch
als Ergebnis einer konsequenten phraseologischen Grundlagenforschung
sowie als Zeichen bestimmter phraseodidaktischer Fortschritte
betrachten kann. Es folgt ein zusammenfassender Bericht über den
oben bereits erwähnten Europhras-Workshop
mit den Schwerpunkten Phraseologische
Kompetenz,
Phraseologie
im DaF-Unterricht
sowie Phraseodidaktik
und Muttersprache
(158ff). Ansatzpunkte für die phraseodidaktische Weiterentwicklung
sehen die Autorinnen in den folgenden Feldern:
- Bisher seien Möglichkeiten, mit Ergebnissen der Phraseodidaktik auch auf die phraseologische Grundlagenforschung zurückzuwirken, kaum genutzt worden.
- Den Austausch zwischen den einzelnen Philologien und den darin angesiedelten phraseologischen und phraseodidaktischen Aktivitäten gelte es zu verstärken. Gerade mit Blick auf die kontrastive Linguistik wären Intensivierungen angebracht.
- Bezüglich der Umsetzung phraseologischer und phraseodidaktischer Einsichten in Unterrichtsmaterialien und Schulbüchern seien weitere Initiativen sinnvoll.
- Ebenso könne man an eine stärkere Eingliederung phraseologischer Aspekte in den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GeR) – einschließlich einer Niveauzuordnung von Phrasemen – denken.
- Phraseologie sollte als eigener fachdidaktischer Schwerpunkt in der Lehrerausbildung etabliert werden.
- Für besonders wichtig halten es die Autorinnen, die Möglichkeiten multimodalen Lernens nicht aus dem Auge zu verlieren und auch neue Lernmedien gezielt in die Phraseodidaktik einzubeziehen.
Insgesamt
veranschaulicht der Band Phraseologie
im Sprachunterricht und in der Sprachendidaktik
die Vielfalt und die große Dynamik der Phraseodidaktik. Die
einzelnen Beiträge liefern interessante Einblicke in neue
Entwicklungen und erreichte Fortschritte, in unterschiedliche Ansätze
und Fragestellungen, vor allem aber unterstreichen sie die
Bedeutsamkeit phraseologischer Aspekte für die
Fremdsprachenvermittlung. Als Adressaten kommen daher nicht nur
Sprachwissenschaftler in Betracht, der Band wendet sich ebenso an all
diejenigen Leser, die sich für die Gestaltung und Reflexion von
Sprach- und Fremdsprachenunterricht im weitesten Sinne interessieren.
Die hier versammelten Beiträge sind – trotz gelegentlicher Kritik
im Detail – ein überzeugendes Plädoyer für eine stärkere
Berücksichtigung phraseodidaktischer Themen in Forschung und Lehre.
Die dokumentierten Ergebnisse und Innovationen verdienen es, einem
breiten Leserkreis zugänglich gemacht zu werden.
Bibliographie
Bárdosi,
Vilmos / Ettinger, Stefan & Stölting, Cécile (1992,
32003):
Redewendungen Französisch /
Deutsch. Thematisches Wörter- und Übungsbuch.
Tübingen, Basel: Francke.
Ettinger,
Stefan (2007): Phraseme im Fremdsprachenunterricht. In:
Burger, Harald et al. (Hrsg.): Phraseologie.
Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung,
2. Halbband.
Berlin, New York: de Gruyter, 893-908.
Ettinger,
Stefan (2012): Einige phraseodidaktische Überlegungen zur Frequenz,
zur Disponibilität und zur Bekanntheit französischer Idiome und
Sprichwörter. In: Szavak,
frazémák szótárak. Mots,
phrasèmes, dictionnaires – Írások Bárdosi Vilmos 60.
születésnapjára. Mélanges offerts à Vilmos Bárdosi pour ses 60
ans
(= Revue d'Études Françaises, numéro spécial). Budapest:
Université Eötvös Loránd, 85-104.
Ettinger,
Stefan (2014): Le problème de l'emploi actif et/ou de connaissances
passives des phrasèmes chez les apprenants de langues étrangères.
In: González Rey, Isabel (Hrsg.): Outils
et méthodes d'apprentissage en phraséodidactique. Bruxelles,
Fernelmont:
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Ettinger,
Stefan / Nunes, Manuela (1994): Portugiesische
Redensarten. Quiz- und Übungsbuch.
Stuttgart: Klett.
Götz,
Dieter (1976): Stilistik
und Idiomatik im Englischunterricht.
Dortmund: Lensing.
González
Rey, Isabel (Hrsg.) (2013): Phraseodidactic
Studies on German as a Foreign Language / Phraseodidaktische
Studien zu Deutsch
als Fremdsprache.
Hamburg: Kovač.
González
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et méthodes d'apprentissage en phraséodidactique. Bruxelles,
Fernelmont:
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Grünewald,
Matthias (2012/13): Phraseologie und Phraseodidaktik. In:
The
annual report on cultural science 137,
85-136; 139, 25-66.
Hallsteinsdóttir,
Erla (2011): Aktuelle Forschungsfragen der deutschsprachigen
Phraseodidaktik. In: Linguistik
online
47 (http://www.linguistik-online.de/47_11/hallsteinsdottir.html;
30.6.2015).
Hallsteinsdóttir,
Erla / Winzer-Kiontke, Britta & Laskowski, Marek (Hrsg.) (2011):
Phraseodidaktik /
Phraseodidactics
(= Linguistik online 47).
Hessky,
Regina / Ettinger, Stefan (1997): Deutsche
Redewendungen. Ein Wörter- und Übungsbuch für Fortgeschrittene.
Tübingen: Narr.
Kühn,
Peter (2007): Phraseme im Muttersprachenunterricht. In:
Burger, Harald et al. (Hrsg.):
Phraseologie.
Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung,
2. Halbband.
Berlin, New York: de Gruyter, 881-893.
Sułkowska,
Monika (2013): De
la phraséologie à la
phraséodidactique. Études théoriques et didactiques.
Katowice: Wydawnictwo Uniwersytetu Śląskiego.
Zenderowska-Korpus,
Grażyna (2004): Sprachliche
Schematismen des Deutschen und ihre Vermittlung im Unterricht DaF.
Frankfurt/M.: Lang.
Rezensent:
Prof.
Dr. Heinz-Helmut Lüger
Zeppelinstraße
45
D-76887
Bad Bergzabern
E-Mail:
heinz-helmut.lueger@t-online.de
2
Unter
der genannten Adresse finden sich weitere bibliographische Hinweise
– neben einer umfangreichen Phrasem-Datenbank und einem
didaktischen Apparat, der viele Vorschläge des vergriffenen
Lehrbuchs Deutsche
Redewendungen
(Hessky / Ettinger 1997) in modifizierter Form wieder
zugänglich macht.
3
Auch die im Beitrag zitierte Literatur – z.B. Kühn (2007) –
enthält bereits entsprechende Vorschläge.
4
Zu
weiteren Literaturangaben vgl. Ettinger (2007), Kühn (2007) oder
Zenderowska-Korpus (2004).
5
Zur
Vertiefung sei ausdrücklich ein Blick in die Internetseiten unter
www.kollokation.at
empfohlen, wo Konecny / Autelli detailliert über ein
Kollokations-Projekt informieren; hier finden sich auch umfangreiche
Bibliographien zur Phraseodidaktik und zur Phraseologie allgemein.
6
So
kann man sich z.B. fragen, ob die Bezeichnungen textual
und communicative
eine Einteilung in disjunkte Klassen erlauben, ob Komposita in
diesem Rahmen anzuführen sind, ob grammatical
collocations
nicht auch der Gruppe b) zuzurechnen wären und was genau unter
textual
sentence stems
zu verstehen ist.
7
Der
Vollständigkeitkeit halber sollte man hier auch den bilanzierenden
phraseodidaktischen Artikel von Erla Hallsteinsdóttir (2011) mit
einbeziehen.